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Celan, Paul

eigentlich Paul Antschel, auf Rumänisch Ancel; daraus Celan als Anagramm? gebildet; ein deutschsprachiger Lyriker

<div><a title="von Paul Celan [Public domain], via Wikimedia Commons" href="><img width=256" alt="Paul Celan Cignature" src="//upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/64/Paul_Celan_Cignature.jpg"/></a></div> Unterschrift von Paul Celan [Public domain], <div><a href="">via Wikimedia Commons</a></div>

Leben und Schreiben

Kindheit und Jugend

Geboren wurde Paul Celan als Paul Antschel am 23. November 1920 in Czernowitz, das damals in Rumänien lag, heute aber zur Ukraine gehört.

Die Eltern von Paul Celan waren Juden und wohnten in der Hauptstadt der Bukowina in Nordrumänien. Paul war der einzige Sohn des Maklers im Brennholzhandel, der im "Buchenland" (Bukowina), das bis 1918 Teil Österreichs war, arbeitete. Auch wenn man hier im Alltag Rumänisch sprach, war doch das Deutsch die Sprache der Gebildeten - auch die der Celans.

Zuerst besuchte Paul Celan die deutsche, dann die hebräische Grundschule. Danach ging er fünf Jahre an ein rumänisches und in den oberen Klassen an ein ukrainisches Gymnasium. Abitur machte er am 3. Juni 1938. Noch im gleichen Jahr schrieb er sich zu einem Medizinstudium in Tours ein. Dabei musste er über Berlin reisen, genau am Tag der Reichspogromnacht (10. November 1938). In Tours begegnete Celan der Poesie des Surrealismus, die seine eigene Dichtung stark beeinflusste.

Nachdem im September 1939 der Zweite Weltkrieg ausgebrochen war und weil das Medizinstudium wohl nicht das Richtige für ihn war, kehrte Celan 1939 nach Rumänien zurück und begann in czernowitz Romanistik zu studieren.

Passfoto von Celan aus dem Jahr 1938

Zweiter Weltkrieg

Obwohl die Russen 1940 die nördliche Bukowina und Celans Heimatstadt Czernowitz besetzten, konnte er zunächst weiter studieren. 1941 aber übernahmen deutsche und rumänische Truppen das Gebiet, was bedeutete, dass die Juden in Ghettos verbracht wurden. Seine Eltern wurden 1942 in ein transnistrisches Lager deportiert, wo sein Vater schon im September 1942 an Typhus starb und seine Mutter im Lager Michailowka östlich des Bug Ende 1942 erschossen wurde. Dieses Trauma begleitete Paul Celan ein Leben lang, machte er sich doch Vorwürfe, dass er selbst sich versteckt hatte und seine Eltern allein ließ. Auch in seinem Werk kommt die Verzweiflung über dieses Grauen immer wieder zum Ausdruck. Den Tod seiner Eltern übermittelte ihm sein Freund und Mitschüler Immanuel Weissglas. Anders als Celan hatte er seine Eltern ins Lager nach Transnistrien begleitet und mit ihnen überlebt.

Er selbst verbrachte große Teile der Jahre 1942 bis 1943 in rumänischen Arbeitslagern. Dort leistete er Zwangsarbeit, z. B. im Straßenbau. 1944 eroberte die Rote Arme seine Heimat und er wurde befreit. Im gleichen Jahr kehrte der Dichter nach Czernowitz zurück, wo er sein Studium weiterverfolgte. Im Haus von Rose Ausländer erzählte ihm Immanuel Weissglas 1944 vom Tod seiner Eltern. Motive von Weissglas´ erst 1970 veröffentlichten Gedicht "Er" sind in Celans später weltberühmt gewordenen Gedicht "Todesfuge" zu erkennen, das 1945 entstand.

Ab Anfang 1944 arbeitete Celan in einer Czernowitzer Klinik, bis er im Herbst des Jahres sein Studium - noch in Czernowitz - wieder aufnehmen konnte. Diesmal studierte er Anglistik.

Erste Nachkriegsjahre

1945 zog Celan nach Bukarest, um weiter zu studieren. Die russische Armee war in Czernowitz einmarschiert und die Stadt von der Sowjetunion annektiert worden.

Nach seinem Studium arbeitete er zunächst als Übersetzer und Lektor. In den Bukarester Jahren pflegte Celan Kontakte zu den Surrealisten. In der rumänischen Zeitschrift? "Agora" konnte er 1947 seine ersten drei Gedichte veröffentlichen? - auf Deutsch. Aber Celan schrieb auch in der rumänischen Sprache, z. B. wurde die Todesfuge zuerst im Mai 1947 als "Tango-ul mortii" (Todestango) auf Rumänisch in einer rumänischen Zeitschrift? gedruckt?. Im gleichen Jahr floh er über Ungarn zunächst nach Wien (Dezeember 1947), um dann im Juli 1948 nach Paris überzusiedeln. Ebenfalls 1948 erschien sein erstes eigenes Werk? in Wien: Der Sand aus den Urnen, eine Sammlung von Gedichten, die damals kaum Beachtung fanden. Ganze 500 Exemplare? wurden gedruckt, die jedoch von Fehlern strotzten, so dass Celan das Buch wieder zurückzog. Auch fand er die Illustrationen von Edgar Jené unpassend.

Wien ist ein Markstein im Leben Paul Celans, weil er dort im Mai 1948 Ingeborg Bachmann kennenlernt, in die er sich verliebt und mit der er Ende der 1940er Jahre eine Beziehung eingeht, die bis Anfang der 1950er Jahre hält und dann noch einmal zwischen Oktober 1957 und Mai 1958 in Paris aufflammt. In seinem Tagebuch schreibt Celan über seine Beziehung und posthum wird der Briefwechsel? der beiden Liebenden veröffentlicht. Die Briefe? Celans an Ingeborg Bachmann werden heute im Deutschen Literaturarchiv aufbewahrt, die Briefe? Ingeborg Bachmanns liegen in der Österreichischen Nationalbibliothek? in Wien.

Etablierung

In Paris angekommen setzte Celan sein Studium - jetzt Germanistik und Sprachwissenschaft - fort und schloss es 1950 ab. Entscheidender noch als Ingeborg Bachmann war für Celan die Künstlerin Gisèle Lestrange, die er im November 1951 in Paris kennenlernte und schon 1952 heiratete. Hin und wieder arbeitete das Ehepaar künstlerisch zusammen, z. B. 1965, als Lestrange Radierungen zu Celans Gedichtzyklus Atemkristall lieferte.

Im Mai 1952 trat Celan auf der Tagung der Gruppe 47 in Niendorf auf. Die Lesung wurde jedoch zu einem Misserfolg, weil keiner der Teilnehmer mit der Dichtung Celans etwas anfangen konnte. Beteiligte äußerten sich später dahingehend, dass seine Lesung ein Missverständnis war, das an der Art seines Vortrages lag. Keiner der Kriegsheimkehrer der Gruppe 47 kannte die Tradition der jüdisch-rumänischen Gedicht-Rezitation im rhythmisch hohen Ton. Auch das Schicksal von Celan war keinem der Gruppe bekannt. Positiv an seiner Lesung war, dass der Cheflektor der Deutschen Verlags-Anstalt? auf Celan aufmerksam wurde. Später hat die Gruppe 47 Celan noch mehrere Male eingeladen, doch nahm Celan nach seinen negativen Erfahrung und der Ablehnung an keinem Treffen der Gruppe 47 mehr teil.

Noch 1952 erschien bei der Deutschen Verlags-Anstalt? in Stuttgart der Gedichtband Mohn und Gedächtnis. Darin war das Gedicht Todesfuge zu finden, in dem Celan den Mord an den europäischen Juden durch die Nationalsozialisten thematisiert und das er bei der Gruppe 47 vorgestellt hatte. Es gibt wenig eindringlichere Texte zu diesem Verbrechen.

1955 erhielt Celan die französische Staatsbürgerschaft und sein Sohn Eric (Anagramm zu „écris!“, frz. für „schreib!“) erblickt das Licht der Welt, nachdem seine Frau zwei Jahre zuvor ein Kind verloren hatte.

1959 begann Celan an der École Normale Supérieure in der Pariser Rue d´Ulm deutsche Sprache und Literatur zu lehren.

Problemjahre

1960 ist das Jahr der "Goll-Affäre". Celan war mit dem jüdischen Dichter Yvan Goll? befreundet und hatte für ihn Gedichte übersetzt. Die Freundschaft war gleich nach Celans Ankunft in Paris entstanden. Nach seinem Tod machte Celan die Witwe Claire Goll schwere, aber unbegründete Plagiatsvorwürfe. Diese Vorwürfe ließen Celan bis zum Lebensende leiden. Und Claire Goll diffamierte Celan bis zu ihrem eigenen Tod im Jahr 1977.

Zur Verleihung des Georg-Büchner-Preises hielt Celan am 22. Oktober 1962 eine Dankesrede, in der er sein Werk? auf ein politisches Datum zurückführte, nämlich auf den 20. Januar 1942, den Tag, an dem die Nationalsozialisten auf der Berliner Wannsee-Konferenz die Auslöschung der Juden beschlossen. Der 20. Januar ist auch der Tag, an dem Georg Büchner den Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz? das Gebirge durchstreifen ließ. Der 20. Januar 1942 kostete das Leben der Eltern von Celan und es ist für die Lyrik Celans Zeit seines Lebens Bezugspunkt gewesen.

1967 ließ sich Celans Ehefrau scheiden. Zuvor war Celan schon mehrmals in psychiatrische Kliniken. Unter anderem hatte er einmal in einem Wahnzustand seine Ehefrau mit einem Messer bedroht. Auch wenn die Trennung dauerhaft war, blieben die beiden weiter in Verbindung.

Schon Ende der 1950er Jahre begann Celan hin und wieder nach Deutschland zu reisen. Oft, um einen Literaturpreis entgegenzunehmen. Die deutsche Unfähigkeit zu trauern und zu den eigenen Verbrechen zu stehen, sie zu bereuen, begegnete ihm dabei immer wieder und verletzte ihn tief.

Kurz vor dem Tod

Im Oktober 1969 reiste Celan nach Jerusalem, wo er bei Lesungen neben alten Freunden aus der Bukowina Gershom Scholem?, Jehuda Amichai, David Rokeah? und seine Jugendfreundin Ilana Shmueli aus Czernowitz traf. In der Folge entstehen Gdichte mit biblischen Anspielungen im Stil der jüdischen Jerusalemdichtungen, verbunden mit und erotischen Elogen? auf seine Geliebte. Ein Briefwechsel? und Ilana Shmuelis Buch unter dem Titel "Sag, dass Jerusalem ist" bezeugen das Werben Celans. Die Gedichte wurden in dem Nachlassband "Zeitgehöft" veröffentlicht? und belegen die Auseinandersetzung des Dichters mit seinem Judentum.

Celan beging wohl Selbstmord vermutlich am 20. April 1970 in Paris. Sicher geklärt ist das nicht, aber die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass er sich am Pont Mirabeau in die Seine stürzte. Am 1. Mai 1970 fand man Celans Leiche zehn Kilometer flussabwärts von Paris Courbevoie. Begraben hat man ihn am 12. Mai 1970 auf dem Friedhof Thiais/Val-de-Marne, am gleichen Tag, an dem die befreundete Dichterin Nelly Sachs? starb.

Werk

Die Lyrik

Die meisten Menschen kennen Paul Celan durch sein Gedicht Todesfuge. Es brachte ihm Weltruhm und machte ihn zu einem der bekanntesten Lyriker? des 20. Jahrhunderts.

Celans Frühwerk der Jahre 1938 bis 1944 umfasst ein Bändchen? Gedichte für seine Geliebte Ruth Lackner (später Kraft) aus dem Jahr 1944 und einige Texte auf Rumänisch.

Betrachtet man Celans mehr als zwei Jahrzehnte Aufenthalt in Paris, könnte man denken, er habe hier eine neue Identität und Heimat gefunden. Doch Paris bedeutete für seine Persönlichkeit und sein Werk? wenig. Hier lebte er eher als einer, den es nicht gibt. Bestimmend für seine Existenz auch in den Pariser Jahren blieb der Zwiespalt zwischen seiner bukowinisch-deutschen Sprache bzw. Kultur und seiner jüdischen Existenz, den er aufgrund seiner familiären Tragödie nicht mehr schließen konnte.

In Paris war Celan von beiden Lebensräumen isoliert. Vielleicht war das die Basis, dass er seine immer gegenwärtigen traumatischen Erfahrungen der 1940 in seinem poetischen Werk? verarbeiten konnte.

Diese Verarbeitung in Gedichtbänden? wie "Mohn und Gedächtnis", "Von Schwelle zu Schwelle", "Sprachgitter", "Niemandsrose" oder "Atemwende", das Erinnern an die Opfer, wurde ihm selbst jedoch mit der Zeit immer fragwürdiger. Zum einen fragte er sich, ob die "Mördersprache" den Greueln der Nazis angemessen war, zum anderen wurde ihm die sprachliche Sagbarkeit des Erfahrenen immer suspekter. Er misstraute immer mehr seinen eigenen "Wortkadavern" und so begann die Sprache in seiner Lyrik immer mehr ins Zentrum zu rücken und ein Eigenleben zu entwickeln. 1967 schrieb er gar: "Das Namengeben hat ein Ende." Seine Sprache wurde deshalb immer uneindeutiger, immer reduzierter und komplexer. Celan zog sich immer mehr aus der menschlich-gesellschaftlichen Kommunikation? zurück, was auch in seiner Poesie deutlich wird, in der er "Lieder ... jenseits der Menschen" singen wollte.

Je länger der Autor tot ist, desto mehr wächst die Auseinandersetzung mit seinem Werk?. Wie sind seine Gedichte auszulegen? Nicht wenig helfen dabei die Briefwechsel?, die in der Zwischenzeit gedruckt vorliegen.

Die Übersetzungen

Die Übersetzungen, die Paul Celan, gefertigt hat, sind nicht zu überschauen. Allein die alphabetische Liste der von Celan übertragenen Autoren in der Wikipedia beeindruckt durch ihre Länge und umfasst von Guillaume Apollinaire? wie A bis Paul Valéry? wie V unzählige Namen, von denen nicht einmal belesene Menschen je etwas gehört haben.

Übrigens ...

1988 hat der Deutsche Literaturfonds? den Paul-Celan-Preis gestiftet, um nachdichtende Übersetzer zu ehren und ihre Übersetzungsleistungen zu würdigen.

Auszeichnungen (Auswahl)

Werke (Auswahl)

Bücher von Paul Celan bei Jokers

  • Der Sand aus den Urnen, Wien 1948 (makuliert?)
  • Mohn und Gedächtnis, Stuttgart 1952
  • Von Schwelle zu Schwelle, 1955
  • Sprachgitter, 1959
  • Die Niemandsrose, 1963
  • Atemwende, 1967
  • Fadensonnen, 1968
  • Lichtzwang, 1970
  • Schneepart (Nachlass), 1971
  • Zeitgehöft (Nachlass), 1976

Herzzeit

Das Buch umfasst den Briefwechsel? zwischen Celan und Ingeborg Bachmann und erschien im August 2008 im Suhrkamp Verlag. Außerdem waren Paul Celans Gedicht Corona und viele weitere aus dem Gedichtband Mohn und Gedächtnis an die Dichterin gerichtet.

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