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Gaddis, William

William Thomas Gaddis Jr.; ein US-amerikanischer Schriftsteller

Leben

Kindheit und Selbstfindungsjahre

Geboren wurde William Gaddis am 29. Dezember 1922 in New York City. Seine Eltern waren William Thomas Gaddis, der "an der Wall Street und in der Politik" arbeitete, und Edith Gaddis, eine Führungskraft bei der New York Steam Corporation.

Als William Gaddis drei Jahre alt war, trennten sich seine Eltern und Gaddis wurde anschließend von seiner Mutter in Massapequa, Long Island, aufgezogen. Im Alter von fünf Jahren wurde er zur Merricourt Boarding School in Berlin, Connecticut, geschickt. An dieser Privatschule blieb er bis zur achten Klasse, ging dann nach Long Island zurück, um dort an an der Farmingdale High Schul 1941 seinen Abschluss zu machen. Weil William Gaddis an einer Nieren-Fehlfunktion litt, musste er nicht zum Militär.

William Thomas Gaddis Jr. begann nach dem High School-Abschluss 1941 ein Literaturstudium an der Harvard University. Dort schrieb er für die Harvard Lampoon. Zu dieser satirischen Studentenzeitschrift trug er Stories, Gedichte und Kritiken bei. 1944 legte man ihm nahe, die Harvard University wegen schlechtem Benehmen zu verlassen. Angeblich war er betrunken in eine Schlägerei verwickelt, aber die Begleitumstände sind unklar. Bald arbeitete er für die Zeitschrift The New Yorker (von Februar 1945 bis April 1946). Diese Monate Jahre verbrachte Gaddis in Greenwich Village und pflegte regen Kontakt zu Allan Ginsberg?, Jack Kerouac? und anderen Beat-Autoren. Später arbeitete er als Dokumentarfilmer für die US Army. In dieser Funktion verbrachte William Gaddis fünf Jahre auf Reisen in Mexiko, Zentralamerika, Spanien, Frankreich, England und Nordafrika. Erst 1951 kehrte er in die Vereinigten Staaten zurück. In Costa Rica nahm er sogar an einem kurzen "Bürgerkrieg" auf Seiten der Rebellen teil.

Erster Roman und Familienjahre

1955 erschien sein erster Roman The Recognitions (dt. Die Fälschung der Welt) mit mehr als tausend Seiten. Inspiriert ist das Werk? durch den Kunstfälscher Han van Meegeren. Die Literaturkritiker verrissen The Recognitions und die Leser verschmähten es bei Erscheinen. Erst nach und nach entwickelte sich um den Roman eine kleine Kultgemeinde. Und erst viel später zählte das TIME Magazin das Buch zu den 100 besten Romanen zwischen 1923 und 2005.

Bald nach dem Erscheinen seines ersten Romans heiratete William Gaddis seine erste Frau, Patricia Black. Sie hatten zusammen zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn. Um seine Familie zu ernähren wandte sich William Gaddis nun der Öffentlichkeitsarbeit zu und arbeitete als Dokumentarfilmer. In dieser Rolle war er u. a. für Pfizer, Eastman Kodak, IBM und bis 1964 für die United States Army tätig, aus deren Dienst er wegen des Vietnamkriegs ausschied.

Verschiedene Stipendien ermöglichten ihm jetzt wieder zu schreiben. So erhielt er vom National Institute of Arts and Letters einen finanziellen Zuschuss, ein Rockefeller Stipendium und Gelder vom National Endowment for the Arts. Alle diese Geldquellen halfen ihm, seinen zweiten Roman zu schreiben.

JR und Leben als Autor

Zwanzig Jahre ließ sich William Gaddis Zeit, diesen zweiten Roman 1975 zu veröffentlichen: JR. Ein Jahr später erhielt er für dieses Buch den National Book Award?. In JR geht es um einen elfjährigen Jungen, der später ein milliardenschweres Finanzimperium aufbaut. In der Fernsehserie „Dallas“ wurde der von Larry Hagman gespielte skrupellose Kapitalist nach dem Buchtitel von Gaddis benannt.

In der Zwischenzeit hatte William Gaddis Judith Thompson geheiratet, von der er sich kurz nach der Veröffentlichung von JR scheiden ließ. In den späten 1970er Jahren ging Gaddis noch einmal eine Beziehung ein: mit Muriel Oxenberg Murphy. Die beiden lebten zusammen bis Mitte der 1990er Jahre.

1985 veröffentlichte William Gaddis Carpenter Gothic. Der Roman bot eine kürzeres und besser zugängliches Bild der sardonischen Weltsicht seines Autors. Anstatt gegen Menschenfeindlichkeit zu kämpfen wie in der Fälschung der Welt oder ihr widerwillig Boden zu überlassen wie in JR, schwelgt Carpenter Gothic geradezu darin. Ständig klagt in dem Buch jemand gegen jemanden.

William Gaddis starb am 16. Dezember 1998 zu Hause in East Hampton, NY, an Prostatakrebs.

Posthum erschien 2002 The Rush for Second Place, eine Sammlung von seinen Essays, sowie der Roman Agapé Agape. Das Alkey Archive veröffentlichte im Februar 2013 die Briefe? von William Gaddis.

Werk

Zwar hält die Literaturkritik Gaddis für einen der wichtigsten amerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhundert, doch hatte er erst spät Erfolg. Vielleicht liegt das daran, dass seine Romane wegen ihrer Komplexität und ihres Ideenreichtums in Struktur? und Stil nicht einfach zu lesen sind. So gibt es in JR etwa hauptsächlich Dialoge?, aber kaum Beschreibungen. Auch ist es schwierig zu sagen, wer gerade spricht. Der Leser kann das oft nur durch verbale Ticks oder bestimmte Obsessionen ermitteln. Andere halten die Fähigkeit, unverwechselbare Charakterisierungen nur mittels Dialogen? zu generieren für Gaddis´ größte Virtuosität.

In seinen Büchern verwendet William Gaddis umfangreiche literarische und kulturelle Anspielungen, die er auch gerne kommentiert. In seinen Werken kommt Gelehrsamkeit, ein Hang zum Philosophisch-Spekulativen und eine große Informationsfülle vor - ähnlich wie bei James Joyce.

William Gaddis ist kein Autor, der für die Massen schreibt. Er schrieb Literatur, andere Bücher, wie er das selbst einmal ausdrückte. So konnte er die moralische Krankheit der amerikanischen Gesellschaft, die sich nur am Kommerz orientierte, aufdecken. Sein Kunstbegriff war absolut. Und die Widersprüche und Absurditäten der amerikanischen Gesellschaft drängten ihn zur Satire.

Zwar setzte sich William Gaddis in seinen Romanen immer mit der Wirklichkeit der amerikanischen Gesellschaft auseinander, doch verlässt er durch sein polyphones Verfahren die Konventionen des realistischen Erzählens. Die sprachliche Korruption spiegelt die gesellschaftliche und bekämpft sie. Manche verstehen deshalb sein Werk? als ein spätmodernistisches und moralisches Projekt der Sprachreinigung.

Übrigens ...

Autoren wie Joseph McElroy?, William Gass?, David Markson?, Stanley Elkin? und David Foster Wallace orientierten sich an William Gaddis. Jonathan Franzen bezeichnete ihn in einem Essay für den New Yorker als seinen alten literarischen Helden und nannte ihn "Mr. Difficult".

Sein Leben lang verbarg sich William Gaddis hinter seinem Werk? und floh die Öffentlichkeit. Interviews? oder Lesungen hasste er. Den amerikanischen Literaturbetrieb, der zwischen Kunst und Kommerz lavierte, betrachtete er bösartig-brillant.

Auszeichnungen

Werke (Auswahl)

Die Fälschung der Welt

The Recognitions, New York 1955 (Die Fälschung der Welt, Frankfurt am Main 1998)

In seiner Zeit wirkte der Roman wie ein erratischer Block, der nicht in die damalige amerikanische Literaturlandschaft passte. William Gaddis lässt in seinem umstrittenen Roman einen amerikanischen Maler Karriere als Kunstfälscher machen. Das Beste dabei ist, dass er nicht nur Alte Meister kopiert, sondern zusätzlich noch angeblich verschollene Werke erfindet und sie berühmten Malern zuschreibt. Unter dem Namen des wirklichen Produzenten verlören die Meisterwerke ihren Wert, was zeigt, wie sehr der Kunstmarkt von der Fetischisierung des Originals lebt. Das muss in einer Zeit, die von der Reproduzierbarkeit des Originals lebt, so sein. Gleichzeitig ist es aber nicht mehr möglich, zwischen Original, Kopie und Fälschung zu unterscheiden. Die Suche nach Authentizität muss scheitern.

Die Handlung zieht sich über die 1940er und 1950er Jahre und bietet etwa 50 Personen? auf. Vorangetrieben wird sie durch satirische Dialoge?, deren Aufgabe das Entlarven ist. Das führt zu einer Komik?, die so frisch ist wie in den 1950ern.

Fälschung - das ist ein Kernthema unserer Zeit. die Moderne basiert geradezu auf Trug und Schein. Man denke nur an unsere virtuellen Wirklichkeiten.

Viele sehen in Die Fälschung der Welt ein Schlüssselwerk der Postmoderne. Thomas Pynchon oder Don DeLillo? nahmen es sich als Vorbild. Andere verurteilen es als misanthropischen Texthaufen. Nicht zu bestreiten sind Längen, Maniriertheiten und andere Schwächen des Romans.

JR (1975)

JR, New York 1975 (JR, Frankfurt am Main 1996)

Eine brillante Satire der amerikanischen Gesellschaft. JR, ein ökonomisches Wunderkind ohne moralisches Bewusstsein, ist fasziniert vom Spiel an der Börse. Er beherrscht es brillant und nutzt alle Möglichkeiten, bis das Spiel am Kapitalmarkt kollabiert.

Auf 700 Seiten wird über Geld gesprochen - ohne Kapiteleinteilung oder andere optische Gliederungen. Alle sprechen über Geld, aber durcheinander, gegeneinander und aneinander vorbei - orchestriert von Stimmen aus Radio, Fernsehen und Telefon. In der hysterischen Hektik des Textes drückt sich abgrundtiefe moralische Leere und Korruptheit aus.

Weitere Werke

  • Carpenter’s Gothic, New York 1985 (Die Erlöser, Reinbek 1988)
  • A Frolic of His Own, New York 1994 (Letzte Instanz, Reinbek 1996)
  • Agapé Agape, New York 2002 (Das mechanische Klavier, München 2003)
  • The Rush for Second Place. Essays and Occasional Writings, New York 2002

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