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Figurengedicht

Eine literarische Kunstform, die durch metrisch oder graphisch unterschiedliche Anordnung der Zeilen? beziehungsweise Verse einen Gegenstand umreißt und sich meistens auch inhaltlich auf diesen bezieht.

Geschichte

Die Trichter, Figurengedicht von Christian Morgenstern - (c) gemeinfrei

Die ersten figurierten Texte finden sich auf Kultgegenständen, die an die äußere Form angepasst sind (etwa das Beil von St. Agatha, 6. Jh. v. Chr.). Zu den Vor- und Randformen gehören auch die schon im Alten Testament und in babylonischen Texten verwendeten Akrosticha?, die Ausdruck einer im Orient beheimateten [[Buchstabenmystik[[ sind. Die eigentliche Tradition des Figurengedichtes beginnt im europäischen Raum mit den hellenistischen Technopaignien (gr. = kunstvolles Spiel) im 3. Jh. v. Chr. In der bedeutendsten Sammlung griechischer Dichtung, der Anthologia Graeca, finden sich insgesamt sechs Umrissgedichte überliefert: ein Flügel-, Ei- und Beilgedicht (von Simias v. Rhodos), eine Syrinx (Theokrit) und zwei Altäre (Dosiadas).

Einen weiteren Höhepunkt erreicht das Figurengedicht im 4. Jh. durch einen, Konstantin dem Großen gewidmeten vor allem in lateinischer Sprache, in die er rot gefärbte Intexte? mit einwebt. Seine Gedichte entfernen sich von den mystisch-rätselhaften hellenistischen Beispielen, die Form dient hier vielmehr dem Herrscherlob.

Eines seiner Gedichte stellt beispielsweise ein Schiff mit dem in griechischen Hexametern verfassten Monogramm Christi als Mast und der Zahl XX (zwanzigjähriges Regierungsjubiläum Konstantins) am Schiffsrumpf dar. Die übrigen Schiffsteile bestehen aus permutativ lesbaren lateinischen Versen. Hiermit ist Porfyrius als Initiator des christlich-mittelalterlichen carmen figuratum? zu sehen, das in karolingischer Zeit wiederum eine Blüte durch Alkuin und Hrabanus Maurus erfährt.

Im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit entstehen zahlreiche neue Formen. Langsam findet das Figurengedicht auch Eingang in die Volkssprachen (ital. im 14. Jh. von Niccoló de Rossi, dt. im 16. von Laurentius Albertus). Ein wirklicher Durchbruch und eine damit verbundene Neuerung der Gattung erfolgt jedoch erst durch die Erfindung des Buchdrucks?. Im Barock wird das Figurengedicht schließlich profanisiert und in Form von Herzen, Brunnen, Kelchen, Pyramiden und anderen Gebilden für allerlei Gelegenheiten (zum Beispiel Geburtstag, Hochzeit oder Taufe) vorzugsweise als Flugblatt? verbreitet.

Die Auseinandersetzung mit dem neuen Medium und den Möglichkeiten der typographischen Anordnung des Textes auf der leeren Seite bleibt trotz zwischenzeitlicher Kritik bis ins 20. Jahrhundert lebendig (siehe L. Sterne, L. Carroll, St. Mallarmé?, G. Apollinaire?) und geht später in andere Formen wie beispielsweise die Collage bei den Dadaisten über. Die modernen Textbilder werden immer abstrakter (Ch. Morgenstern (siehe Beispiel oben), F. T. Marinetti?, K. Schwitters), sie finden neue Ausdrucksformen in der Malerei (bei Braque, Picasso und Klee), im Bereich der Werbung und schließlich auch in den elektronischen Medien und im Internet. Treffender lassen sie sich mit dem Begriff visuelle? oder konkrete Dichtung bezeichnen.

Fazit

Der historische Überblick zeigt, dass das Figurengedicht trotz ablehnender Phasen ein bleibendes Element in der europäischen Literaturgeschichte darstellt. Von den hellenistischen Technopägnien? bis zur modernen konkreten Poesie zeigt sich ein ungebrochenes und unerschöpfliches Interesse an dieser Gattung. Dies mag an ihrem intermedialen? bzw. multimedialen Wesenszug liegen, demzufolge sie Schrift und Bild, Buchstabe? und Figur miteinander kombiniert. Darin liegt auch die Tendenz der visuellen Poesie zur Verwischung von Gattungsgrenzen der Literatur und bildenden Kunst begründet.
Der vielzitierte horazische Gedanke von der „ut pictura poesis“ ebenso wie die Auffassung des Simonides von Keos, wonach die Poesie redende Malerei und die Malerei stumme Poesie ist, versinnbildlichen das bimediale sowie interdisziplinäre und somit grenzüberschreitende Wesen der visuellen Poesie. Die Sensibilität und Beeinflussbarkeit der visuellen Poesie durch die Medienentwicklung ist eine Konsequenz aus den genannten Charakteristiken und ebenfalls eine Begleiterscheinung in der historischen Entwicklung dieser Gattung.

Sekundärliteratur

  • Dencker, Klaus P.: Text-Bilder. Visuelle Poesie international, Köln, 1972
  • Ernst, Ulrich: Carmen figuratum. Geschichte des Figurengedichtes von den antiken Ursprüngen bis zum Ausgang des Mittelalters, Köln, 1991
  • Higgins, Dick: Pattern Poetry. Guide to an Unknown Literature, New York, 1987

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