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Grass, Günter

Günter Grass (geb. 16. Oktober 1927 in Danzig-Langfuhr) ist ein deutscher Schriftsteller, Bildhauer, Graphiker und Illustrator?. Er gilt als einer der wichtigsten deutschsprachigen Autoren der Gegenwart. 1999 wurde er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.

Leben und Schreiben

Günter Grass, 2004 - (c) Wikipedia.org

Günter Grass (die ursprüngliche Schreibweise des Familiennamens lautet „Graß“) wurde am 16. Oktober 1927 in Danzig-Langfuhr geboren. Seine Eltern besaßen im Danziger Stadtteil Langfuhr (heute: Wrzeszcz) ein Kolonialwarengeschäft. Grass’ Mutter war kaschubischer Abstammung. Von 1933 an besuchte Grass zunächst die Volksschule, später das Gymnasium Conradinum in Danzig. 1944 wurde Grass als Luftwaffenhelfer zum Kriegsdienst eingezogen, danach als Panzerschütze bei Cottbus verwundet. Nach einem Lazarettaufenthalt in Marienbad war er bis 1946 in amerikanischer Kriegsgefangenschaft in Bayern.

Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft verdiente Grass seinen Lebensunterhalt zunächst als Erntehelfer und Arbeiter in einem Kalibergwerk bei Hildesheim. 1948 absolvierte er ein Praktikum bei einem Steinmetz in Düsseldorf. 1948 bis 1951 folgte ein Studium der Bildhauerei und Graphik an der Düsseldorfer Kunstakademie, das er 1953 bis 1956 an der Berliner Hochschule für Bildende Künste fortsetzte. In Berlin war Grass Schüler des bekannten Bildhauers Karl Hartung. In den Jahren 1951/52 unternahm er Reisen nach Italien und Frankreich. Bis 1959 lebte Grass in Paris.

Foto: Florian K / Wikipedia.org

Vom Bildhauer zum Schriftsteller

Als Bildhauer trat Grass erstmals 1956 an die Öffentlichkeit: In Stuttgart und Berlin fanden erste Ausstellungen von Plastiken und Graphiken statt. Daneben begann Grass, als Schriftsteller tätig zu werden. 1955 gewann er mit dem Gedicht „Lilien aus Schlaf“ den ersten Preis bei einem Lyrikwettbewerb des Stuttgarter Rundfunks. Bis 1958 verfasste er vor allem Kurzprosa, Lyrik und Theaterstücke („Die Vorzüge der Windhühner“, 1956; „Hochwasser“, 1957), die nach seiner Aussage dem poetischen oder absurden Theater zuzuordnen sind. 1958 erhielt Grass für sein Manuskript „Die Blechtrommel“ den Preis der „Gruppe 47“. Seither entstand ein höchst umfangreiches und vielfältiges literarisches Lebenswerk, das neben zahlreichen Romanen, Gedichten und Erzählungen auch Essays, Theaterstücke und Buchillustrationen umfasst.

„Die Blechtrommel“ (1959)

Die Veröffentlichung seines Debütromans? „Die Blechtrommel“ (1959) machte Grass mit einem Schlage berühmt. Das Manuskript war in Paris entstanden, wo Grass mit seiner ersten Frau, der Schweizer Balletttänzerin Anna Schwarz, bis 1959 lebte. Held des Romans ist der zwergwüchsige und infantile Oskar Matzerath, der im Alter von drei Jahren sein Wachstum einstellt und seitdem die Welt und die Menschen aus einer ungewöhnlichen Perspektive (nämlich von ganz unten) betrachtet. Inzwischen dreißig Jahre alt geworden, beginnt er in den frühen 1950er Jahren als Insasse einer Heil- und Pflegeanstalt sein Leben zu erzählen. Dabei greift er immer wieder weit über die eigene Biographie hinaus.

Der Hauptschauplatz des Romans ist Danzig. Oskar Matzerath beginnt seine Erzählung im Jahr 1899 – er setzt bei den Großeltern ein, schildert das Danzig seiner Jugendzeit und seine abrupte „Verpflanzung“ nach Westdeutschland im Jahr 1945, bei der er etwas von seinem Wachstum nachholt. Er berichtet anschließend von seiner bizarren Karriere als Trommelkünstler und von seiner Einlieferung in die Anstalt. Oskar Matzerath, ein Außenseiter und Einzelgänger, wird zum Richter über seine Epoche und entlarvt die politischen, sozialen und moralischen Widersprüche der deutschen Zeitgeschichte.

Der Roman „Die Blechtrommel“ gilt als eines der bedeutendsten und populärsten Bücher der deutschen Nachkriegsliteratur. Darin greift Grass die Tradition des Entwicklungs-, Schelmen- und Abenteuerromans auf und verbindet verschiedene Themen und Motive zu einem atmosphärischen und artistischen Sprachkunstwerk. Grass erzählt zwar chronologisch?, zugleich unterbricht er die Handlung aber immer wieder durch ironische? Reflexionen und fabulöse Nebenepisoden.

Die Reaktionen im Feuilleton? waren ebenso unterschiedlich wie vehement: Bei seinem Erscheinen rief „Die Blechtrommel“ neben begeisterter Zustimmung auch heftige Ablehnung hervor. Die Kritiker führten Schlagwörter wie „Nihilismus?“, „Pornographie?“ und „Blasphemie“ gegen den Roman ins Feld. Die Befürworter lobten vor allem die formvollendete epische Erzählweise?, die kraftvolle Sprache und die suggestiven Bilder. Zu einem Skandal kam es, als der Bremer Senat 1959 seine Zustimmung zur Verleihung des Literaturpreises? der Stadt an Günter Grass verweigerte. Die deutsche Nachkriegsliteratur gewann durch die Veröffentlichung der „Blechtrommel“ eine bis dahin nicht erlebte internationale Beachtung. Das Buch wurde 1979 von Volker Schlöndorff erfolgreich verfilmt.

„Danziger Trilogie“ (1959-1963)

Später hat Günter Grass „Die Blechtrommel“ als den Auftakt zu seiner „Danziger Trilogie?“ (1959-1963) bezeichnet. Neben seinem fulminanten Erstling? gehören zu diesem Erzählzyklus? die Novelle „Katz und Maus“ (1961) und der Roman „Hundejahre“ (1963). Die einzelnen Teile der „Danziger Trilogie“ sind durch ein komplexes Geflecht von gemeinsamen Figuren, Motiven und Schauplätzen miteinander verbunden – ein nahezu unerschöpflicher literarischer Mikrokosmos, den Grass viele Jahre später in seiner Novelle „Im Krebsgang“ (2002) noch einmal aufgegriffen hat. Die Bücher „Katz und Maus“ und „Hundejahre“, in ihrer sprachlichen Exzessivität ähnlich provokant wie „Die Blechtrommel“, bestätigten Grass’ außergewöhnliches Erzähltalent und begründeten zugleich seinen Ruf als leidenschaftlicher politischer Moralist.

Politisches Engagement

Günter Grass, Buchcover - (c) dtv

In den 1960er Jahren wurde Günter Grass zu einer gewichtigen Figur im öffentlichen Leben der Bundesrepublik – und das nicht nur wegen seiner schriftstellerischen Tätigkeit, sondern vor allem aufgrund seines politischen Engagements. In den Jahren 1965, 1969 und 1972 ging er für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) auf Wahlkampftournee. Daneben ergriff er in zahlreichen Essays, offenen Briefen und Reden immer wieder das Wort. Er trat unter anderem für die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze ein, sympathisierte mit dem Prager Frühling und beteiligte sich an Protestaktionen gegen die Notstandsgesetze in der Bundesrepublik. Im April 1974 trat Grass, der katholisch getauft worden war, aus Protest gegen die Haltung der Bischöfe zur Reform des § 218 StGB aus der Kirche aus.

Grass’ bekannteste Werke aus dieser Zeit – das Trauerspiel „Die Plebejer proben den Aufstand“ (1966), das Zeitstück „Davor“ (1969), der Roman „örtlich betäubt“ (1969) und die Erzählung „Aus dem Tagebuch einer Schnecke“ (1972) – sind von seinem politischen Engagement geprägt. Im Mittelpunkt dieser Bücher steht die schonungslose Frage nach der Verantwortung der Intellektuellen und ihrer Position in der Gesellschaft – sollen die Intellektuellen in den Lauf der Dinge eingreifen oder sollen sie die Dinge treiben lassen? In Deutschland ernteten Grass’ Werke aus dieser Zeit bei Kritik und Publikum? nur dürftigen Applaus. Anders im Ausland: In den USA widmete das Magazin „Time“ 1969 Günter Grass eine Titelgeschichte – der Anlass war das Erscheinen der amerikanischen Ausgabe von „örtlich betäubt“. Darin wird Grass unter die bedeutendsten Autoren der Gegenwart eingereiht.

„Gleisdreieck“ (1960)

Nach dem Erscheinen der Erzählung „Aus dem Tagebuch einer Schnecke“, die den Bundestagswahlkampf 1969 beschreibt, zog sich Grass vorerst aus dem politischen Leben zurück und siedelte nach Wewelsfleth in Schleswig-Holstein über. Mit Zeichnungen, Gedichten, Graphiken und Kunstausstellungen machte er jedoch weiterhin von sich reden. Zu seinen wichtigsten Gedichtbänden gehören „Gleisdreieck“ (1960), „Ausgefragt“ (1967) und „Mariazuehren“ (1973).

Mit seinen Gedichten – insbesondere mit seinem lyrischen Frühwerk – hat Günter Grass einen bedeutenden Beitrag zur Nachkriegslyrik in Deutschland geleistet. Für den Leser wirkt jedoch erschwerend, dass viele seiner frühen Gedichte ohne die Kenntnis der Romane und Erzählungen unverständlich bleiben. Was vor allem daran liegt, dass Prosa und Lyrik Günter Grass’ aus dem gleichen Bilder- und Metaphernfundus schöpfen.

„Der Butt“ (1977)

Mit der Veröffentlichung seines Romans „Der Butt“ (1977) kehrte Günter Grass wieder zur Epik zurück. Darin erzählt er, in Anlehnung an das Märchen vom „Fischer un syner Frau“, von der Frauenemanzipation – und zwar so, wie der Leser Grass’ Erzählweise von der „Blechtrommel“ her kennt: ironisch, provokant, extravagant und mit nahezu grenzenloser Fabulierfreude?. Der Roman, der wiederum in der Stadt Danzig angesiedelt ist, besticht zudem durch eine Fülle kulturgeschichtlicher Details.

Das besonders atmosphärische Kapitel um Opitz? und Gryphius? deutet bereits auf die folgende Erzählung „Das Treffen in Telgte“ (1979) voraus, in der Grass die „Gruppe 47“ vor der historischen Szenerie des Dreißigjährigen Krieges und des literarischen Barock? mit viel Humor und Einfühlung travestiert. In der Erzählung kommt eine „Gruppe 1647“ im Gasthaus der Erzbetrügerin Courage zusammen, wo historische Autoren über ihre Werke, Privatfehden, Eifersüchteleien und erotischen Abenteuer disputieren.

„Kopfgeburten oder Die Deutschen sterben aus“ (1980)

Unter dem Titel "Kopfgeburten oder Die Deutschen sterben aus" brachte Günter Grass 1980 ein Buch heraus, in dem er Elemente der erzählenden? und der Sachliteratur? miteinander verband. Das Lehrerehepaar Harm und Dörte Peters aus Itzehoe, beide Mitte Dreißig, reist mit einem Veranstalter namens "Sisyphos" durch Asien. Die ganze Zeit steht die Frage im Hintergrund, ob die beiden ein Kind haben wollen. Bei der Erörterung dieser Frage wird immer wieder politisch-gesellschaftliche Realität in der Bundesrepublik Ende der 1970er Jahre angesprochen. Sie dient als Argument dafür, warum man in diese Welt kein Kind setzen könne. Während es so hin und her überlegt, sieht das Ehepaar auf seiner Reise, wie die Bevölkerungszahlen in Asien explodieren.

Die "Kopfgeburten", von denen im Titel die Rede ist, sind zum einen das Ehepaar selbst, zum anderen natürlich das Kind, das im Kopf unentwegt, in der Realität aber nicht geboren wird. Es sind damit aber auch die Gedankenspiele gemeint, die Grass als Erzähler in die Handlung einschiebt: zum Beispiel, wenn ihm mitten in Shanghai die Idee kommt, wie es wohl wäre, wenn nicht die Chinesen, sondern die Deutschen ein Volk von neunhundertfünfzig Millionen Menschen wären. Oder wenn, wie manche Politiker befürchten, die Deutschen ausstürben.

Dem Buch ging eine Asien-Reise voraus, die Günter Grass und seine Frau, zeitweise mit dem Regisseur Volker Schlöndorff? und dessen Frau Margarethe von Trotta?, 1979 unternommen hatte. Grass hatte zuvor an dem Drehbuch für die Verfilmung seines Romans "Die Blechtrommel" mitgewirkt.

„Die Rättin“ (1986)

1980 folgte der Prosaband „Kopfgeburten oder Die Deutschen sterben aus“, der im Feuilleton kontrovers diskutiert wurde. 1986 legte Grass den Roman „Die Rättin“ vor, in dem sich sein Engagement in der Umwelt- und Friedensbewegung widerspiegelt. Der Roman spielt in der Zeit nach der Apokalypse, nach dem Ende des „dreistufigen Weltkrieges“ – die Menschheit ist in einem gigantischen Neutronenmegablitzdonnergewitter untergegangen. Der Erzähler, in einer Raumfahrtkapsel um den zerstörten Planeten kreisend, hält einen bitter-melancholischen Nachruf auf die Erde. Dabei wird er von einer Rättin begleitet, die er als Weihnachtsgeschenk erhalten hatte. 1997 wurde „Die Rättin“ verfilmt. Das Buch und der Film fanden beim Publikum? jedoch nur geringe Resonanz.

Im August 1986 kehrte Grass Deutschland für einige Monate den Rücken, um in Indien zu leben – hauptsächlich hielt er sich in Kalkutta auf. Seine Erfahrungen in Indien schildert er in dem Buch „Zunge zeigen“ (1988), das neben Prosa und Lyrik auch Zeichnungen von Grass enthält.

„Ein weites Feld“ (1995)

Anlässlich der deutschen Vereinigung zeigte Günter Grass erneut ein starkes politisches Engagement. In Essays und Reden wandte er sich vehement gegen eine deutsche Einheit über den Artikel 23 des Grundgesetzes. Er warb stattdessen in seiner Schrift „Deutscher Lastenausgleich. Wider das dumpfe Einheitsgebot“ (1990) für eine allmählich zusammenwachsende föderalistische deutsche Kulturnation.

Auch literarisch fand Grass mit der deutschen Einheit ein neues Thema. Nach der Erzählung „Unkenrufe“ (1992), in der er sich für die Versöhnung zwischen den Deutschen und ihren östlichen Nachbarn einsetzte, erschien der Roman „Ein weites Feld“ (1995). Darin entwirft Grass ein breites Panorama deutscher Geschichte, das von der Märzrevolution 1848 bis in die Nachwendezeit reicht.

Im deutschen Feuilleton, das „Ein weites Feld“ zumeist als „Wenderoman“ oder „Deutschlandroman“ bezeichnete, sorgte das Buch für viel Wirbel – weniger jedoch aufgrund seines literarischen Gehalts als vielmehr wegen eines Skandals, den das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ ausgelöst hatte. Das Titelbild der „Spiegel“-Ausgabe vom 21. August 1995 zeigte eine martialische Fotomontage mit dem Kritiker Marcel Reich-Ranicki, der den Roman „Ein weites Feld“ zerriss. Als Titelstory brachte das Magazin einen heftigen Verriss des Kritikers in Briefform - woraufhin übrigens der Lyriker Peter Rühmkorf Marcel Reich-Ranicki die Freundschaft aufkündigte.

Grass selbst, der in dem Verriss einen „kompakten Vernichtungswillen“ gegen seine Person und sein Werk? erkannte, war zutiefst verletzt und zog sich vorerst vom Schreiben zurück. Er wandte sich wieder der Malerei zu und veröffentlichte 1997 den Band „Fundsachen für Nichtleser“, der Lyrik und Aquarelle – so genannte „Aquadichte“ – enthielt.

Verleihung des Literaturnobelpreises

Im Jahr 1999 zeichnete die Schwedische Akademie der Wissenschaften Günter Grass mit dem Nobelpreis für Literatur aus. Die Akademie begründete ihre Entscheidung unter anderem damit, dass Grass in seinen Büchern „in munter-schwarzen Farben das vergessene Gesicht der Geschichte gezeichnet“ habe.

Die Mehrzahl der Pressekommentare enthielt auch Hinweise darauf, dass mit der Auszeichnung nicht nur der Schriftsteller von Weltrang, sondern auch die beeindruckende Konsequenz gewürdigt werde, mit der Grass über die Jahrzehnte hinweg an seinen politischen Überzeugungen festgehalten habe. Zu Ehren des Nobelpreisträgers wurde in Lübeck im Oktober 2002 das Günter-Grass-Haus eingeweiht, das Kunstwerke und viele weitere Exponate aus dem Leben des Autors zeigt.

„Beim Häuten der Zwiebel“ (2006)

Es folgte die Novelle „Im Krebsgang“ (2002), in der Grass den Untergang des mit mehr als 10.000 Flüchtlingen besetzten Schiffes „Wilhelm Gustloff“ am Ende des Zweiten Weltkrieges schildert. Die Fachkritik reagierte überwiegend mit Enttäuschung. Ein Rezensent sah in dem Roman ein „literarisch tapeziertes historisches Feature“. Ein anderer urteilte rigoros: Fadenscheinig habe Grass seinen Stoff gewoben, eher gut gemeint als gut gemacht. Beim Publikum? war „Im Krebsgang“ dennoch ein großer Erfolg und führte wochenlang die Bestsellerlisten? an.

Kurz vor dem Erscheinen seiner Autobiographie „Beim Häuten der Zwiebel“ (2006) erklärte Günter Grass in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, dass er als 17-Jähriger Mitglied der Waffen-SS gewesen sei und im Jahr 1944 in Dresden seinen Dienst als Panzerschütze in der 10. SS-Panzerdivision „Frundsberg“ angetreten habe. An Kriegsverbrechen sei er aber nicht beteiligt gewesen, erklärte Grass weiter. Dieses späte Bekenntnis rief rege öffentliche Diskussionen hervor – besonders Grass’ Rolle als moralische Instanz im Nachkriegsdeutschland wurde hinterfragt. Bis Ende November 2006 waren mehr als 180.000 Exemplare des Buches verkauft. Gegen den Vorwurf, Grass’ Bekenntnis sei eine inszenierte Verkaufsaktion gewesen, wehrten sich sowohl der Autor als auch der Verlag.

Den 80. Geburtstag des Nobelpreisträgers würdigte die Günter-Grass-Stiftung Bremen mit einer internationalen Tagung im September 2007. Zudem fand eine Ausstellung statt, in der die Besucher Lebensdokumente und Originalarbeiten von Günter Grass besichtigen konnten.

Ein Gedicht schlägt Wellen

Im April 2012 veröffentlichte? Grass in der "Süddeutschen Zeitung" sowie in drei internationalen Zeitungen ein Gedicht, in dem er auf den Konflikt zwischen Iran und Israel eingeht und sich selbst fragt, warum er denn schweige und den Konfliktpartner Irans, Israel, nicht beim Namen nenne, "jenes andere Land ..., in dem seit Jahren - wenn auch geheimgehalten - ein wachsend nukleares Potential verfügbar aber außer Kontrolle, weil keiner Prüfung zugänglich ist". Die Antwort, so Grass liege in der Vergangenheit - seiner und Deutschlands, dessen Außenpolitik und Waffenlieferungen an Israel der Schriftsteller in dem Gedicht somit kritisierte: "Weil ich meinte, meine Herkunft, die von nie zu tilgendem Makel behaftet ist, verbiete, diese Tatsache als ausgesprochene Wahrheit dem Land Israel, dem ich verbunden bin und bleiben will, zuzumuten." Er sehe im drohenden Vorwurf des Antisemitismus den Grund für sein Schweigen, habe aber nun beschlossen, nicht mehr zu schweigen, weil er der "Heuchelei des Westens" überdrüssig sei.

Grass' Gedicht schlug hohe Wellen im deutschen Politikbetrieb. Überwiegend wurde seine Veröffentlichung scharf kritisiert. In vielen Reaktionen wurde eine Verbindung gezogen zwischen Grass' eigenem jahrzehntelangem Schweigen über seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS und seiner jetzigen Aussage, nicht mehr schweigen zu wollen. "Ich glaube, er denkt noch immer an sein SS-Schweigen", sagte auch der israelische Historiker Tom Segev im Interview mit "Spiegel Online". Zugleich verteidigte Segev Grass gegenüber Deutschlandradio Kultur gegen den Vorwurf des Antisemitismus.

Bundeskanzlerin Merkel ließ über ihren Sprecher ausrichten, es gelte die Freiheit der Kunst und "glücklicherweise auch die Freiheit der Bundesregierung, sich nicht zu jeder künstlerischen Hervorbringung äußern zu müssen". Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste?, verteidigte in Deutschlandradio Kultur den Schriftsteller. Das Gedicht sei "eine klare Stellungnahme - der muss man ja nicht folgen". Viele Künstler hätten sich das Politische "abtrainieren" lassen, dabei sei Einmischung "erste Bürgerpflicht".

Günter Grass hat drei Söhne und eine Tochter aus erster Ehe sowie eine Tochter aus einer mehrjährigen Beziehung mit der Architektin und Malerin Veronika Schröter. Er lebt mit seiner zweiten Frau, der Organistin Ute Grunert, in Behlendorf in der Nähe von Lübeck.

Übrigens ...

ist Günter Grass im Jahr 1999 aus der Akademie der Künste? ausgetreten, weil diese aus Sicherheitsgründen eine Solidaritätsveranstaltung für den indisch-britischen Schriftsteller Salman Rushdie verweigert hatte.

Auszeichnungen

Werke (Auswahl)

Hörbücher

  • Die Blechtrommel. Göttingen, Steidl Verlag 2007, ISBN: 978-3865215079
  • Fundsachen. Für Grass-Hörer. 2 CDs. Frechen, Delta Music 2005, ISBN: 978-3865381859
  • Lyrische Beute. 140 Gedichte aus fünfzig Jahren. 3 CDs. Göttingen, Steidl Verlag 2004, ISBN: 978-386521500

Sekundärliteratur

  • Jürgs, Michael: Bürger Grass: Biografie eines deutschen Dichters. München, Goldmann Verlag 2004, ISBN: 978-3442152919
  • Mayer-Iswandy, Claudia: Günter Grass. München, dtv 2002, ISBN: 978-3423310598
  • Neuhaus, Volker: Günter Grass. Stuttgart, Metzler Verlag 1993, ISBN: 978-3476121790
  • Øhrgaard, Per: Günter Grass. Ein deutscher Schriftsteller wird besichtigt

Aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe. München, dtv 2007, ISBN: 978-3-423-34446-3

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