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Nietzsche, Friedrich

Friedrich

Friedrich Wilhelm Nietzsche (geb. 15. Oktober 1844 in Röcken bei Lützen; gest. 25. August 1900 in Weimar) war ein deutscher Philosoph? und Philologe.

Foto: Wikimedia.org

Leben

Friedrich Wilhelm Nietzsche wurde am 15. Oktober 1844 in Röcken bei Lützen geboren. Er war der Sohn des protestantischen Pfarrers Carl Ludwig Nietzsche (1813-1849). Nach dem Tod des Vaters zog er mit seiner Mutter Franziska Nietzsche (geb. Oehler, 1826-1897) und seiner Schwester Elisabeth nach Naumburg an der Saale. Bereits als Zehnjähriger verfasste er seine ersten Gedichte und Kompositionen; er war ein großer Verehrer Friedrich Hölderlins (1770-1843). Zwischen 1858 und 1864 war er Schüler der Landesschule Pforta. Ab 1864 studierte er Theologie und klassische Philologie in Bonn.

1865 gab er jedoch sein Theologiestudium auf und wechselte an die Universität Leipzig, seinem Lehrer Friedrich Wilhelm Ritschl (1806-1876) folgend, dem Begründer der Bonner Schule der klassischen Philologie. 1868 leistete Nietzsche seinen Militärdienst ab, bis ihn ein Unfall dienstuntauglich machte. Seine Freundschaft mit dem Komponisten Richard Wagner (1813-1883) nahm in Leipzig ihren Anfang. Auf Ritschls Empfehlung hin erhielt er 1869 – als Vierundzwanzigjähriger – eine Professur für klassische Philologie in Basel und wurde, ohne eine Doktorarbeit verfassen zu müssen, promoviert.

1870 nahm Nietzsche für kurze Zeit am Deutsch-Französischen Krieg als freiwilliger Krankenpfleger auf deutscher Seite teil. Wegen einer schweren Erkrankung kehrte er vorzeitig nach Basel zurück. Seit 1871 verschlimmerte sich Nietzsches Gesundheitszustand: Seinen Kopfschmerzen und seiner zunehmenden Augenschwäche vermochten auch häufig wechselnde Aufenthalte in der Schweiz und in Italien nicht abzuhelfen. 1872 wurde Nietzsches erste größere Abhandlung? über „Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“ von klassischen Philologen abgelehnt, weswegen er sich fortan ganz der Philosophie? zuwandte.

Überwundene Vorbilder

In seinen vier „Unzeitgemäßen Betrachtungen“ (1873-1876, 4 Bände) stellte sich Nietzsche in Anlehnung an Wagners Kulturpolitik kritisch gegen seine Zeit und seine Zeitgenossen, um auf diese Einfluss zu nehmen und zugunsten einer kommenden Zeit zu wirken. Die erste „Unzeitgemäße Betrachtung“ mit dem Titel „David Strauß, der Bekenner und der Schriftsteller“ diente der kritisch-polemischen Auseinandersetzung mit dem schwärmerisch-optimistischen Bekenntnisbuch des Philosophen? und Theologen David Friedrich Strauß? (1808-1874) über „Das Leben Jesu für das deutsche Volk“. Dieses von Hegel? beeinflusste Hauptwerk Strauß’? erklärte das Christentum zur wahren Humanitätsreligion, die aus den mythischen Berichten der Evangelien herauszuarbeiten sei.

Kritik am Historismus

In der zweiten „Unzeitgemäßen Betrachtung“, „Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben“ (1874), beschrieb Nietzsche, wie das Leben an einem Übermaß von historischem Bewusstsein erkranken kann. Im Historismus des 19. Jahrhunderts, einer geisteswissenschaftlichen Richtung, die alle kulturellen Phänomene aus ihrer geschichtlichen Bedingtheit heraus erklärt (und damit in gewisser Weise relativiert), erkannte er ein besonders eklatantes Beispiel für die Lähmung der Lebenskraft durch Wissen und Erkenntnis. Nietzsche kritisierte die Fixierung auf die Geschichte und die Überflutung mit historischen Informationen, die nur der Selbsterhaltung des Wissenschaftsbetriebes dienten. Diese Konjunktur des Historismus in der wissenschaftlichen Welt nahm er zum Ausgangspunkt einer Kritik des Zeitgeistes, dem er mit einer emphatischen Verteidigung des Lebens entgegentrat.

Wagner und Schopenhauer

In der dritten und vierten „Unzeitgemäßen Betrachtung“, „Schopenhauer als Erzieher“ (1874) und „Richard Wagner in Bayreuth“ (1876), wurde Nietzsche als Anhänger beider Männer kenntlich. Von Schopenhauer übernahm er die Theorie vom Willen als dem grundlegenden Prinzip der Welt. Allerdings ist für ihn der Wille nicht blind und ziellos wie bei Schopenhauer, etwas, das man überwinden muss, um Frieden und Erlösung zu finden. Für Nietzsche ist der Wille auf Vitalität und Stärke ausgerichtet, er ist ein „Wille zur Macht“ - so würde später die griffigste Formel für seine Philosophie und zugleich der Titel eines geplanten vierbändigen Werks lauten.

Allmählich befreite sich Nietzsche von seinen Vorbildern und wurde zu einem scharfen Kritiker und „frei denkenden Geist“, der sich den Naturwissenschaften annäherte. Seine romantisch-wagnerianische Phase endete. In dem zweibändigen Werk „Menschliches Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister“ (1878) vollzog Nietzsche den Bruch mit Wagner, dem er vorwarf, seine künstlerischen Vorstellungen zugunsten der – von Nietzsche als banal empfundenen – Bayreuther Festspiele aufgegeben zu haben. Er versuchte Motive und Hintergründe der menschlichen Wertungsweisen und Schätzungen zu entlarven. Die nun beginnende zweite Phase seines Denkens bezeichnete er selbst als „Philosophie des Vormittags“.

Begegnung mit Lou Salomé

1879 gab Nietzsche wegen ständiger Kopf- und Augenschmerzen seine Baseler Professur auf. Er schloss Freundschaft mit der russischen Studentin Lou Salomé (1861-1937), die später als Schriftstellerin und Psychoanalytikerin unter ihrem Ehenamen Lou Andreas-Salomé? bekannt werden würde.

Lou Andreas-Salomé im Jahr 1897 - (c) gemeinfrei

Den Sommer 1882 verbrachten die beiden in Tautenburg, Nietzsches Schwester Elisabeth immer zur Seite. Nietzsche verliebte sich in die hochbegabte Lou, die er gleichwohl mehr als seine Schülerin betrachtete, und ließ den gemeinsamen Freund Paul Rée, der aber gleichfalls in Lou verliebt war, um ihre Hand anhalten. Salomé? lehnte ab. Die Beziehung endete im Winter 1882/1883. Es kam zu einem weiteren Zerwürfnis mit seiner Schwester, weil diese einen führenden Vertreter der deutschen antisemitischen Bewegung heiratete.

Getrieben von seinen Krankheiten und ständig auf der Suche nach für ihn optimalen Klimabedingungen, reiste Nietzsche seit 1879 viel und hielt sich bis 1889 als freier Autor an verschiedenen Orten auf. Dabei lebte er vor allem von der ihm gewährten Pension der Stadt Basel, erhielt aber auch mitunter Zuwendungen von Freunden. Im Sommer hielt er sich meist in Sils-Maria, im Winter vorwiegend in Italien (Genua, Rapallo, Turin) und auch in Nizza auf. Hin und wieder besuchte er auch die Familie in Naumburg.

Verkündigung eines neuen Zeitalters

In „Morgenröte. Gedanken über die moralischen Vorurteile“ (1881), worin er den Kampf gegen die Moral eröffnete, und in „Die fröhliche Wissenschaft“ (1882) begann Nietzsche in aphoristischer Form über den menschlichen „Willen zur Macht“ nachzudenken. Auch diese Bücher gehören zur zweiten Phase seiner Philosophie. In ihnen bereitete er schon sein großes Werk „Also sprach Zarathustra“ (1883/85) vor, das vor allem im Winter 1882/83 auf Spaziergängen rings um die Bucht von Rapallo in ihm wuchs.

Mit „Also sprach Zarathustra“ erreichte Nietzsches Philosophie ihre dritte Phase und zugleich ihren Höhepunkt. Es ging um nichts weniger als die Verkündigung eines neuen Zeitalters. Während der „Zarathustra“ dichterisch-symbolisch gehalten ist und auch wegen seiner Sprache als literarisches Meisterwerk gilt, sollte das auf vier Bände angelegte Werk „Der Wille zur Macht“ dieselben Themen systematisch darstellen. Doch dazu kam es nicht mehr. Dieses Werk würde erst 1901 erscheinen, ein Jahr nach Nietzsches Tod, in Fragmenten nach seinen Aufzeichnungen von Elisabeth Förster-Nietzsche und Peter Gast herausgegeben. 1886 kam immerhin „Jenseits von Gut und Böse“ heraus, das als Einleitung zu dem großen Werk geplant war.

1888 arbeitete Nietzsche an seinen Spätschriften wie „Der Fall Wagner“ oder „Der Antichrist. Versuch einer Kritik des Christentums“, die schon Spuren seiner ausbrechenden psychischen Krankheit tragen. In „Der Antichrist“ untermauerte Nietzsche seine moraltheoretischen Überlegungen mit religionsphilosophischen und -geschichtlichen Ausführungen über die paulinischen Deutungen (laut Nietzsche: Missdeutungen) des Evangeliums Jesu Christi. Die folgenden Bücher „Der Fall Wagner“ (1888), „Ecce Homo“ (postum 1908) und „Dionysos-Dithyramben“ (1889) sind autobiographisch ausgerichtet. Sie zeichnen sich durch einen radikalen Sprachgestus aus.

Im Januar 1889 erlitt Friedrich Nietzsche einen psychischen Zusammenbruch in Turin und lebte nach mehreren Psychiatrieaufenthalten ab 1890 unter der Vormundschaft seiner Mutter in Jena und Naumburg. Sein letztes von ihm noch herausgegebenes Werk, „Götzendämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophirt“, erschien noch 1889. Nietzsche wollte – wie der Untertitel schon sagt – „mit dem Hammer philosophieren“ und seine klaren, harten Thesen weithin vernehmbar machen.

Gefangen in der Villa „Silberblick“

Im Jahr 1893 kehrte die Schwester, Elisabeth Förster-Nietzsche, nach dem Selbstmord ihres Ehemannes aus Paraguay zurück. Sie riss alles an sich, rief das Nietzsche-Archiv ins Leben und begann, ihren Bruder und die Herausgabe seiner Werke völlig zu bestimmen. Die Mutter war zu alt, um sich dagegen aufzulehnen. Sie starb 1897.

Nietzsche selbst sollte zeitlebens nicht mehr klares Bewusstsein erlangen. Nach dem Tod der Mutter lebte er in der Villa „Silberblick“ in Weimar, gepflegt und regelrecht ausgestellt von seiner Schwester. Nach mehreren Schlaganfällen starb er schließlich am 25. August 1900 an den Folgen einer Lungenentzündung. Er wurde in Röcken an der Kirche begraben, unmittelbar neben seinem Vater.

Wichtige philosophische Arbeiten

Nietzsche hatte als Philologe? begonnen und war bald zum Philosophen geworden. Seine späteren Werke sind alle in aphoristischer Form gehalten, in stetig sich steigerndem Ton, in kraftvoller, dichterisch gestalteter Sprache.

Der Stilist Nietzsche

In seiner mit dem Heinrich-Mann-Preis? 2008 ausgezeichneten Monographie? "Das entfesselte Wort" (C. Hanser Verlag, München 2007) legt der Germanist? Heinrich Schlaffer? dar, dass Nietzsches Stil mehr ist als nur poetisch unterfütterte Prosa: Nietzsche versuche, seine Leser durch sprachliche Schönheit zu fesseln und auf diesem Weg auch ihr inhaltliches Einverständnis mit seinen philosophischen Aussagen zu erreichen - und zwar noch bevor die Leser alles verstanden hätten.

Im Folgenden werden drei Werke vorgestellt, die jeweils zu einer der drei philosophischen Phasen Nietzsches gehören: zur romantisch-wagnerianischen, zur „Philosophie des Vormittags" und zur dritten Phase, der Verkündigung des Neuen.

Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik (1872)

„Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“, erschienen 1872, war das erste bedeutende Werk Nietzsche. Es gehört in die erste, die romantisch-wagnerianische Phase seines Denkens. Der Autor bricht darin mit der klassischen Philologie und stellt seine eigene Theorie von der Entstehung und dem Niedergang der griechischen Tragödie auf. Darüber hinaus enthält es allgemeine kulturphilosophische? und ästhetische Betrachtungen, die auch im 20. Jahrhundert rezipiert wurden.

Nietzsche vertritt eine antiklassische, tragisch-pessimistische Auffassung des Griechentums. Er steht damit unter starkem Einfluss von Arthur Schopenhauer und Richard Wagner, den er zu jener Zeit als möglichen Neubegründer einer mit der griechischen? vergleichbaren Kunst und Kultur ansieht. Die attische Tragödie betrachtet Nietzsche als die Vereinigung der beiden Kunsttriebe der Natur, des Apollinischen und des Dionysischen. Apollinisch ist für ihn das Helle, die Erhabenheit, das Maß und die Harmonie; dionysisch hingegen der Rausch, die grausame Enthemmung, das Ausbrechen einer dunklen Urkraft. Durch die rationale Philosophie seit Sokrates sei die antike Tragödie als Kunstform zerstört worden. In Wagners Musikdramen erhoffte Nietzsche sich ihre zeitgemäße Erneuerung.

Mit der Umdeutung der künstlerischen Stilmerkmale – des Apollinischen und Dionysischen – zu metaphysischen Lebensmächten hatte Nietzsche den alles entscheidenden Schritt in seiner intellektuellen Biographie getan. Von nun an hielt er einen Schlüssel in der Hand, mit dessen Hilfe er das Betriebsgeheimnis der Kulturen, ihre Geschichte und Zukunft glaubte verstehen zu können.

Die fröhliche Wissenschaft (1882)

„Die fröhliche Wissenschaft“ (später mit dem Untertitel „la gaya scienza“) erschien zuerst 1882 und 1887 noch einmal ergänzt. Sie gehört in die zweite philosophische Phase, in die „Philosophie des Vormittags“ hinein. Nietzsche hatte nun im Aphorismus die ihm gemäße literarische Form gefunden.

Das Buch besteht aus annähernd 400 unterschiedlich langen Abschnitten, die zu fünf Büchern zusammengefasst sind. Die ersten drei Bücher befassen sich mit Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie sowie mit der (geisteswissenschaftlich verstandenen) Psychologie ebenso wie mit der Kunst und den Künstlern und dem Verhältnis zwischen Männern und Frauen.

"Gott ist tot"

Im vierten Buch geht es um Religion und Moral. Beides, das auch aus theologischer Sicht zusammengehört, erfährt bei Nietzsche eine eigene Interpretation. Denn der Philosoph stellt fest, dass der christliche Glaube und die ihm entsprechenden Werte kraftlos geworden seien, basierend auf widerlegten Vorstellungen (etwa von Jenseits) und diametral dem entgegengesetzt, was der Selbsterhaltungswille des Menschen fordere. Nietzsche betrachtet das Christentum folglich als Religion der Dekadenz, der Schwäche und als Ausdruck einer „Sklavenmoral“. Die meisten Gläubigen heuchelten und befolgten nicht, was sie zu glauben vorgäben.

Berühmt geworden ist die Textstelle über den „tollen Menschen“, der den Tod Gottes verkündet: „Wir haben ihn getötet, - ihr und ich!“ Der Tod Gottes, der nach Nietzsche doch nur die Konsequenz aus der Schwäche und Unglaubwürdigkeit des Christentums ist, wird hier als bedrohliches Ereignis beschrieben. Zugleich bildet er das Signal für den Auftritt des Übermenschen: Eine so große Tat wie der Gottesmord könne nicht von Menschen getragen werden. Sie erfordere Götter, die ihrer würdig seien – oder eben den Übermenschen, der nun leben solle, da Gott tot sei. Aber noch, so der „tolle Mensch“ (und mit ihm Nietzsche), komme er mit dieser Botschaft zu früh.

Folgerichtig handelt das fünfte Buch vom Nihilismus. Ihn betrachtet Nietzsche als letzte Konsequenz des christlichen Verfalls, als endgültigen Zusammenbruch des Sinnes und der Werte – und damit als Durchgangsstadium, das notwendig ist, um zu neuen und wahren Werten zu kommen, zur „Umwertung aller Werte“. Von ihr und dem Weg dorthin handelt „Also sprach Zarathustra“.

Also sprach Zarathustra. Ein Buch für alle und keinen (1883-1885)

Das Buch, das als wichtigstes Werk Nietzsches angesehen wird, besteht aus vier Teilen. Es erschien zwischen 1883 und 1885, den letzten Teil musste der Verfasser privat finanzieren. Über keines seiner Bücher hat er sich in seinen Briefen, Nachlassnotizen? und späteren Schriften so häufig geäußert wie über den „Zarathustra“. Es prägt seine dritte philosophische Phase, die in der Verkündigung eines neuen Zeitalters gipfelt, und wird oft gemeinsam mit „Jenseits von Gut und Böse“ (1886) und „Der Wille zur Macht“ (postum 1901) interpretiert.

Wie der Untertitel verrät, richtet sich das Buch nur an diejenigen, die seiner würdig und ihm gewachsen sind – das heißt, die fähig sind, die spannungsvolle Ruhe zwischen den Stürmen zu ertragen: Nietzsche nennt seinen Ton nämlich halkyonisch und bezieht sich damit auf den griechischen Mythos von der in einen Eisvogel verwandelten Windstochter Alkyone, der zwischen zwei Stürmen sieben ruhige Tage gegeben werden, um ihr Nest zu bauen.

Die Figur des Zarathustra

Eingangs wird aus personaler Perspektive erzählt, wie ein Denker namens Zarathustra mit dreißig Jahren – dasselbe Alter, in dem Jesus zu lehren begann – dem Volk seine in der Einsiedelei erworbenen Erkenntnisse verkünden will. Doch er wird von den Menschen zurückgewiesen und meidet sie von da an. Nur noch zu einzelnen großen Geistern will er fortan sprechen.

Es folgt eine Reihe von Predigten, Gesängen? und Selbstgesprächen, die in der Form der Rollenprosa? verfasst sind. Nietzsche knüpft hier sprachlich an verschiedene Vorlagen (Lutherbibel?, Goethe, Hölderlin) an. Wenn auch Wiederholungen, Steigerung und Anspielungen („Predigtstil“) überwiegen, weist der „Zarathustra“ daneben doch eine Vielzahl anderer Figuren und Stilarten auf. Nietzsche spricht in radikalen Gegensätzlichkeiten (der sprachlicher Ausdruck für seine Umwertung der Werte), er verwendet eine Entscheidungsrhetorik, wie sie für Predigten nicht unüblich ist. Am Ende steht eine erfolgreich bestandene Versuchungsszene, die wieder in personaler Perspektive erzählt ist.

Zarathustra darf nicht mit dem gleichnamigen persischen Religionsstifter (auch: Zoroaster) gleichgesetzt werden. Nietzsche wählte diesen Namen, weil der Zoroastrismus die erste dualistische Religion war – also die erste, die die Welt in Gut und Böse einteilte. Folglich musste auch eine Umkehrung dieser Bewertungen von einer Figur namens Zarathustra verkündet werden.

Die Rede von den drei Verwandlungen

In Zarathustras berühmter Rede von den drei Verwandlungen schildert Nietzsche drei Durchgangsstadien der Menschheit, die sich prototypisch in den drei Phasen seines eigenen Denkens wiederfinden: Zuerst ist der Mensch von Autoritäten beeinflusst, von überlieferten religiösen und kulturellen Werten, die ihn zur Selbsterniedrigung zwingen. Nietzsche beschreibt ihn als Kamel, das, beladen mit der Last der Überlieferung, in die Wüste eilt. Hier wird der Mensch in einem Akt der Befreiung zum Löwen: Der Glaube an Religion, Wahrheit und Moral zerbricht, das Zeitalter der Verneinung, des Nihilismus, hat begonnen. Nietzsche selbst sieht sich als Verkünder dieses Zeitalters. Der Löwe kann noch keine neuen Werte schaffen, aber er kann sagen: „Ich will.“

In einer dritten Phase wird der Löwe zum Kind – und dieses verwirklicht das Dionysische: „Unschuld ist das Kind und Vergessen, ein Neubeginnen, ein Spiel, ein aus sich rollendes Rad, eine erste Bewegung, ein heiliges Ja-sagen“. Auf die Verneinung folgt die neue Bejahung. Dieses Ja zum Leben ist einerseits leicht und tanzend, andererseits etwas Großes, „Übermenschliches“, denn es beinhaltet auch das Ja zur ewigen Wiederkehr des Gleichen. Nur der Übermensch erträgt den Gedanken, dass sich alle Zustände dieser Welt aufgrund der Unendlichkeit der Zeit ewig wiederholen werden, nur er lässt sich nicht schrecken vom ewig rollenden Rad des Seins.

Der Übermensch und der Wille zur Macht

Der Übermensch ist auch in der Lage, neue Werte zu setzen. Es tut dies aus seinem Willen zur Macht heraus – so bezeichnet Nietzsche, ausgehend vom biologisch-psychologischen Selbsterhaltungswillen des Menschen – das Seinsprinzip, das er als innerstes Wesen der Welt erkennt. Er greift hier einen Gedanken Schopenhauers auf. Doch während für diesen der Wille blind, ziellos und letztlich etwas zu Überwindendes ist, sieht Nietzsche den Willen als auf Stärke und Vitalität ausgerichtet, als wirksam nicht nur in den Trieben, sondern auch im Wissen und Erkennen.

Dieser Wille zur Macht beinhaltet eine Umwertung aller tradierten Werte. Mitleid, Rücksicht und Gemeinsinn, die Ideale der „Sklavenmoral“ und der „Herdenmenschen“ im Gefolge des Christentums und der griechischen Philosophie, gelten nicht mehr. Der Übermensch ist kraftvoll und tapfer, frei, elitär, weder von Rücksicht noch von Mitleid bewegt. Seine Moral ist eine „Herrenmoral“.

Der Übermensch ist für Nietzsche jedoch keine evolutionär hervorzubringende Weiterentwicklung der Gattung Mensch, sondern das Ergebnis einer individuellen Selbstüberwindung des Einzelnen, der alles Schwache, Mitleidige in sich abtötet. Am Schluss des Buches muss Zarathustra selbst eine Versuchungssituation bestehen: Er wird von Menschen um Mitleid angefleht, doch er widersteht und lässt sich nicht erweichen. Trotzdem ist er noch kein Übermensch – er kündigt ihn nur an.

Nachwirkung

Nietzsches Lehre vom Übermenschen wurde von den Nationalsozialisten im Sinne ihrer eigenen rassistischen Weltanschauung interpretiert und vereinnahmt – ein Prozess, den Nietzsches antisemitisch gesinnte Schwester noch gefördert hatte. Doch darf man dies nicht dem Philosophen selbst anlasten. Er hatte rassische und völkische Ideen stets abgelehnt

Der Gedanke des Willens als Lebensprinzip sollte überdies um die Jahrhundertwende in der Lebensphilosophie Henri Bergsons eine versöhnlichere Ausgestaltung erfahren. Und auch die Existenzphilosophie und die Psychoanalyse sind von Nietzsche inspiriert.

Übrigens ...

Immer wieder wurde fortschreitende Paralyse aufgrund einer Syphilis als Ursache für Nietzsches Zusammenbrüche vermutet. Letztlich bleiben jedoch sowohl diese Diagnose als auch die vermutete Ursache der Krankheit umstritten.

Werke (Auswahl)

Hörspiele

Sekundärliteratur

  • Abel, Günter: Nietzsche. Die Dynamik, der Willen zur Macht und die ewige Wiederkehr. Berlin, de Gruyter 1998, ISBN: 978-3110151916
  • Benders, Raymond J. / Oettermann, Stephan u.a.: Friedrich Nietzsche. Chronik in Bildern und Texten. München, dtv 2000, ISBN: 978-3423307710
  • Deleuze, Gilles: Nietzsche und die Philosophie. Aus dem Französischen von Bernd Schwibs. Hamburg, Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2007, ISBN: 978-3434460701
  • Figal, Günter: Nietzsche. Eine philosophische Einführung. Ditzingen, Reclam 1999. ISBN: 978-3150097526
  • Frenzel, Ivo: Friedrich Nietzsche. Reinbek, Rowohlt 2000, ISBN: 978-3499506345
  • Köster, Peter: Kontroversen um Nietzsche. Untersuchungen zur theologischen Rezeption. Zürich, TVZ Theologischer Verlag 2003, ISBN: 978-3290172770
  • Ottmann, Henning (Hrsg.): Nietzsche-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart, Metzler 2000, ISBN: 978-3476013309
  • Ross, Werner: Der ängstliche Adler. Friedrich Nietzsches Leben. München 1990, Kastell Verlag, ISBN: 978-3924592240
  • Safranski, Rüdiger: Nietzsche. Biographie seines Denkens. München, Carl Hanser Verlag 2000, ISBN: 978-3446199385
  • Schlaffer, Heinz: Das entfesselte Wort. Nietzsches Stil und seine Folgen. München, Carl Hanser Verlag 2007, ISBN: 978-3446209466

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