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Die morawische Nacht

von<br> Peter Handke

Ein ehemaliger Autor (!) lädt Freunde und Weggefährten auf sein Hausboot ein, es hat den symbolträchtigen Namen „Die morawische Nacht“. Eine geschlagene Nacht lang unterhält er sie dort, er erzählt die Geschichte seiner letzten Reise durch Europa. Wer hier eine Irrfahrt vermutet, liegt nicht falsch. Autobiographische Stationen und symbolträchtige Orte liegen reichlich auf dem Weg, das Maultrommlertreffen in Salzburg oder ein Lärmkongress im spanischen Numancia sind vereinzelte Höhepunkte.

Eine Autobiografie als Irrfahrt also, und mit dem Hausboot verirrt sich das Erzählen. Still und genügsam treibt es auf dem Fluss Morawa dahin, das Hausboot des ehemaligen Autors. Dieser bietet seinen Zuhörern gleichwohl nichts weniger als die Summe seines Lebens (als Reisebericht). Eine prekäre Summe ist es, fast aufgebraucht von den Banalitäten der Welt. Kein Wunder, er selbst hat als Autor das Verstummen gewählt.

Ein epischer Charakter von erschreckenden Ausmaßen

Weit ausschweifend, von einer tastenden Sprache auf zahlreiche Nebengleise geführt, so erlebt der Leser den ehemaligen Autor in seinem Element. Kein Prosaschreiber muss er gewesen sein, vielmehr ein epischer Charakter von erschreckenden Ausmaßen. Einer, der sich zuletzt in der reinen Mündlichkeit? ergeht. Vor Worten sprudelt er in dieser Nacht über, wie ein echter Marathonerzähler. Man sollte sich also nicht täuschen lassen, Peter Handkes neue Erzählung präsentiert einen weltabgewandten Flaneur in allerbester Parlierlaune. Und gescheitert ist dieser ehemalige Autor noch lange nicht, auch wenn die Freunde und Weggefährten allmählich unruhig werden.

Doch über diesen Rubikon müssen sie nun einmal alle gehen. Die vorgebliche Ereignisleere ist bei Peter Handke immer die Kehrseite, auf der anderen Seite steht eine feiernd genau beobachtete Welt. So feiernd genau beobachtet, dass sie sich in ihre Einzelmomente auflöst. Ja, vor der Flut dieser Momente kann sich keiner auf dem Hausboot schützen.

Eine grandiose Heiterkeit

Eine grandiose Heiterkeit liegt über dieser Erzählnacht, weil der ehemalige Autor seine Zuhörer offensichtlich zum Narren hält. Wieder sind sie gekommen, um eine große Geschichte zu hören. Wieder speist er sie mit Einzelmomenten ab. „Die morawische Nacht“ ist unbedingt nicht ernst zu nehmen, nein. Keine Publikumsbeschimpfung ist das, aber eine lustvolle Publikumsunterlaufung.

Bei aller Narretei darf man nicht vergessen: In Peter Handkes? neuer Erzählung geht es wieder einmal um das ganze Erzählen, und das ist schon großartig verwegen genug.

Literaturangaben

  • Handke, Peter: Die morawische Nacht. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 561 S., 28 €, ISBN: 978-3518419502

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