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Faust

Die geheimnisumwitterte Lebensgeschichte des Doktor Faust gehört zu den beliebtesten Stoffen der europäischen Literatur. Rückblickend erscheinen viele Bearbeitungen als Spiegelbild der Zeit und ihrer moralischen Krisen. Überragende Faust-Bearbeitungen stammen von Johann Wolfgang von Goethe und Thomas Mann.

Definition

Faust 2, Mitschnitt der Hamburger Aufführung mit Gustav Gründgens - (c) Universal

Die geheimnisumwitterte Lebensgeschichte des Doktor Faust hat den Stoff zu ungezählten literarischen Bearbeitungen geliefert. Der Stoff geht zurück auf den historisch bezeugten deutschen Arzt, Astrologen und Magier Johannes (oder Georg) Faust (etwa 1480-1540). Die zahllosen Legenden, die sich um sein Leben und Sterben ranken, haben seit dem 16. Jahrhundert nicht nur Dichter und Schriftsteller angeregt, sondern auch Maler, Musiker, bildende Künstler und in moderner Zeit Filmemacher.

Im Laufe der Jahrhunderte war der Faust-Stoff einem tiefgehenden Wandel unterworfen. Immer wieder rückten neue Aspekte ins Blickfeld von Dichtern und Künstlern. Rückblickend erscheinen daher viele Bearbeitungen als Spiegelbild der Zeit und ihrer moralischen, sozialen und politischen Krisen. Anfangs faszinierte hauptsächlich das abenteuerliche und unheimliche Potential des Stoffes. Später galt Faust als Symbol für das menschliche Streben nach Erkenntnis sowie geistige Unabhängigkeit und Grenzüberschreitung. Ein Streben, das auch die sozialen – und nicht zuletzt die erotischen – Früchte seiner Arbeit ernten will. Koste es, was es wolle!

Hat ihn der Teufel geholt?

Wie Doktor Faust in Wirklichkeit gelebt hat, lässt sich heute nicht mehr mit Gewissheit sagen. Die meisten biographischen Einzelheiten wurden vom historischen Dunkel zugedeckt. Fest steht jedoch, dass er die Phantasie seiner Zeitgenossen und der nachfolgenden Generationen über die Maßen beschäftigt hat. Dazu trug wohl vor allem die eifrig kolportierte Legende bei, dass er ein mächtiger Zauberer und Geisterbeschwörer gewesen sei, der seine übernatürlichen Kräfte einem mitternächtlichen Pakt mit dem Teufel verdanke.

Trägt man indes die halbwegs gesicherten Angaben über sein Leben zusammen, ergibt sich in etwa folgendes Bild: Geboren um 1480, studierte er nach 1507 wahrscheinlich Theologie in Heidelberg, ging dann in andere Universitätsstädte wie Wittenberg, Erfurt und Krakau, wurde aber fast überall nach kurzem Aufenthalt ausgewiesen. Er stand in Verbindung mit Gelehrten und erwarb Kenntnisse auf dem Gebiet der Philosophie, Astrologie und Alchemie. Vielerorts galt er als zynischer Scharlatan und unberechenbarer Abenteurer. Um 1540 kam er unter ungeklärten Umständen ums Leben. Die Leute sagten, der Teufel? habe ihn geholt. Aus diesen Ansätzen ging der Faust-Stoff hervor.

Entstehung

Am Anfang der literarischen Bearbeitung des Faust-Stoffes steht das 1587 in Frankfurt am Main gedruckte? Volksbuch? „Historia von D. Johann Fausten, dem weitbeschreyten Zauberer und Schwarzkünstler“. Das Buch stammt von einem unbekannten Autor und wurde offenbar mit erzieherischen Ambitionen geschrieben. Der Anonymus schildert zunächst einen weitgehend erfundenen Lebenslauf des Doktor Faust, anschließend warnt er die Leser vor den Naturwissenschaften und übernatürlichen Spekulationen, abschließend motiviert er die Leser zum Studium der Heiligen Schrift. Ob das Volksbuch? tatsächlich von dem Buchdrucker? Johann Spies? verfasst wurde, wie vielfach behauptet wird, ist jedoch unklar. Der Faust-Stoff gelangte für damalige Verhältnisse ungewöhnlich rasch ins Ausland.

Das Volksbuch? enthält bereits ein zentrales – wahrscheinlich sogar das wichtigste – Element des Faust-Stoffes: Ehrgeiz und Geltungsbedürfnis führen zu einem Pakt mit dem teuflischen Diener Mephistopheles?: 24 Jahre hindurch wird Faust jeder Wunsch erfüllt, danach soll seine Seele dem Teufel? anheimfallen. Das Volksbuch? berichtet zudem von einigen erotischen Affären Fausts, die in späteren Bearbeitungen jedoch teilweise unterdrückt wurden (z. B. bei Georg Rudolf Widmann?, 1599). Widmann? war es übrigens auch, der in seiner polemischen Bearbeitung die Vita Fausts der Martin Luthers? parallel baute.

Entwicklung

Der Engländer Christopher Marlowe? war vermutlich der erste Dichter, der den Faust-Stoff auf die Theaterbühne brachte. Sein Drama „Die tragische Historie vom Doktor Faustus“ (1589) lehnt sich stark an das 1587 veröffentlichte Faust-Volksbuch? an. Die Eingangsszene, ein nächtliches Selbstgespräch, in dem Faust sich der Magie verschreibt, wurde zum festen Bauelement der meisten nachfolgenden Faust-Dramen. Beim Versuch, die Grenzen der überlieferten Welt zu überschreiten, scheitert Faust kläglich und wird verdammt.

Durch wandernde englische Komödianten wurde Marlowes? Faust-Drama auch im deutschsprachigen Raum bekannt. Deutsche Wandertruppen, die schauspielernd durch Stadt und Land tingelten, ergänzten das Stück im 16. und 17. Jahrhundert durch neue Szenen. Deftiger Humor und eine reißerische Handlung sind für viele dieser Szenen charakteristisch. Oft erscheint Faust als hampelmännischer Bösewicht, der dem Publikum mal das Gruseln und mal das Lachen lehren soll. Seit den 1740er Jahren ist das „Puppenspiel vom Doktor Faust“ bezeugt, in dem neben Faust ein Kasperle? auftritt.

Faust in der Aufklärung

Gotthold Ephraim Lessing leitete mit seinem Faust-Drama (1759, nur eine Szene fertig gestellt) eine Wende in der literarischen Bearbeitung des Stoffes ein. Faust fällt nun nicht mehr dem Teufel? und der Verdammnis anheim, sondern wird als vorbildlicher Wissens- und Gedankenjäger vor der Hölle gerettet. Sein grausiges Geschick erscheint ihm nur noch im Traum. Im Sinne der Aufklärung? war Streben nach Wissen und das Überschreiten geistiger Grenzen nicht mehr gleichbedeutend mit Aufbegehren gegen Gott. Damit erfand Lessing gewissermaßen einen optimistischen Faust.

Die Zeit des Sturm und Drang brachte eine Vielzahl von Faust-Dramen hervor, die zwischen Optimismus und Pessimismus pendelten. In Maler Müllers? Faust-Fragmenten? („Situation aus Fausts Leben“, 1776; „Fausts Leben dramatisiert“, 1778) erscheint Faust als genussfreudiger Wüstling, der ziemlich plump und ohne Tiefgang gegen Gott und die Welt rebelliert. Erwähnenswert ist zudem Friedrich Maximilian von Klingers? Roman „Fausts Leben, Taten und Höllenfahrt“ (1791), der einen Faust mit sozialrevolutionären Ambitionen zeigt. Ludwig Tieck? wandte sich mit seinem „Anti-Faust“ (1801) gegen die Faust-Inflation im späten 18. Jahrhundert.

Goethes Faust entsteht

Faust 1 - (c) Multiskript Verlag

Eine wesentliche Station auf dem Wege des Faust-Stoffes wurde Johann Wolfgang von Goethes „Faust, 1. Teil“ (1808), der das Faust-Drama zum Menschheits- und Seelendrama erweiterte. Es geht nun nicht mehr nur um das Schicksal eines einzelnen Menschen, sondern um das der ganzen Menschheit. Erst rund 25 Jahre nach dem ersten Teil veröffentlichte Goethe den zweiten Teil seines Faust-Dramas (1832). Solange hatte über Fausts Schicksal Rätselraten geherrscht: Wird er verdammt oder gerettet?

Am Ende ließ Goethe seinen Faust Erlösung finden. Auch dem Bösen? wies der Dichter seinen Platz in der menschlichen Seele zu. Goethes Faust-Dramen gelten als Höhepunkte der Weltliteratur?. Alle vorangegangenen und nachfolgenden Bearbeitungen des Faust-Stoffes werden früher oder später mit Goethes überragenden Dramen in Beziehung gesetzt und verglichen.

Parodie und Vermischung mit anderen Stoffen

Im Jahr 1862 veröffentlichte Friedrich Theodor Vischer? einen parodistischen dritten Teil mit dem anspruchsvollen Titel „Faust. Der Tragödie dritter Theil. Treu im Geiste des zweiten Theils des Goethe’schen Faust gedichtet von Deutobold Symbolizetti Allegoriowitsch Mystifizinsky“.

Weitere Bearbeitungen des Faust-Stoffes stammen u. a. von Ernst August Klingemann? („Faust“, Drama, 1816), Alexander Puschkin („Szene aus Faust“, Drama, 1826), Christian Dietrich Grabbe? („Don Juan und Faust“, Drama, 1828), Nikolaus Lenau („Faust. Ein Gedicht“, Versepos, 1836) und Heinrich Heine („Doktor Faustus“, Ballettskizze, 1851). In mehreren Werken? des 19. Jahrhunderts wurde der Faust-Stoff mit anderen Stoffen verbunden, z. B. Don Juan?, Ahasver? oder Prometheus?.

Spiegel der moralischen Krise in Deutschland

Das 20. Jahrhundert brachte ebenfalls zahlreiche Bearbeitungen des Faust-Stoffes hervor. Wobei der Auseinandersetzung mit den beiden Weltkriegen sowie den politischen und moralischen Krisen der Zeit eine bedeutende Rolle zufiel. Erwähnenswert sind hauptsächlich die Werke? von Heinrich Mann („Professor Unrat“, Roman, 1905), Klaus Mann? („Mephisto“, Roman, 1936), Paul Valéry? („Mon Faust“, Dramenskizze, 1940), Thomas Mann („Doktor Faustus“, Roman, 1947) und Michail Bulgakow („Der Meister und Margarita“, Roman, 1966/1967).

Besonders Thomas Manns Faust-Roman gilt heute als besonders gelungen und facettenreich. Neben Goethes Faust-Drama bietet er die wahrscheinlich bedeutendste Bearbeitung des Faust-Stoffes. Thomas Mann knüpfte an das Volksbuch? von 1587 an, wobei er viele Motive, Anekdoten und Episoden frei ins Moderne übertrug. Im Mittelpunkt des Geschehens steht der deutsche Tonsetzer Adrian Leverkühn, dessen Biographie zum Spiegel der politisch-moralischen und geistigen Krise Deutschlands in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird. Michail Bulgakows Satire „Der Meister und Margarita“ parodiert hingegen das Leben im Sowjetreich.

Die Faust-Briefmarke von 1979 - (c) heim2.tu-clausthal.de

Im Jahr 1979 gab die Deutsche Bundespost übrigens eine Briefmarke mit Doktor Faust, Mephistopheles und Homunculus (von Magiern geschaffener künstlicher Mensch) nach einem Holzschnitt von 1616 als Motiv heraus. 2007 veröffentlichte Roman Möhlmann? seinen Roman „Faust und die Tragödie der Menschheit“, in dem Faust und Mephisto eine Zeitreise durch die gesamte Menschheitsgeschichte unternehmen.

Foto: heim2.tu-clausthal.de

Literatur

Sekundärliteratur

  • Herfurth-Uber, Beate: Faust 1 - Hören & Lernen: Wissen kompakt in 80 Minuten - Inhaltsangabe, Interpretation, Biographie. Multiskript Verlag, Eppstein 2008, ISBN: 978-3981221831

Hörbücher

  • Faust. Der Tragödie erster Teil. 2 CDs: In der Gründgens-Inszenierung des Düsseldorfer Schauspielhauses. Universal Music, Berlin 1998, ISBN: 978-3829106986
  • Faust. Der Tragödie zweiter Teil. 2 CDs: In der Gründgens-Inszenierung des Deutschen Schauspielhauses Hamburg. Universal Music, Berlin 1998, ISBN: 978-3829107006

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