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Indien. Land des kleinen Glücks

von<br> Ilija Trojanow und Katrin Simon

Mit ihrem gemeinsamen Buch „Indien. Land des kleinen Glücks“ haben Ilija Trojanow und seine Frau Katrin Simon? dem Subkontinent mit poetischen Worten und ungekünstelten, beeindruckenden Aufnahmen eine Liebeserklärung gemacht. Dies war nach eigenen Aussagen auch ihre Intention. Über fünf Jahre haben sie in diesem ungewöhnlichen Land gelebt, das sich nach Trojanow und Simon „auf keinen gemeinsamen Nenner bringen lässt, außer man schwelgt in vagen Superlativen wie faszinierend, überwältigend oder einmalig“.

Zwei Monate sind sie mit dem Schlauchboot, mit Bussen, Zügen und zu Fuß den Ganges entlang gereist, von der Quelle am Gangotri-Gletscher im Himalaja bis zur Mündung am bengalischen Golf. Die Eindrücke dieser Expedition stehen im Mittelpunkt dieses Buches. Der kosmopolitische Schriftsteller und die Fotografin mit dem Blick für spannende und nie gesehene Details zeigen Momente des Glücks und entführen den Leser in eine Welt voller Farben, Gesichter und Geschichten. Die beiden geben einen ungewöhnlichen Einblick in eine fremde, schon über 4000 Jahre alte Kultur – und schaffen durch das Aufzeigen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden auch Nähe und Verständnis für eine andere Sicht der Dinge.

Geschäfte, Mythen und wahre Helden

Das Buch beginnt mit Fotos von sehr gelassen und entspannt wirkenden Indern unterschiedlichen Alters. Träge wirken nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere, die gezeigt werden. Im Schatten der Kamelhöcker „liegen oder sitzen die Männer. Sie schweigen oder reden, rauchen und trinken süßen Milchtee. Und ganz nebenbei, als sei es unbeabsichtigt, bahnt sich in ihrem Gespräch ein Geschäft an“. Unvorstellbar in unserer hektischen Geschäftswelt – doch zumindest in diesem Teil Indiens, wie die Autoren zeigen, unerschütterliche Realität.

Die Kamera schwenkt zu dem Denkmal „Natani ka Chabutra“, das einer Seiltänzerin aus längst vergangener Zeit gewidmet ist. Sie ist ertrunken, weil sie dem falschen Versprechen eines Maharadschas geglaubt hat. Die Geschichte, die erzählt wird, lässt Bilder aus „1001 Nacht?“ vor dem Auge des Betrachters entstehen – Prunk, Pracht und Verrat. Wenigstens hat sich die unglückliche Seiltänzerin noch an dem Herrscher rächen können, indem sie ihn vor ihrem Tod verfluchte.

Indien birgt viele Geheimnisse. Die Momentaufnahmen und Geschichten dieses Bandes bringen ein wenig Licht ins Dunkel. Simons Fotos lassen den Betrachter in die Atmosphäre eintauchen.Es sind ruhige Momente, ein Spiel von Licht und Schatten: Seen, Bäume, Pferde, Kühe, Menschen – harmonisch erfasst.

Manche Geschichten erstaunen. So erzählt der gebürtige Rumäne Trojanow von Bauersfrauen in den Backwaters von Kerala, die ihre Höfe mit glitzernden Bändern aus Videos vor räuberischen Vögeln schützen. Und er berichtet von „wahren Helden“, den Bihari-Straßenarbeitern, die für hundert Rupien (zwei Euro) am Tag auf einer „Höhe, in der selbst das Atmen schwer fällt“ Arbeiten erledigen, die kein Einheimischer jemals übernehmen würde.

Frauen, Großstadt und Glaube

In Indien wird die Frau auch „wama“, die Linke, genannt, da sie stets zur Linken des Mannes sitzen soll. Die Fotos zeigen in farbenfrohe Saris gekleidete Frauen unterschiedlichen Alters. Selten sieht man in diesem Bildband? Menschen beiderlei Geschlechts auf einem Foto. Lediglich bei Feiern und Festen und in der häuslichen Umgebung scheinen Frauen und Männer aufeinander zu treffen.

„Um die Schönheit Bombays zu erkennen, sollte man früh aufstehen“, schreibt Trojanow. Daneben sieht man ein Bild, das einen älteren Mann zeigt, der auf einer Mauer im Schneidersitz meditiert. Nur zwei Stunden später sei „die Stadt nicht wieder zu erkennen – gehetzt, laut, überfüllt und voller hupender Aufschreie“, klärt der weit gereiste Autor den Leser auf. Für viele ist Bombay ein bedrohlicher Moloch, für den Schriftsteller ist es der „aufregendste Ort auf Erden“.

Der Glaube spielt in Indien eine große Rolle. Die Frage nach seiner Religion ist für den Inder ebenso selbstverständlich wie die Frage, ob er verheiratet ist. Von den über eine Milliarde Einwohnern Indiens sind 82 Prozent Hindus, zwölf Prozent Muslime und drei Prozent Christen. Die Übrigen gehören anderen Religionen an. Das architektonische Nebeneinander von hinduistischen und buddhistischen Tempeln sowie goldenen Moscheen versinnbildlicht die meist friedliche Koexistenz. Trojanow erzählt von ungewöhnlichen Tempel-Auktionen, dem heiligen Berg Shatrunjaya und einem leichtgläubigen Brahmanen. Die Bilder zeigen Andacht und Versenkung – Menschen in völligem Einklang mit sich selbst und ihrem Glauben.

Daten, Fakten und feiernde Inder

Ilija Trojanow nennt beeindruckende Zahlen und Fakten rund um den Ganges. Etwa eine halbe Milliarde Menschen leben im Stromgebiet des Flusses. Die Aufnahmen zeigen, wie so oft in diesem Buch, mehr als seine Texte: Lachend springt ein Junge in den Ganges. Andere beten, manche flanieren an seinem Ufer entlang. Männer werfen ihre Netze aus – Frauen waschen ihre Wäsche im Wasser des heiligen Flusses. Kurz, ein buntes Treiben, das den Leser die Bedeutung des Ganges für die Menschen deutlich erkennen lässt.

In Indien wird viel gefeiert. Es gibt nach Trojanow „mehr Feste als Tage, mehr Götter als Menschen und mehr Farben als Orte“. Feiern fungieren als Bindeglied zwischen innen und außen, Haus und Dorf sowie zwischen Familie und Gesellschaft. Pinselstriche und farbenfrohe Gewänder verwandeln Jungen in Frauen und kleine Kinder in Götter. Viele Gottheiten und Fabelwesen treten in einer Art Zwittergestalt auf, beispielsweise Ganesh, der Gott mit dem Elefantengesicht. Das Zusammenfließen der Formen hat nach Aussage des Autors schon sehr früh begonnen und ist bis zum heutigen Tage erhalten geblieben. Trojanow selbst ist in Indien zum Islam konvertiert und hat seine Frau Katrin Simon auf traditionell indische Weise geheiratet. Er sieht sich als Reisender zwischen den Welten und als ein Suchender zwischen Kulturen und Religionen.

Liebeserklärung ohne Verbrämung

Der Bildband? und die dazugehörigen Essays reflektieren das Land mit den vielen Facetten auf erstaunliche Weise. Auf prächtigen Fotos werden Augenblicke indischen Alltags greifbar: Nachdenklichkeit dicht neben Spiritualität und purer Lebensfreude, Momenten kleinen Glücks. Das Buch wirkt sehr persönlich und spiegelt das Vertrauen der fotografierten Menschen zu Trojanow und Simon wieder. Ohne das entsprechende Feingefühl des Ehepaars und dessen Wissen über kulturelle Gepflogenheiten und Regeln wäre ein weniger authentisches? Werk? entstanden.

Entstanden ist eine Liebeserklärung ohne Verbrämung, Bollywood-Märchenstimmung und die entsprechende Verklärtheit. Realistisch und wohlwollend wird der Leser bezaubert. Die Bilder und Geschichten machen Lust auf eine Reise nach Indien und wecken den Wunsch, den Spuren des Autorenpaares zu folgen. Man möchte das „kleine Glück“ mit eigenen Augen erleben und (be-)greifen.

Literaturangaben:

  • Ilija Trojanow / Katrin Simon: Indien. Land des kleinen Glücks. Cadolzburg, Ars vivendi Verlag 2006, ISBN-13: 978-3897167087

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