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Gotthelf, Jeremias

Jeremias Gotthelf (geb. 4. Oktober 1797 in Murten/Kanton Freiburg; gest. 22. Oktober 1854 in Lützelflüh/Kanton Bern) war ein schweizerischer Schriftsteller, Pfarrer und Pädagoge. Er gilt als einer der bekanntesten Schriftsteller der Schweiz.

Leben und Schreiben

Jeremias Gotthelf - (c) gemeinfrei

Jeremias Gotthelf wurde am 4. Oktober 1797 als Albert Bitzius in Murten/Kanton Freiburg geboren. Sein Vater Sigmund Bitzius, der einer alten Berner Beamten- und Pfarrersfamilie entstammte, war Pfarrer und unterrichtete den Sohn in den ersten Lebensjahren selbst. Denn, so sagte der Vater, trotz der Helvetischen Revolution herrsche weiterhin ein Mangel an guten Schulen und Lehrern. Von 1804 an lebte die Familie in Utzenstorf, wohin der Vater versetzt worden war. Dort lernte Gotthelf das Emmental und die weitläufige Hügellandschaft im Berner Mittelland kennen. Nach eigenem Bekunden hat die bäuerliche Welt großen Eindruck auf ihn gemacht – eine wichtige Erfahrung, die sich später nicht nur in seinem schriftstellerischen Werk? niederschlagen sollte.

Von 1812 an besuchte Gotthelf die Literarschule in Bern. 1814 wechselte er an die Berner Akademie, wo er bis 1820 Theologie studierte – daneben hörte er Mathematik und Physik, später auch Geschichte und Philosophie. Vor allem die Ideen des deutschen Geschichts- und Kulturphilosophen Johann Gottfried Herder? prägten Gotthelfs intellektuelle Entwicklung. Gleichfalls von großer Bedeutung waren die Schriften des Schweizer Erziehers und Pioniers der Volksschulbildung Johann Heinrich Pestalozzi?.

Im Sommer 1820 war Gotthelf Vikar seines Vaters in Utzenstorf. 1821 ging er nach Deutschland, wo er an der renommierten Göttinger Universität sein Studium fortsetzte. Im Anschluss unternahm er eine Reise durch Deutschland mit Stationen unter anderem in Berlin, Weimar und Dresden. Die Eindrücke, die er insbesondere von den deutschen Dörfern gewann, waren keine günstigen: Er beschreibt sie in seinen Briefen als dreckig und die Bewohner als faul – ganz im Gegensatz zu den Dörfern und Menschen seiner schweizerischen Heimat!

Im Banne Pestalozzis

Im Frühjahr 1822 kehrte Gotthelf nach Utzenstorf zurück, wo er bis zum Tod seines Vaters 1824 wiederum als dessen Vikar tätig war. Nach dem Tod des Vaters wurde er als Vikar nach Herzogenbuchsee versetzt. Im März 1832 wurde er zum Pfarrer von Lützelflüh im Emmental gewählt. Im folgenden Jahr heiratete er Henriette Zeender. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Henriette, Albert und Cécile.

Mit dem Eintritt in das geistliche Amt setzte eine intensive pädagogischen Tätigkeit ein, wobei Gotthelf besonders auf dem Gebiet der Schulbetreuung und Lehrerausbildung ehrgeizige Ziele verfolgte – was zur Folge hatte, dass er wiederholt mit den Behörden in Konflikt geriet. Wie sein Vorbild Pestalozzi? setzte er sich für die Volksschule ein. Zudem organisierte er Fortbildungskurse für Lehrer und hielt Vorlesungen über „Vaterländische Geschichte“. Von 1835 bis 1845 war er Schulkommissär seines Bezirks. 1835 eröffnete er eine Erziehungsanstalt für arme Knaben in Trachselwald.

Lebenskrise und erster Roman

Abendhimmel über Bern - (c) tokamuwi/PIXELIO

Eine tiefe Lebenskrise, die 1836 durch den Tod der Mutter und des Bruders Fritz ausgelöst worden war, bewältigte Gotthelf, indem er zur Feder? griff. Das Resultat war sein erster Roman, der 1837 unter dem Titel „Bauernspiegel oder Lebensgeschichte des Jeremias Gotthelf“ erschien. Im Keim sind darin bereits alle Merkmale seiner späteren schriftstellerischen Arbeiten enthalten: schonungslose Kritik an Gier, Habsucht, Geiz, Konsum- und Trunksucht. Dazu treten Gottesehrfurcht und ein Ethos, das in der täglichen Arbeit die Grundlage für ein gesundes Leben erblickt. Der Roman ist auch deswegen von Bedeutung, weil der Autor den Namen seines Helden – Jeremias Gotthelf – als Pseudonym übernommen hat. Auch die folgenden Romane und Erzählungen bevölkerte Gotthelf mit Menschen, die ihn Tag für Tag umgaben und die vorwiegend der ländlichen Mittel- und Unterschicht entstammten.

„Wie Uli der Knecht glücklich wird“

Von 1840 bis 1845 war Gotthelf alleiniger Herausgeber? der „Neuen Berner Kalender“. Die Anekdoten und Erzählungen, die er dort veröffentlichte, waren für breite Bevölkerungskreise bestimmt und sollten mit dichterischen Mitteln eine volkerzieherische Wirkung entfalten. Dieselbe Absicht verfolgte Gotthelf mit seinem Roman „Wie Uli der Knecht glücklich wird. Eine Gabe für Dienstboten und Meisterleute“ (1841). Der 1840 entstandene Entwicklungsroman war ursprünglich als pädagogische Abhandlung? geplant – doch auch in der veränderten Form erkannten die Zeitgenossen darin einen Beitrag zur aktuellen sozialkritischen Diskussion. Held des Buches ist Uli, der dem Leser zunächst im Zustand jugendlichen Übermuts und leichter Verwilderung vor Augen tritt. Unter dem erzieherischen Einfluss des Bauern Johannes entwickelt sich Uli zu einem tüchtigen, verantwortungsbewussten und umsichtigen Menschen, der auch den Attacken der feindlichen Umwelt und den Versuchungen durch sittenlose Mädchen entschlossen entgegentritt. Schließlich heiratet Uli die treuherzige Vreneli, die ihm nicht nur eine selbstlose Frau ist, sondern auch eine fleißige Helferin auf dem Hof.

Der Roman enthält Elemente der christlichen Erbauungsliteratur? und Predigteinlagen. Unter dem Titel „Uli der Pächter“ erschien 1849 eine Fortsetzung, in der Uli durch den heilsamen Einfluss Vrenelis und das Gottesgericht eines grausigen Hagelsturms von seinem unsozialen Herrenverhalten kuriert wird. Die Uli-Romane gelten als erste Höhepunkte im erzählerischen Schaffen Gotthelfs.

Foto: tokamuwi / pixelio.de

„Die schwarze Spinne“

1842 veröffentlichte Gotthelf die unheimliche Novelle „Die schwarze Spinne“, die zusammen mit drei weiteren Erzählungen in „Bilder und Sagen aus der Schweiz“ (Band 1) erschien. Gotthelf gestaltet darin das dem Mittelalter entstammende Sagenmotiv der schwarzen Spinne, in dem Reminiszenzen an Pest und Tod anklingen. Bauern haben einen Pakt mit dem Satan geschlossen. Doch als sie ihm den versprochenen Lohn – in neugeborenes, ungetauftes Kind vorenthalten – rächt er sich. Der Tod hält reiche Ernte. Nur dem Opfermut einer einzelnen Bäuerin ist es zu verdanken, dass der böse Fluch gebannt werden kann und das Glück in die Herzen der Menschen wieder einzieht. Thomas Mann sagte über Gotthelfs Novelle „Die schwarze Spinne“, dass er sie wie kaum ein zweites Stück Weltliteratur? bewundere.

1845 verlor Gotthelf wegen politischer Streitigkeiten mit der Regierung sein Amt als Schulkommissär.

„Zeitgeist und Berner Geist“

Einen zweiten Höhepunkt seines schriftstellerischen Schaffens erreichte Gotthelf in seinem Alterswerk „Zeitgeist und Berner Geist“. In der Forschungsliteratur gilt der Roman, der 1851/52 in zwei Teilen erschien, als politisches Testament des Autors. Er gestaltet darin das Ideal vom rechten Leben, das immerwährenden Bedrohungen aus verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Lagern ausgesetzt ist. Im Mittelpunkt des Romans stehen zwei Bauernfamilien, die gegensätzliche Moralauffassungen repräsentieren: den bewährten „Berner Geist“ und das moderne Sittenfiasko. Immer wieder geraten die Familien aneinander. Der Leser verfolgt, wie die eine Familie wächst, blüht, sprießt und gedeiht und die andere am Verfall der Sitten zu Grunde geht. Ein zeitgenössischer Rezensent bezeichnete Gotthelf nach Veröffentlichung des Romans als konservativen Demagogen, der zwar mit literarischem Talent gesegnet sei, aber durch seinen sozialen Hexenglauben immer mehr ins gesellschaftliche Abseits gerate.

Seit den späten 1840er Jahren litt Gotthelf an Hals- und Herzleiden, Wassersucht und Schlagfluss.

Am 22. Oktober 1854 starb Albert Bitzius alias Jeremias Gotthelf in Lützelflüh/Kanton Bern. Dort wurde er auch beigesetzt.

Würdigung

Gottfried Keller würdigte seinen älteren Landsmann als "vortreffliche(n) Maler des Volkslebens, der Bauerndiplomatik, der Dorfintrigen, des Familienglücks und Familienleids". Heute gilt Jeremias Gotthelf als einer der großen Schweizer Erzähler des Realismus. Er hatte eine Abneigung gegenüber allen ästhetischen Theorien. Viele seiner Bücher sind Klassiker des Bauernromans? und der Dorfgeschichte?, in denen er ungekünstelt und kräftig vom Leben der Landbevölkerung erzählt. Daneben ließ er politische Erörterungen in seine Romane und Erzählungen einfließen. Die häufige Verwendung der schweizerischen Mundart? hat die Breitenwirkung seines Werkes? verhindert.

Bei der Betrachtung von Gotthelfs Wirken liegt ein Blick ins Alte Testament nahe. Nicht umsonst hat der Dichter als Vornamen seines Pseudonyms den des alttestamentlichen Propheten Jeremia gewählt - auch dieser ein moralischer Gottesstreiter. Geradezu mit prophetischem Eifer warnte Gotthelf denn auch vor den "Schweinsblasen des Zeitgeistes", den "brüllhaften Naturen und neudmodischen Spekulanten". Auch sein Gottesbild mutet bisweilen alttestamentarisch an: Gott als Garant einer festgefügten gesellschaftlichen Ordnung, an der zu rütteln Sünde wäre. Immerwährendes Reformieren im Sinne von Volkserziehung und Sozialkritik, davon war der konservative Aufklärer Gotthelf überzeugt, machen jede Revolution überflüssig.

Übrigens ...

war Jeremias Gotthelf im Jahr 1819 Gründungsmitglied des Schweizerischen Zofingervereins, der ältesten noch bestehenden Studentenverbindung der Schweiz.

Werke (Auswahl)

  • Bücher von Jeremias Gotthelf bei Jokers
  • Der Bauernspiegel oder Lebensgeschichte des Jeremias Gotthelf. Von ihm selbst beschrieben. EA 1837. Heidelberg, Birkhäuser Verlag 1989, ISBN: 978-3764322595
  • Die Wassernot im Emmental. Wie Joggeli eine Frau sucht. EA 1838. Zürich, Diogenes Verlag 2000, ISBN: 978-3257205695
  • Die schwarze Spinne. EA 1842. Köln, Anaconda Verlag 2007, ISBN: 978-3866471122
  • Elsi, die seltsame Magd, und andere Erzählungen. EA 1843. Hamburg, Hamburger Lesehefte 1986, ISBN: 978-3872911339
  • Geld und Geist. EA 1843/1844. Zürich, Diogenes Verlag 2004, ISBN: 978-3257205657
  • Uli der Knecht. EA 1846-1849. Zürich, Diogenes Verlag 1978, ISBN: 978-3257205619
  • Uli der Pächter. EA 1846-1849. Zürich, Diogenes Verlag 2004, ISBN: 978-3257205626
  • Die Käserei in der Vehfreude. EA 1850. München, Manesse Verlag 1992, ISBN: 978-3717514541
  • Meistererzählungen. Zürich, Diogenes Verlag 2002, ISBN: 978-3257224436
  • Wie Uli der Knecht glücklich wird. Eine Gabe für Dienstboten und Meisterleute. Berlin, Directmedia Publishing 2007, ISBN: 978-3866402997.

Hörbücher

  • Die schwarze Spinne. 3 CDs. Hamburg, Hörbuch Hamburg 2006, ISBN: 978-3899037043
  • Elsi, die seltsame Magd. CD. Münster, Naxos Verlag 2002, ISBN: 978-3898160896

Sekundärliteratur

  • Arnold, Heinz Ludwig: Jeremias Gotthelf (TEXT+KRITIK 178/179). edition text + kritik, München 2008, ISBN: 978-3883779133
  • Marthaler, Roland: Jeremias Gotthelf - Ein Rufer in der Wüste. Von der geistigen Botschaft eines grossen Dichters. Schaffhausen, Novalis Verlag 2002, ISBN: 978-3907160886

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