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Nicht frei von Sünde

von<br> Benjamin Black

„He can write, but can he plot?“, er kann schreiben, kann er aber auch eine spannende Handlung konstruieren, fragte der jüngst, mit knapp 60 Jahren viel zu früh verstorbene englische Kriminalautor Michael Dibdin? kritisch, nachdem ihm zu Ohren gedrungen war, dass John Banville?, ausgerechnet John Banville?, einen Kriminalroman in Arbeit habe.

Denn der in Dublin lebende Banville?, als Literaturredakteur der „Irish Times“ auch als Kritiker eine wichtige wie gewichtige Stimme, wird schon seit längerem als Kandidat für nichts Geringeres als den Literaturnobelpreis gehandelt. Er ist als überaus schwieriger Autor bekannt, der anspruchsvolle, anspielungsreiche, recht düstere, bildungsschwangere und bildmächtige Romane vorgelegt hat, „Athena?“ etwa, „Das Buch der Beweise?“, „Der Unberührbare?“, zuletzt „Caliban?“ und „Die See?“. Für letzteren erhielt er 2005 gar den Man Booker Prize?, Großbritanniens renommierteste Literaturauszeichnung. Doch mit seinem Ausflug ins Krimigenre unter dem Pseudonym Benjamin Black beweist der Ire eindrucksvoll, dass er mit leichter Hand auch intelligente Spannungsliteratur? schreiben kann.

Dublin, Mitte der fünfziger Jahre: Die Stadt ist düster, das Land immer noch tief provinziell.

Der Pathologe und Witwer Quirke setzt sich auf die Spur einer unter ominösen Umständen ums Leben gekommenen jungen Frau, deren Leiche in sein Institut eingeliefert worden war, deren neugeborene Tochter allerdings mysteriöserweise verschwunden ist. Ihre Spur ist so gründlich verwischt, als habe sie nie existiert.

Die Suche nach ihr, die er aus Gewissensgründen aufnimmt, starb doch seine eigene Frau ebenfalls im Kindbett, während er nach einem Streit auf Sauftour war (und eigentlich weitaus stärker in ihre Schwester verliebt war), führt ihn auf Wege, zu Spuren, die von anderen gar nicht gern gesehen werden. So wird er als Warnung nicht nur zum Krüppel geschlagen, sondern zudem mit verdrängten Phantomen seiner eigenen Biographie wie der seiner Familie konfrontiert. Mit Gefühlen, die nie versiegten, mit Fehlern und mit verdrängter Schuld.

Konfrontiert wird er auch mit Machenschaften einer im Geheimen operierenden Vereinigung, bestehend aus Stützen der besseren Gesellschaft Dublins, die katholische irische Waisenkinder nach Amerika verschiebt. Dort kommen sie erst in einem Ordenshaus unter, um dann Adoptiveltern übergeben zu werden. Doch mit Vollendung des 18. Lebensjahrs werden die Kinder der Familie wieder entzogen und man oktroyiert ihnen als Priester oder Nonne den Dienst in der katholischen Kirche. Der Gedanke hinter diesem scheinbar gottesfürchtigen Werk ist, solcherart für Nachwuchs unter dem Klerus zu sorgen. Schließlich ist man noch tief in den 1950er Jahren. Und jenseits des Atlantiks, in der Nähe von Boston, spielt auch die zweite Hälfte des Buches mitsamt Verwicklung, Spannungs-twists, Kulmination, Gewaltexplosion und Aufklärung.

Auch wenn so manche Anspielung, so manches Versatzstück aus Romanen etwa eines Raymond Chandler oder aus dem Gewaltkosmos eines James Ellroy hier zu finden ist, vom Gespräch im Gewächshaus über die lockende femme fatale bis zum psychotischen Triebtäter, und Black/Banville ebenso gekonnt auch mit den Genremotiven des spätviktorianischen Detektivromans hantiert, so gleitet doch dieses fesselnde, dicht geschriebene und von Christa Schuenke? flüssig übersetzte Buch glücklicherweise nie ab zur reinen Parodie oder zu einer mit Ironie beschwerten Travestie?, geschrieben „with tongue in cheek“. Womit John Banville? die Antwort darauf gegeben haben dürfte, ob er nun „plotten“ könne. Oder nicht.

Literaturangaben

  • Black, Benjamin: Nicht frei von Sünde. Roman. Aus dem Englischen von Christa Schuenke. Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2007. 432 Seiten, 19,90 €, ISBN: 978-3462037685

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