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Boldt, Paul

Paul Boldt (geb. 31. Dez. 1885 in Christfelde/Westpreußen, gest. 16. März 1921 in Freiburg im Breisgau) war ein Lyriker des deutschen? Expressionismus. Obwohl er nur einen einzigen eigenen Lyrikband? veröffentlichte, inspirierte er durch sein emotional aufgeladenes Werk? und seinen Lebenslauf, über den wenig bekannt ist, zahlreiche nachgeborene Literaten und Künstler. Einige Germanisten? sehen in seiner Gedichtzeile? „Junge Pferde! Junge Pferde!“ das treffendste Charakteristikum seiner Epoche.

Leben und Schreiben

Als Sohn eines wohlhabenden Gutsbesitzers wurde Paul Boldt am Silvestertag des Jahres 1885 geboren. Nach dem Abitur 1906 begann er Germanistik? und Kunstgeschichte zu studieren, zunächst in Marburg und München, dann in Berlin. Statt intensiv für das Studium zu arbeiten, betrieb er immer mehr das ausschweifende Leben eines Bohèmiens und brach schließlich, 1912, das Studium ab. Daraufhin versagten seine Eltern ihm die finanzielle Unterstützung. In der Folge gab ihm seine Halbschwester Jenny regelmäßig Geld, da sie von ihrem leiblichen Vater gut geerbt hatte.

Viel Zeit verbrachte Boldt in den Kreisen expressionistischer Dichter und im Café Josty am Potsdamer Platz, wo sich damals Künstler der Neuen Sachlichkeit und des Expressionismus trafen, da der verkehrsreiche Potsdamer Platz sehr viel Dynamik und Modernität ausstrahlte. Paul Boldt verewigte dieses Café in einem 1912 veröffentlichten Sonett?.

Eine Reihe von Gedichten veröffentlichte Boldt in der Zeitschrift „Die Aktion“, die für eine undogmatische linke Politik stand, und in der literarisch-politischen Zeitschrift „Die Weißen Blätter“. Dabei erregte besonders das Gedicht „Junge Pferde“ die Aufmerksamkeit der Leser. Boldt trat bei Lesungen und Literaturabenden unter anderem an der Seite von Gottfried Benn? auf. Mitglied in einem Literaturzirkel? wurde er jedoch nie, auch tiefe Freundschaften innerhalb der Literaturszene machte er keine.

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1914 erschien sein einziger eigenständiger Lyrikband „Junge Pferde! Junge Pferde!“. Danach veröffentlichte Boldt wesentlich seltener und wurde 1915 zur Artillerie eingezogen. Dort war er aber nur bis 1916, dann wurde er entlassen. Die Akten nennen ein „Nervenleiden“ als Grund. Die Gedichte der Jahre 1915 bis 1918 sind für den modernen Leser schwieriger zugänglich als die früheren, da sie Boldts Seelenlage widerspiegeln, die sich nach der Veröffentlichung? seines Lyrikbandes zunehmend verdüsterte.

Im Jahre 1918 stellte Paul Boldt die Veröffentlichung von Gedichten ganz ein. Im Herbst 1919 zog er nach Freiburg im Breisgau, um Medizin zu studieren und sich erneut von seinem Vater finanziell unterstützen zu lassen. Jedoch verstarb er bereits am 16. März 1921 an den Komplikationen nach einer Leistenbruch-Operation. Er wurde in Westpreußen auf dem Friedhof von Stuhm beerdigt.

Posthume Rezeption

Der Nachlass? von Paul Boldt ging 1945 verloren, als seine Halbschwester Jenny Horst damit von Westpreußen nach Thüringen floh. Erst Mitte der 1970er Jahre wurde eine systematische Boldt-Forschung betrieben, deren Ergebnis unter anderem die Boldt-Gesamtausgabe? von Wolfgang Minaty aus dem Jahr 1979 ist. Außer ein paar Postkarten ist nichts Handschriftliches? von Paul Boldt überliefert, auch kein Photo.

Schriftsteller wie Peter Rühmkorf oder Peter Härtling fanden, dass es genug Gründe gebe, Boldt als die entscheidende Prägefigur des deutschen Expressionismus anzusehen. In diesem Sinne sah Peter Härtling das Werk? Paul Boldts zu Unrecht auf die Zeile? „Junge Pferde! Junge Pferde!“ reduziert und vermutete, dass Boldt, wäre er Franzose gewesen, zu einer mythischen Figur gleich Verlaine? oder Baudelaire? geworden wäre.

Der in Tokio ansässige Germanist Eberhard Scheiffele betrieb jahrelang Archivrecherchen? und suchte in den Nachlässen von Zeitgenossen. Dadurch fand er unter anderem heraus, das Boldt auch mit Else Lasker-Schüler bekannt war, und veröffentlichte mehrere Aufsätze? über Paul Boldt. Ebenfalls in Japan übersetzte der Dichter Daniel J. Webster viele Verse von Boldt ins Englische.

Marcel Reich-Ranicki begeisterte sich 1994 in einem Band? seiner „Frankfurter Anthologie?“ unter anderem über die treffende und knappe Formulierung?: ‘Mein Ich ist fort‘ in Boldts Gedicht „In der Welt". Alle Schriften Boldts seien „zum Bersten voll mit Empfindungen und Ängsten“ und anschaulichen Bildern.

In den Jahren 1999 bis 2009 arbeitete Marc Pendzich an dem Paul-Boldt-Online-Archiv, in dem Gedichte und Hintergrundinformationen für die Öffentlichkeit leicht zugänglich versammelt sind.

Schriftwerke

  • Unzählige Lyrik/Prosa-Veröffentlichungen in: Pfemfert, Franz (Hg.): Die Aktion. Wochenschrift für Politik, Literatur und Kunst. Berlin, 1912-1918.
  • Zwei Lyrik/Prosa-Veröffentlichungen in: Schwabach, Erik-Ernst / Schickele, René (Hg.): Die weißen Blätter, März 1914 und April 1916.
  • Eigenständiger Lyrikband: Junge Pferde! Junge Pferde! Kurt Wolff Verlag, 1914. (Band 11 der Reihe „Der jüngste Tag“)

Editionen

  • Boldt, Paul: Junge Pferde! Junge Pferde! Verl. Udo Degener, 2010.
  • Pendzich, Marc: Paul-Boldt-Online-Archiv (s. u. unter Links), 2009.
  • Boldt, Paul: Auf der Terrasse des Café Josty. Gedichte und Prosa 1912-1918. Edition Razamba/BOD, 2009.
  • Boldt, Paul: Der Wind schweigt weit. Ausgewählte Gedichte. luxbooks.lyrik, 2007 (2008).
  • Boldt, Paul: Junge Pferde! Junge Pferde! Edition Razamba/BOD, 2008.
  • Pendzich, Marc: In der Welt. Musik über Gedichte von Paul Boldt. Für eine Singstimme und Kammerorchester, 2000.
  • Boldt, Paul: Von den Stummheiten sollen wir aufbrechen. Gallimathias-Verl., 1994.
  • Rühmkorf, Peter (Hg.):131 expressionistische Gedichte.Wagenbach: Berlin, 1990.
  • Minaty, Wolfgang (Hg.): Junge Pferde, Junge Pferde. Gesamtausgabe Lyrik, Prosa, Dokumente. Olten, 1979 (1982).
  • Boldt, Paul: Junge Pferde! Junge Pferde! Kurt Wolff Verl., 1914 (1918).

Weiterführende Literatur

  • Naumova, Vera: Expressionistische Metaphorik im Spiegel ihrer Forschung: Am Beispiel der Lyrik von Paul Boldt. Elektronische Ressource, Akademikerverlag, 2012.
  • Kühnel, Klaus (Hg.): Friedrichstraßendirnen: Leben und Werk des expressionistischen Dichters Paul Boldt. Trafo, 2009.
  • Scheiffele, Eberhard: 3fach gesucht: ein Lyriker namens Paul Boldt. Waseda Blätter. Band 16. Tokyo, 2009
  • Diamant, Dora; Riegel, Werner: Außenseiter : Portraits zu Jacob van Hoddis, Paul Boldt und Arno Schmidt. Revonnah, 1998.
  • Reich-Ranicki, Marcel: Ein Gesicht ist auf die Sterne gefallen. In: Frankfurter Anthologie. Gedichte und Interpretation. Bd. 17. Hg. Reich-Ranicki. S. 137-140, 1994.
  • Faul, Eckhard: Diese Leichtigkeit. Paul Boldts ‘Junge Pferde‘.‘Wir wissen ja nicht was gilt‘: Interpretationen zur deutschsprachigen Lyrik des 20. Jahrhunderts. Hg. Reiner Marx u. Christoph Weiss. Röhrig, S. 26-36, 1993
  • Minaty, Wolfgang (Hg.): Paul Boldt und die "Jungen Pferde" des Expressionismus: Erotik, Gesellschaftskritik u. Offenbarungseid. Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik. Bd. 23. Akademischer Verlag, 1976.

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