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Meine Preise

von<br> Thomas Bernhard

Um 1980 hatte Thomas Bernhard ein Manuskript mit dem Titel „Meine Preise“ fertig gestellt und es seinem Verleger versprochen. Doch es blieb neunundzwanzig Jahre in der Schublade. Nun können wir lesen, was es damit auf sich hat. Der erste Preis kam 1963, Bernhard war 32 Jahre alt und hatte schon sieben Bücher geschrieben, darunter „Frost“ – seinen ersten Roman. Viele weitere sind gefolgt. Die einschlägigen Lexika? zählen sechzehn Literaturpreise, manche noch zwei mehr. Für „Meine Preise“ hat er acht ausgewählt, die nämlich, die sich dank der Begleitumstände am besten in kleine, bös-komische Erzählungen verwandeln lassen. Um eine dramaturgisch richtige Reihenfolge zu bekommen, veränderte er die Chronologie ein bisschen.

Allemal ging es dabei ums Geld: „Ich verabscheute den Preis nur so lange ich nicht an die fünfundzwanzigtausend Schillinge dachte, dachte ich an die fünfundzwanzigtausend Schillinge, fügte ich mich in mein Schicksal … Ich bin geldgierig, ich bin charakterlos, ich bin selbst ein Schwein“. Seiner geliebten Tante, der immer Wohlmeinenden, die ihm anlässlich der Vergabe des „Österreichischen Staatspreises“? 1968, (es war der „Kleine“, den „Großen“ hat er nie bekommen) vorwarf, er nehme Geld von einem Staat, den er hasse, antwortet er nachträglich in indirekter Rede?: „Ich nehme das Geld, weil man dem Staat, der jährlich nicht nur Millionen, sondern Milliarden völlig sinnlos zum Fenster hinauswirft, jedes Geld abnehmen solle, der Bürger habe dazu ein Recht und ich sei kein Narr“. So viel dazu. Ihm hatte es genügt, mit seiner kurzen, Minuten vor dem Ereignis aufgeschriebenen Dankrede den anwesenden Kultusminister, den Herrn Piffl-Perèeviæ, so nachhaltig zu vergrätzen, dass die Feier zum folgenden Wildgans-Preis? (mit jenem Minister als Ehrengast) abgesagt wurde; das Geld hat er immerhin bekommen.

Das Geld!

Und es, wie das anderer Preise auch, gut angelegt: Vom Literaturpreis der Freien und Hansestadt Bremen? (1965) hat er die Anzahlung für den berühmten Vierkanthof bei Gmunden hinterlegt und die Ruine in den folgenden Jahren („Alle Fußböden waren durchgemorscht, durchgefault und die meisten Fensterstöcke waren von Wind und Wetter herausgerissen“) perfekt hergerichtet. Schon vom Geld für den Julius-Campe-Preis? (1964) schaffte er sich einen englischen Sportwagen „Triumph Herald“ an, den er kurz danach bei einem unverschuldeten Unfall in Kroatien wieder einbüßte. (Gemach: Die Versicherung zahlte – und er kaufte einen neuen „Herald“.) Zum Grillparzer Preis? (1972), der in seinem Buch den Anfang macht, leistete er sich, wieder kurz vor Beginn der Verleihung, bei einem feinen Herrenausstatter einen dunklen Anzug – und tauschte ihn nach der Feier um, gegen einen, der eine Nummer größer war.

Es sind solche Geschichten von tiefen Befriedigungen und Triumphen, die die anderen, die er im Zusammenhang mit seinen Preisen zum Besten gibt, ausbalancieren, die Katastrophen-Berichte von schlechten Hotels, von bei der Feier falsch aufspielenden Musikern, idiotischen Reden, grässlichen Städten (Regensburg!). Lauter Beleidigungen als rhetorische Figuren: Er wollte schimpfen, wollte zeigen, dass er eben kein „Schwein“ war, sondern einer, der die Preise – das Geld! – verdiente, und er wollte in Kurzform von dem erzählen, was ihm zugestoßen war, als er noch jung war: von seinem Leben als Austräger eines kleinen Krauters in Salzburg („Der Keller“) und von seinen Sanatoriumsaufenthalten („Die Kälte“) – von all dem also, was in seinen autobiografischen Büchern als lebenslange Wunde und Bedrohung auftaucht.

Ein verwundeter Clown

Er konnte es nicht lassen – aber er ließ es dann doch und behielt diese Aufzeichnungen für sich. Schließlich war er 1980 berühmt, kannten die Leser (und Theatergänger) ihn zur Genüge. Dem Manuskript über die Zumutungen mit den Preisen hat er (neben seinem vor Zorn bebenden Austrittsschreiben an die Akademie für Sprache und Dichtung?) zwei kurze Ansprachen hinzugefügt (er hasste derlei Dankreden und umging sie möglichst): die beim Österreichischen Staatspreis? und die beim Büchner-Preis. Dem Minister schleuderte er entgegen: „Die Zeitalter sind schwachsinnig, das Dämonische in uns ein immerwährender vaterländischer Kerker, in dem die Elemente der Dummheit und Rücksichtslosigkeit zur täglichen Notdurft geworden sind.“ Und in Bremen überfiel er die werte Festversammlung mit der Nachricht: „Wir wissen nicht, handelt es sich um die Tragödie um der Komödie, oder die Komödie um der Tragödie willen … aber alles handelt von Fürchterlichkeit, von Erbärmlichkeit … Das Problem ist immer, mit der Arbeit fertig zu werden, in dem Gedanken, nie und mit nichts fertig zu werden … es ist die Frage des Zweifels, des Misstrauens und der Ungeduld.“

Zweiundzwanzig Bände? soll die Gesamtausgabe? von Thomas Bernhard einmal umfassen, so plant es der Verlag. Gearbeitet hat er also gewiss viel. Sein Misstrauen war tief und fast stets so unüberwindlich wie seine Ungeduld. Er hat der „Nichtswürdigkeit“ der Welt die Grimasse der Ablehnung entgegengehalten und das traurige, komische Antlitz eines verwundeten Clowns. Alt ist er, der lebenslang Kranke, damit nicht geworden: nur achtundfünfzig Jahre. Wir haben noch länger mit ihm zu tun. In Wellen. Lange waren es vor allem die Theaterstücke. Nun ist wieder die Prosa an der Reihe. Die Gedichte laufen mit, unterirdisch.

Originalbeitrag unter Die Berliner Literaturkritik

Literaturangaben

  • Bernhard, Thomas: Meine Preise. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009. 141 S., 15,80 €, ISBN: 978-3518420553

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