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Familienroman

In Familienromanen werden Entwicklungen, Ereignisse und Konflikte in einer Familie geschildert. Die Anfänge des modernen Familienromans liegen in Deutschland im 18. Jahrhundert.

Definition

Rote Feder - (c) Rolf van Melis/PIXELIO

Als Familienroman bezeichnet man in der Literaturwissenschaft Romane, in denen Entwicklungen, Ereignisse und Konflikte in einer Familie gestaltet sind – wobei der Romanautor die Familiengeschichte oft über einen längeren Zeitraum hinweg darstellt. Diese breit angelegte Darstellungsform bringt es mit sich, dass der Familienroman in andere Romangattungen wie Gesellschafts-, Zeit-, Ehe-?, Liebes- und Historischer Roman übergreift. Das bedeutet, dass im Familienroman nicht nur Probleme und Konflikte des engeren familiären Zusammenlebens geschildert werden, sondern auch Fragen von gesellschaftlicher, politischer, künstlerischer, kulturgeschichtlicher, theologischer, generationsspezifischer und wirtschaftlicher Relevanz diskutiert werden.

Der Stoff des Familienromans stammt zumeist aus dem bürgerlichen (und im historischen Rückblick auch aus dem adligen) Milieu. Es gibt nur wenige Familienromane, in denen die Familiengeschichte von Arbeitern erzählt wird (z. B. W. Bredels? Trilogie? „Verwandte und Bekannte“ 1941-1953) – eine Auffälligkeit, die vor allem mit den Rezeptionsgewohnheiten der potentiellen Leserschaft im Zusammenhang steht. Die meisten Familienromane sind der Trivialliteratur zuzurechnen.

Entstehung

In der Literaturwissenschaft werden verschiedene Entstehungsmodelle des Familienromans diskutiert. Einigkeit besteht darüber, dass der Familienroman zumeist in Zeiten der Unterdrückung des öffentlichen Lebens oder des geringen Interesses an diesem entsteht. Eine wichtige poetologische Voraussetzung für die Entstehung des Familienromans ist eine ausgeprägte realistische Erzähltradition, das heißt: eine Erzähltradition, die die gegebenen Tatsachen wirklichkeitsgetreu, detailgenau und in einfacher Sprache darstellt. Die Anfänge des modernen Familienromans liegen in Deutschland im 18. Jahrhundert. Davon ausgehend erlebte der Familienroman im 19. und frühen 20. Jahrhundert seine Blütezeit.

Entwicklung

Landschaft am Orinoco - (c) Urlaubsbilder/PIXELIO

Als erste Vorstufe des Familienromans in Deutschland gilt J. Wickrams? „Von guten und bösen Nachbarn“ (1556). Die folgende Zeit zeigte an der Darstellung von Familienverhältnissen nur ein geringes Interesse und widmete sich eher dem Abenteuerroman, der an exotischen und abgelegenen Orten spielte. In der Gunst des zumeist bürgerlichen Lesepublikums lag der Abenteuerroman im Vergleich mit dem Familienroman weit vorne.

In der Tradition von Richardson und Fielding

Erst die Briefromane? in der Zeit der gesteigerten Empfindsamkeit brachten den Familienroman zurück auf das literarische Tableau. Zu nennen sind hier vor allem die Werke C. F. Gellerts? („Das Leben der Schwedischen Gräfin von G***“, 1747/48) und J. T. Hermes?’ („Geschichte der Miß Fanny Wilkes“, 1766; „Sophiens Reise von Memel nach Sachsen“, 1769-1773). Hermes führte den breit moralisierenden englischen Familien- und Gesellschaftsroman in der Tradition von S. Richardson? und H. Fielding in Deutschland ein. In den meisten dieser Romane ging es um Schicksal, Gefährdung und Tugend der Frau.

In starker Nähe zum Erziehungsroman? standen die Familienromane J. H. Pestalozzis? („Lienhard und Gertrud“, 1781-1787) und H. Jung-Stillings? („Heinrich Stillings Jugend“, 1777; „Die Geschichte des Herrn von Morgenthau“, 1779).

Verbannung aus dem literarischen Repertoire
Sophie von La Roche auf einem Buchcover - (c) Reclam Verlag

Während die Hochliteratur? in der Zeit von Klassik und Romantik den Familienroman nahezu vollständig aus dem literarischen Repertoire verbannte, lebte er in der Trivialliteratur weiter fort. Zu den populärsten Vertretern des wenig anspruchsvollen, unterhaltsamen Familien- und Eheromans? gehörten bis ins frühe 18. Jahrhundert Sophie von La Roche? („Geschichte des Fräuleins von Sternheim“, 1771; „Rosalie von Cleberg auf dem Lande“, 1791) und Johanna Schopenhauer? („Gabriele“, 1819; „Sidonia“, 1827).

Der moderne Familienroman in Europa
Lesende von Renoir - (c) gemeinfrei

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte der Familienroman in Europa seine Blütezeit und stieg zu einer äußerst populären Romangattung auf. Ausgehend von Frankreich, wo É. Zola seinen zwanzigbändigen Romanzyklus? „Les Rougon-Macquardt“ (1871-1893) veröffentlichte, gewann der Familienroman auch in anderen europäischen Ländern eine stetig wachsende Leserschaft. Er war nicht mehr nur die Angelegenheit von Unterhaltungsschriftstellern. Mit noch heute bekannten Autoren wie G. Flaubert? („Madame Bovary“, 1857), L. Tolstoi? („Anna Karenina“, 1877), F. Dostojewski („Die Brüder Karamasow“, 1880) und Th. Fontane („Effi Briest“, 1894/95) kehrte er nun in die Hochliteratur? zurück.

Von „Buddenbrooks“ zu „Es geht uns gut“
Es geht uns gut, Buchcover - (c) dtv

Diese Tradition des modernen, literarisch anspruchsvollen Familienromans setzte sich im 20. Jahrhundert weiter fort. Bedeutsame Zeugnisse sind in England „Die Forsyte-Saga“ (1907-1921) von J. Galsworthy?, in Frankreich „Les Thibaults“ (1922-1939) von R. M. du Gard? und in Deutschland „Die Buddenbrooks“ (1901) von Thomas Mann. Großen internationalen Erfolg hatte in jüngster Zeit der Familienroman „Bellefleur“ (1980) der amerikanischen Schriftstellerin J. C. Oates. Dass der Familienroman sich in Deutschland bleibender Beliebtheit oder sogar einer Renaissance erfreut, bestätigt sich durch einen Blick auf die Preisträgerliste des Deutschen Buchpreises: Mit Arno Geigers? "Es geht uns gut" (2005), Katharina Hackers "Die Habenichtse" (2006) und Julia Francks "Die Mittagsfrau" (2007) machten dreimal hintereinander im weiteren Sinn Familienromane das Rennen.

Literatur

  • Franck, Julia: Die Mittagsfrau. EA 2007. Frankfurt am Main, S. Fischer Verlag 2007, ISBN: 978-3100226006
  • Geiger, Arno: Es geht uns gut. EA 2005, dtv, München 2007, ISBN: 978-3423135627
  • Mann, Thomas: Buddenbrooks. Verfall einer Familie. Frankfurt am Main, S. Fischer Verlag 1989, ISBN: 978-3596294312
  • Oates, Joyce C.: Bellefleur. München, dtv 2005, ISBN: 978-3423208833
  • Tolstoi, Leo: Anna Karenina. Frankfurt am Main, Insel Verlag 2006, ISBN: 978-3458352075

Sekundärliteratur

  • Strohmeyr, Armin: Sophie von La Roche. Eine Biografie. Reclam Verlag, Leipzig 2006, ISBN: 978-3379008358

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