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Dostojewski, Fjodor

Fjodor Michailowitsch Dostojewski (geb. 11. November 1821 in Moskau; gest. 9. Februar 1881 in Sankt Petersburg) war ein russischer Schriftsteller. Sein Werk? übte größten Einfluss auf die Literatur in Russland und Westeuropa aus.

Leben und Schreiben

Fjodor Dostojewski auf einem Porträt von Vassilij Grigorovič Perov, 1872 - (c) Lafit86/Wikipedia

Fjodor Dostojewski wurde am 11. November 1821 als Sohn eines Arztes in Moskau geboren, wo er auch den größten Teil seiner Kindheit und Jugend verbrachte. Bereits als Kind litt er an epileptischen Anfällen, die ihn Zeit seines Lebens plagten. Von 1838 bis 1843 studierte er an der Militäringenieurschule in Sankt Petersburg und fand im Anschluss eine Anstellung als Beamter. Schon 1844 verließ er diese Stellung wieder, um als freier Schriftsteller zu leben.

Etwa zur gleichen Zeit begann er mit der Niederschrift seines ersten Romans, der 1846 unter dem Titel „Arme Leute“ (dt. 1887) veröffentlicht wurde. Sein Erstling? machte ihn schlagartig berühmt, Kritik und Publikum feierten ihn als Genie. Doch der frühe Ruhm war nur von kurzer Dauer, denn die folgenden Werke? riefen bei der zeitgenössischen Kritik vorwiegend negatives Echo hervor. Bereits in „Arme Leute“ formuliert Dostojewski eine Frage, die zentrale Bedeutung für sein literarisches Schaffen erlangen sollte: „Woher kommt es, dass gerade der gute Mensch im Unglück einherwandelt?“

Foto: Lafit86 / Wikipedia.org.

„Aufzeichnungen aus einem Totenhaus“ (1860-1862)

Im Jahr 1847 trat Dostojewski dem geheimen Zirkel um den sozialistischen Revolutionär Michail Petraschewskij bei. Wegen Teilnahme an so genannten staatsfeindlichen Zusammenkünften wurde er 1849 verhaftet und zum Tode durch Erschießen verurteilt. Auf dem Richtplatz wurde er von Zar Nikolaus I. zu vier Jahren Zwangsarbeit in Sibirien mit anschließender Militärdienstpflicht begnadigt. 1859 wurde er aus der Armee entlassen und kehrte nach Sankt Petersburg zurück.

Geistig gewandelt, lebte Dostojewski nun als überzeugter Christ und Gegner des atheistischen Sozialismus. In den Jahren 1860 bis 1862 erschienen die „Aufzeichnungen aus einem Totenhaus“ (dt. 1886), in denen er seine sibirische Verbannung verarbeitete. Das Außergewöhnliche des Werks? liegt in seiner sprachlichen Brillanz: Der konsequent durchgehaltene sachliche Tonfall verfremdet die Ungeheuerlichkeit der Ereignisse ins Selbstverständliche. Es folgten der Roman „Erniedrigte und Beleidigte“ (1861; dt. 1885) und die Erzählung „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“ (1864; dt. 1895).

Das Spätwerk entsteht

Bedeutende Anregungen empfing Dostojewski zeitlebens aus intensiver, umfassender Lektüre. Besonders beeinflussten ihn Friedrich Schiller, Honoré de Balzac?, Victor Hugo?, Alexander Puschkin und Nikolai Gogol?. Stilistisch stand ihm Gogol? am nächsten. Die 1860er Jahre markieren einen entscheidenden Wendepunkt in Dostojewskis literarischem Schaffen: Mit der Veröffentlichung der „Aufzeichnungen aus einem Kellerloch“ gilt das Frühwerk? als abgeschlossen, es folgten die Reifejahre mit ihrer beispiellosen Produktivität und der bis zur physischen Erschöpfung forcierten Arbeit an seinen fünf großen Romanen.

Wer von diesen Romanen spricht, meint damit in der Regel: „Schuld und Sühne“ (1866; dt. 1882), „Der Idiot“ (1868/1869; dt. 1889), „Die Dämonen“ (1871/1872; dt. 1888), „Ein grüner Junge“ (1875; dt. 1886) und „Die Brüder Karamasow“ (1879/1880; dt. 1884). Die bis heute ungebrochene Faszination dieser Romane basiert vor allem auf der Verbindung von philosophischen Gedanken, kriminalistischen Elementen und psychologischer Seelenanalyse. Das beherrschende Thema ist die moralische Krise des modernen Menschen, der in einer Welt der verlorenen Wahrheiten lebt und zwanghaft nach einem Weg aus dem religiösen, gesellschaftlichen und ethischen Bankrott sucht.

„Schuld und Sühne“ (1866)

„Schuld und Sühne“, der erste unter den fünf großen Romanen, ist in formaler Hinsicht wahrscheinlich der vollkommenste. Er gehört zu den einflussreichsten Büchern der Weltliteratur? – ungezählte Kommentare, Bezugnahmen, satirische Umdichtungen sowie Adaptionen für Theater, Oper, Film und Fernsehen zeugen bis heute von seiner ungebrochenen Popularität. Für Thomas Mann war „Schuld und Sühne“ der „größte Kriminalroman aller Zeiten“.

Der Roman entstand von Mitte 1865 bis Ende 1866. Der Erstdruck? erschien von Januar bis Dezember 1866 in der damals von russischen Schriftstellern und Intellektuellen außerordentlich geschätzten Zeitschrift „Russkij vestnik“. Eine vom Erstdruck? teils stark abweichende Buchausgabe kam 1867 in Petersburg auf den Markt. Die Endfassung lag 1877 vor, Erscheinungsort war ebenfalls Petersburg.

Der Roman ist eine spannende und virtuos geschriebene Kriminalgeschichte, die der Leser sich ohne aufklärende Erzählerkommentare selbst erschließen muss. Zugleich breitet er Dostojewskis Welt- und Menschenbild bis ins unscheinbarste Detail aus. Im Mittelpunkt der Handlung steht der 23-jährige Student Raskolnikow, der einen Doppelmord begeht und anschließend in einen Zustand seelischer Isolation gerät.

Dostojewski erzählt die Geschichte aus Sicht Raskolnikows, der in seinem engen, sargähnlichen Zimmer den Entschluss fasst, eine alte Wucherin umzubringen und auszurauben. Der Plan misslingt: Plötzlich erscheint die gutmütige, aber schwachsinnige Stiefschwester der Wucherin in der Wohnung. Raskolnikow wird zum Doppelmörder und flieht mit einer lächerlichen, wertlosen Beute vom Tatort.

Die Ermittler tappen im Dunkeln, anscheinend hat Raskolnikow das perfekte Verbrechen begangen. Doch seine Schuld- und Angstgefühle steigern sich in den folgenden Tagen zu unerträglichen Seelenqualen. Verstört und niedergeschlagen, eine getriebenes, hoch sensibles Nervenbündel, windet Raskolnikow sich, nahezu ohne Atempause, durch das staubige und schwüle Petersburg des Julis 1865.

Schauplätze? des Romans sind enge Wohnungen, dumpfe Zimmerverschläge, verrufene Kneipen, finstere Treppenhäuser und schwankende Brücken, unter denen das schmutzige Wasser der Petersburger Kanäle faulig und träge dahin treibt. Die bedrückende Stadtlandschaft spiegelt den zerrütteten Seelenzustand Raskolnikows auf faszinierende und kunstvolle Weise wider – ohne dabei plakativ oder effekthascherisch zu wirken.

In dieser Atmosphäre, innerlich völlig zermürbt, hält Raskolnikow dem Bild seiner Tat, die aus Sicht der Ermittler zunächst wie das perfekte Verbrechen aussieht, nicht stand. Er stellt sich der Polizei. Sonja, eine Prostituierte, die Raskolnikow mit liebevollen Gesten und guten Worten zugetan ist, hat diesen Entschluss in einem berühmt gewordenen Gespräch herbeigeführt.

Um die Haupthandlung windet Dostojewski verschiedene Parallelepisoden, die den schmerzhaften Schuld- und Sühneprozess des tragischen Helden eindrucksvoll begleiten. Der Epilog? des Romans zeigt Raskolnikows Seelenzustand etwa eineinhalb Jahre nach der Tat in einem sibirischen Zuchthaus. Am Ende hat es den Anschein, als ob Raskolnikow den Weg zu Gott findet und dadurch auch Vergebung und Gnade erlangt. Sicher ist das aber nicht, die Interpreten streiten bis heute über das mehr angedeutete als wirklich ausformulierte Schicksal des berühmtesten Mörders der Weltliteratur?.

Strittig wie der Schluss ist auch der Übersetzungstitel des Romans. Der russische Originaltitel „Prestuplenie i nakazanie“ lässt sich nicht nur unvollkommen ins Deutsche übertragen. Am häufigsten sind die beiden Titel „Schuld und Sühne“ sowie „Verbrechen und Strafe“ – dem russischen Original, das sowohl eine moralische als auch eine juristische Bedeutungsebene hat, werden beide jedoch nicht gerecht. Teils ist der Roman auch schlicht und einfach unter dem Titel „Raskolnikow“ erschienen.

„Der Idiot“ (1868/1869)

In dem Roman „Der Idiot“ widmet sich Dostojewski dem Urthema des lächerlichen Helden, der wegen seiner gütigen, selbstvergessenen Distanzlosigkeit von seinen Mitmenschen ausgenutzt und erniedrigt wird. Hauptgestalt ist der an Epilepsie leidende Fürst Myschkin, der im November 1867 nach einem fünfjährigen Aufenthalt in einem Schweizer Sanatorium völlig mittellos nach Sankt Petersburg zurückkehrt. Bereits kurz nach seiner Ankunft gerät in ein Netz aus Intrigen, in dessen Mittelpunkt die bildschöne und undurchschaubare Nastasja steht. Die Liebe zwischen Fürst Myschkin und Nastasja mündet in einer Katastrophe. Am Ende kehrt Myschkin ins Sanatorium zurück. Walter Benjamin? schrieb über „Der Idiot“: „Die gesamte Bewegung des Buchs gleicht einem ungeheuren Kratereinsturz.“

„Die Dämonen“ (1871/1872)

Der Roman „Die Dämonen“ gilt als der düsterste unter den fünf großen Romanen Dostojewskis. Besonderes Interesse erregt seit seinem ersten Erscheinen die sarkastische, oft zynische Erzählstimme, die den Leser durch die komplexe Handlung führt. Bis ans Ende bleibt rätselhaft, aus welchen Quellen der Erzähler einen großen Teil seiner Informationen über Ereignisse und Personen schöpft. In „Die Dämonen“ dringt Dostojewski tief in das Seelenleben seiner Figuren ein und forscht u.a. nach den Ursachen für Gewalt, Mord und Anarchie, aber auch von Idealismus und Aufrichtigkeit. Der Roman inspirierte Heimito von Doderer? zu seinem 1956 veröffentlichten Meisterwerk „Die Dämonen“.

„Ein grüner Junge“ (1875)

Der Tagebuchroman? „Ein grüner Junge“ wird von der Literaturwissenschaft bis heute nur am Rande behandelt. Die chaotische Form des Werks? trägt wohl wesentlich zu dieser stiefmütterlichen Behandlung bei. Der aus der Ich-Perspektive erzählte Roman gilt als Schelmenroman und zeigt einen pubertären Helden, der durch einen Zufall in den Sog des Lebens gerissen wird. Daneben ist „Ein grüner Junge“ auch ein komplexes Gesellschaftsporträt, in dessen Mittelpunkt das Petersburg des ausgehenden 19. Jahrhunderts steht.

„Die Brüder Karamasow“ (1879/1880)

„Die Brüder Karamasow“ ist in der Chronologie der fünf großen Romane der letzte. Er bildet einen Schlusspunkt, der noch einmal alle Elemente der außergewöhnlichen Erzählkunst Dostojewskis zusammenführt. Die Handlung ist in der russischen Provinz angesiedelt und kreist um den Mord an Fedor Karamasow. Als Reaktion auf den Mord enthüllen die Figuren ihren Charakter - darunter auch die drei Söhne des Ermordeten, die durch verschiedene leidenschaftliche Verstrickungen aneinander gefesselt sind. Auch die Gerichtsverhandlung, die den kompositorischen Höhepunkt des Romans bildet, verschafft keine endgültige Klarheit.

Mit seinen Werken? übte Dostojewski größten Einfluss auf die Literatur in Russland und Westeuropa aus. Zu seinen bekanntesten Bewunderern zählten Maxim Gorki?, Friedrich Nietzsche, Thomas Mann und Imre Kertész?.

Fjodor Dostojewski starb am 9. Februar 1881 in Sankt Petersburg. Sein Grab befindet sich auf dem Tichwiner Friedhof des Alexander-Newski-Klosters.

Übrigens ...

... lebte Dostojewski längere Zeit in Westeuropa - unter anderem in Dresden, wo heute vor dem Kongresszentrum ein Dostojewski-Denkmal steht.

Werke (Auswahl)

  • Bücher von Dostojewskij bei Jokers
  • Aufzeichnungen aus einem Kellerloch. OA (Originalausgabe) 1864. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006, ISBN: 978-3596161744
  • Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne). OA 1866. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1996, ISBN: 978-3596129973
  • Der Idiot. OA 1868/1869. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1998, ISBN: 978-3596135103
  • Böse Geister (Die Dämonen). OA 1871/1872. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2000, ISBN: 978-3596146581
  • Ein grüner Junge. OA 1875. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2009, ISBN: 978-3596176922
  • Die Brüder Karamasow. OA 1879/1880. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006, ISBN: 978-3596163588

Hörbücher

  • Schuld und Sühne. 4 CDs. Der Audio Verlag, Berlin 2003, ISBN: 978-3898132329
  • Der Spieler. 1 CD. Der Audio Verlag, Berlin 2005, ISBN: 978-3898134620

Sekundärliteratur

  • Hielscher, Karla: Dostojewski in Deutschland. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1999, ISBN: 978-3458342762
  • Kasack, Wolfgang: Dostojewski. Leben und Werk. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1998, ISBN: 978-3458339670

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