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Antiheld

Der Antiheld ist die Hauptfigur (Protagonist) in modernen Dramen oder epischen Texten und stellt den Gegenentwurf zum traditionellen positiven Helden dar. In der Literaturwissenschaft unterscheidet man zwischen Antiheld, positivem Held und negativem Held. Alle drei können die Funktion des Protagonisten einnehmen.

Definition

Die pure Antriebslosigkeit - (c) Flo/PIXELIO

Die Bezeichnung Antiheld ist ein wichtiger Fachbegriff der Literaturwissenschaft. Der Antiheld ist die Hauptfigur in modernen Dramen oder epischen Texten und stellt den Gegenentwurf zum traditionellen positiven, aktiven Helden dar. Der Antiheld ist zumeist eine passive, resignative oder generell eigenschaftslose Person, die getrieben wird und den Einflüssen der Umwelt ausgesetzt ist – der Antiheld ist nicht in der Lage, Entwicklungen und Ereignisse aktiv zu beeinflussen.

Als Prototyp des Antihelden gilt der lethargische Protagonist in Iwan Gontscharows? Roman „Oblomow“ (1859), zu dessen hervorstechenden Wesensmerkmalen Schläfrigkeit, Untätigkeit und Entschlusslosigkeit gehören. In der modernen Literaturwissenschaft unterscheidet man zwischen Antiheld, positivem Held und negativem Held – wobei die Grenzen zwischen Antiheld und negativem Held fließend sind. Das wichtigste Merkmal des negativen Helden ist jedoch seine Tendenz zur Selbstzerstörung, die der Antiheld nicht aufweist.

Der Antiheld darf nicht mit dem Antagonisten verwechselt werden - dies war im antiken? Schauspiel der zweite Schauspieler und damit der Gegenspieler der Hauptfigur, des Protagonisten.

Foto: Flo / pixelio.de

Entstehung

Von der Antike, über das Mittelalter? und die Neuzeit? bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts dominierte in der europäischen Literatur der positive Held, der bestimmte moralische, gesellschaftliche oder religiöse Werte verkörperte und gegen eine feindliche Umwelt behauptete. Diese positive Heldenfigur war tatkräftig, tapfer, scharfsinnig, erfolgreich und sollte dem Leser als leuchtendes Vorbild dienen. Gute Beispiele für positive Helden liefern die Heldensagen und -epen, deren willensstarke Hauptfiguren durch ruhmreiche Taten beim Leser Bewunderung und Anerkennung hervorrufen sollten.

Im 19. Jahrhundert kam es zu einem tiefen Wandel und an die Stelle des positiven Helden trat zunehmend der Antiheld, der nicht mehr in der Lage war, Einfluss auszuüben und die Entwicklung in bestimmte Bahnen zu lenken. Der Antiheld ist schwach, resignativ, verloren, gebrochen, handlungsunfähig und nicht geeignet, dem Leser als Vorbild zu dienen. Im Antihelden wird der traditionelle Heldenbegriff gänzlich ad absurdum geführt. Seit etwa 1850 spielte der positive, vorbildliche Held fast nur noch eine Rolle in der Trivialliteratur und der Literatur des sozialistischen Realismus?.

Als Prototypen des Antihelden gelten Prinz Leonce in Georg Büchners Lustspiel? „Leonce und Lena“ (1842) und der Protagonist in Iwan Gontscharows? Roman „Oblomow“ (1859). Gontscharows? Hauptfigur Ilja Iljitsch Oblomow, ein adliger russischer Gutsbesitzer, zeichnet sich vor allem durch seine enorme Schläfrigkeit, Untätigkeit und Entschlusslosigkeit aus. Mit einem flauschigen Schlafrock bekleidet, verbringt er die längste Zeit des Tages auf dem plüschigen Ruhelager, dämmert zwischen den weichen Kissen dahin, baut gigantische Luftschlösser und hängt den bezaubernden Erinnerungen an seine glückliche, sorgenfreie Kindheit nach. Mittelpunkt seines Lebens ist der mit Sehnsucht erwartete Mittagsschlaf. Bis zum Ende des Romans gelingt es Oblomow nicht, sich zu einer entscheidenden Tat aufzuraffen.

Entwicklung

Die Entwicklung, die im 19. Jahrhundert begann und in deren Verlauf der positive Held zunehmend vom Antihelden verdrängt wurde, setzte sich in den folgenden Epochen fort und dauert bis in die Gegenwart an. Im deutschsprachigen Roman und Drama der Literatur nach 1945 dominierte unter dem Eindruck des Faschismus und des Zweiten Weltkrieges der Typ des Antihelden. Interessante Lesebeispiele aus der Zeit der Nachkriegsliteratur sind „Draußen vor der Tür“ (1947) von Wolfgang Borchert?, „Die Blechtrommel“ (1959) von Günter Grass und „Ansichten eines Clowns“ (1963) von Heinrich Böll?.

Eine Sonderform des Heldentypus etablierte sich nach 1945 in der Literatur des sozialistischen Realismus?. Hier verkörperte der Held weiterhin positive Ideale wie Solidarität, Fleiß und Klassenbewusstsein. Doch auch innerhalb der DDR-Literatur kam es zu einer Gegenbewegung zum positiven Helden, in deren Mittelpunkt der zweifelnde und labile Antiheld stand. Interessante Lesebeispiele aus der DDR-Literatur sind „Nackt unter Wölfen“ (1958) von Bruno Apitz, „Der geteilte Himmel“ (1963) von Christa Wolf und „Die neuen Leiden des jungen W.“ (1973) von Ulrich Plenzdorf.

Literatur

  • Büchner, Georg: Woyzeck. Leonce und Lena. Reclam Verlag, Ditzingen 2006, ISBN: 978-3150184202
  • Gontscharow, Iwan: Oblomow. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2006, ISBN: 978-3458321729
  • Grass, Günter: Die Blechtrommel. München, Dtv 1993, ISBN: 978-3423118217

Sekundärliteratur

  • Allkemper, Alo / Eke, Norbert Otto: Literaturwissenschaft. UTB, Stuttgart 2007, ISBN: 978-3825225902
  • Arnold, Heinz Ludwig / Detering, Heinrich (Hg.): Grundzüge der Literaturwissenschaft. Dtv, München 1999, ISBN: 978-3423301718
  • Emmerich, Wolfgang: Kleine Literaturgeschichte der DDR. Aufbau Verlag, Berlin 2000, ISBN: 978-3746680521

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