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Die Sonne war der ganze Himmel

von<br> Kevin Powers

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Kann ich mich nach der Lektüre des Debütromans? von Kevin Powers?, „Die Sonne war der ganze Himmel“, an irgendeinem Tag völlig unbeteiligt den Bildern eines Krieges widersetzen, den ich nicht kenne, aber aus der sehr persönlichen Sicht des Autors kennen gelernt habe und bis in jedes schmerzliche Detail beschrieben finde? Die Antwort ist natürlich, dass ich das nicht kann und dass der Eindruck, den dieses Buch in mir hinterlassen hat, ein Prägestempel fürs weitere Leben ist.

Dabei kam ich beim Durchstreifen einer Buchhandlung eher zufällig zu dem Buch. Ein erster Roman über den Irakkrieg, geschrieben von einem Autor, der persönlich als US-Soldat im Irak stationiert war, war zwar nur bedingt mein Ding, machte mich aber neugierig. Und schon nach den ersten Seiten geriet ich in den Sog der schmerzhaften poetischen Wucht dieses Romans, der die Geschichte eines unsäglichen Krieges? erzählt und die einer Freundschaft zweier junger Soldaten, die in diesem Krieg zum Einsatz kommen.

John Bartle, der Ältere der beiden, hat der Mutter des Jüngeren, Daniel Murphy, versprochen, er werde auf ihn aufpassen und ihn heil zurück nach Hause bringen, ein gut gemeintes, aus dem Augenblick heraus gegebenes Versprechen, das nicht einzuhalten ist. Und man ahnt schon, dass der Jüngere, was auch kommen möge, diesen Krieg nicht überleben wird.

Sensibel porträtiert Kevin Powers diese Freundschaft von Anfang bis Ende. Geschickt verschachtelt er die einzelnen Aufenthaltsorte der beiden zu einem Psychogramm höchster Intensität, was bewirkt dieser Krieg, was macht ihn aus und wie beeinflusst er das Fühlen und Denken zweier Menschen, die aus der Normalität ihres bisherigen Alltags in die erschütternde und extreme Erfahrung katapultiert werden, Menschen töten zu müssen?

Der Autor verfügt über die wundersame Gabe, Außen- und Innenwelt bis in jede Einzelheit auf ganz eigene Weise beschreiben und benennen zu können, dass dem Leser der Atem stockt und er sich mitgenommen fühlt in die reale Welt dieser Dichtung, ohne sich dagegen wehren zu wollen. Ob in der Kaserne daheim oder auf dem Schlachtfeld im fremden Land, jedes Bild, jeder Eindruck, jeder Gedanke, jedes Erleben, jede Landschaft wird zu einer eigenen Geschichte oder zu einem Gedicht von präziser, eindringlicher Sprache, unbegreiflich und unvergesslich.

Unspektakulär stellt der Roman die Frage nach Schuld oder Unschuld, wann, wie und warum lädt man sie sich auf oder geht ihr verlustig? Was passiert vor, während und nach einem Krieg im Kopf, in der Seele? Was vermag Vergessen oder mögliches Erinnern? Der Roman nimmt diese Fragen alle auf, manchmal leicht, manchmal quälend, ohne endgültige Antworten, sehr nachdenklich und offen. Er ist ein Leseerlebnis, das zu Tränen rührt, eine Erschütterung im Alltäglichen, die nicht verloren geht und manche vermeintliche Ordnung durcheinander wirbelt. Er ist keiner, den man lesen sollte. Er ist einer, den man lesen muss.

Autor: Michael Starcke

Literaturangaben

  • Powers, Kevin: die Sonne war der ganze Himmel. Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-10-059029-9, 240 S., 19,99 €

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