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Gemeinnützige Literaturvermittlung

„Edieren heisst schuldig werden“, sagte Jan Philipp Reemtsma? in feierlichem Ton zur Präsentation der kritischen Gesamtausgabe der Werke Walter Benjamins?, in dem vorauseilende Selbstkritik und Stolz einander die Waage hielten. Es komme allerdings darauf an, nach eigenen Maßstäben schuldig zu werden. Literatur besteht aus dem Ineinandergreifen lebendiger Ordnungen, ist also eine der wenigen Waffen, die wir gegen solche Erlebnisse haben. Erinnerung ist die Art von Amnesie, die uns gelegen kommt, ein Gedicht des Jacob van Hoddis? lautete 1912 Weltende, expressionistische Lyrik: "Dachdecker stürzen ab und geh'n entzwei / Und an den Küsten, liest man, steigt die Flut?" - Berührung ist der Grund, warum ich gerne lese. Es geht darum, eine Schwelle zu überschreiten, sich auf eine produzierte Realität einzulassen, da kann Literatur Unglaubliches leisten in Sachen Berührbarkeit. Dabei darf Literatur auch gern moralische Anstalt sein, schließlich sind Lernen und Bildung absolut großartige Dinge: "Ach, und in demselben Fluss schwimmst Du nicht zum zweiten Mal", besagt heute, dass im Datenfluss niemand mehr ein zweites Mal taucht.

Im Prinzip erfüllt das Web 2.0 die Voraussetzungen, die der Philosoph Jürgen Habermas? mit einem herrschaftsfreien Diskurs verband: Die Beteiligten sind in ihrem Status gleich, die Themenwahl ist frei ebenso wie der Zugang. Der Journalismus? im Internet? ist anders als in der Zeitung?. Im Internet? setzt sich jeder, der schreibt, dem Widerspruch seiner Leser aus. Im Netz muss man sich die Achtung seiner Leser, die Glaubwürdigkeit verdienen. Einem Zeitungsartikel? kann niemand widersprechen. Das WWW ist ein Segen. Es ist demokratisch. Es ist interaktiv und überwindet die Trennung von Mediennutzer und Medienproduzent. Es kennt keine Grenzen. Es bietet kostenlos eine unglaubliche Fülle an Wissen. Und ausgerechnet in diesem Netz, welches das Handwerkszeug einer besseren, demokratischeren und wissensgesättigten aufgeklärten Gesellschaft sein könnte, machen sich die alten Mächte breit: Manipulation und Monopole. Während Suchmaschinen sammeln, perfektionieren die Sicherheitsapparate von demokratischen Staaten, wegen tatsächlicher und angeblicher Terrorgefahr, die Überwachung ihrer Bürger: von Videokameras über Onlinedurchsuchung, von Vorratsdatenspeicherung bis zu den Fingerabdrücken eines jeden neuen Reisepass-Besitzers. Doch digitale Speichermedien veralten ungleich schneller als Bücher. Im Unterschied zum Internet? entwirft Literatur das Bild einer Ganzheit. Der Autor fügt im Roman Elemente der Vergangenheit zusammen, die im Internet? nur als Segmente aufscheinen. Die Masse dieser Information? mündet in eine schlechte Unendlichkeit. In der Literatur als symbolischem Prozess dagegen kann es kein Zuviel an Information? geben. Es gibt keine einzige Wahrheit, es gibt viele Wahrheiten, entsprechend der unbegrenzten Zahl der Perspektiven, unter denen man die Welt betrachten kann. Das Internet? offeriert einen Wust an Wissen, zu viel, als dass daraus eine höhere Wahrheit entstehen könnte. Wo das Internet? zerstreut, verdichtet die Literatur. Freilich fasst auch sie damit nur eine von vielen Wahrheiten, die Wahrheit als solche entzieht sich ihr. Mit dem Buch wird nach Musik, Kino und Hörspiel dann das letzte klassische Medium digitalisiert. Auf den ersten Blick bleibt vieles gleich - schließlich sind auf dem E-Book-Reader dieselben Sätze zu sehen wie im gedruckten Exemplar. Allerdings wird dann erstmals auch für das Buch alles virtuell - der Schriftsteller tippt es auf seinem Laptop, der Verlag bearbeitet es im Layout-Programm, Kunden lesen es auf dem tragbaren Bildschirmchen.

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