diesen Kommentar bitte stehen lassen

Hauptseite | Rezensionen | Rezensionen-Register | H | Heimliches Berlin


Bitte Krümelpfad oben nicht verändern, erst ab hier nach unten Texte ändern

Heimliches Berlin

von<br> Franz Hessel

Heimliches Berlin, Buchcover - (c) Lilienfeld Verlag

Kleiner Roman ganz groß: Franz Hessels? „Heimliches Berlin“ von 1927 gehört zu den seltenen Büchern, über die noch niemand ein schlechtes Wort verloren hat. Auch mit der liebevoll gestalteten Neuausgabe?, die im Lilienfeld Verlag? erschienen ist, wird sich daran wohl nichts ändern. Im Gegenteil: gebunden in dunkelrotes Halbleinen, dezentes Lesebändchen, 160 Seiten schmal ruht das Buch in den Händen des Lesers. Wer es aufschlägt, entdeckt darin eine mit märchenhafter Melancholie erzählte Geschichte, die sich um einen ebenso lebens- wie liebeshungrigen Freundeskreis im ganz unberlinischen Berlin des Jahres 1924 rankt.

Männer und Frauen, Liebende und Geliebte, Künstler und Geschäftemacher, Zyniker und Samariter – kaum Geld in den Taschen, dafür jedoch Aufbruchstimmung im Herzen – flanieren, hetzen, palavern, liebäugeln, tanzen, jubeln, deklamieren einen Tag und eine Nacht lang durch Berlin. Berlin – das ist, wie der Titel schon sagt, die heimliche Heldin des kleinen Zeit-Romans. Zweifellos ist es ein besonderes Berlin, ein intimes, diskretes, das auch beim zweiten Hinsehen nichts gemeinsam hat mit jenem legendären verwilderten Stadtungeheuer, das eben erst dem besinnungslosen Taumel der Inflationsjahre entronnen ist und nun halbwegs ruiniert und gänzlich ungeniert in seine nicht eben rosige Zukunft schwankt.

Franz Hessel - (c) Sammlung Flügge

So wirft nun also der Leser, immer auch ein wenig Voyeur und angelockt vom erotischen Knistern zwischen den Zeilen, einen Blick in Boudoirs und Studierzimmer, in Nachtlokale und Kabaretts, in Antiquitätenläden und Komparsencafés, folgt den Figuren auf stillen Wegen am Kanalufer und entdeckt dabei viel Stimmungshaftes, viel Flüchtiges, ja, auch den längst verwehten Hauch einer Welt von vorvorgestern. Und mit der Zeit, so ganz allmählich, beim Lesen, beim Blättern, verfestigt sich der Eindruck, dass es in diesem ungewöhnlichen Buch gar nicht um die Geschichte an sich geht, um das ohnehin mehr illusorische als wirkliche Techtelmechtel zwischen einer älteren – irgendwie verheirateten – Dame und einem jungen – irgendwie ziellosen – Herrn von adliger Abkunft.

In dem kleinen Roman geht es – und wer die Bücher von Franz Hessel? kennt, für den sind die folgenden Worte natürlich bloß kalter, verschütteter Kaffee – nicht um das Was, sondern das Wie: Aus lauter literarischem Anstand verzichtet Hessel? in seinen Romanen auf karambolageartige Dramaturgie?, stattdessen fesselt er den Leser mit seiner klaren, zarten und sehr, sehr noblen Sprache. Wer hätte in der düsteren deutschen Literatur einen solchen feinsinnigen Schriftsteller vermutet, wunderte sich schon ein zeitgenössischer Kritiker.

Unter den schönen Büchern, die Franz Hessel? geschrieben hat, ist „Heimliches Berlin“ wahrscheinlich das schönste. Ein Meisterwerk, still, poetisch, Berlin ohne allzu große Schnauze, irgendwie zum Verlieben – ein Buch, über das wohl auch in Zukunft niemand ein schlechtes Wort verlieren wird!

Autor: Daniel Möglich

Literaturangaben

  • Hessel, Franz: Heimliches Berlin. Roman. Lilienfeld Verlag, Düsseldorf 2011, 160 Seiten, 18,90 Euro, ISBN: 978-3940357236

Bitte Krümelpfad unten nicht verändern


Hauptseite | Rezensionen | Rezensionen-Register | H | Heimliches Berlin

Daten hochladen
Buecher-Wiki Verlinken
FacebookTwitThis
Pin ItMister Wong
RSS-Feed RDF-Feed ATOM-Feed

schliessen