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Psychologischer Roman

Der psychologische Roman schildert hauptsächlich psychische Vorgänge im Innern einer Person, weniger äußere Ereignisse und Handlungen. Ihre Blütezeit erlebte diese Romangattung im 19. Jahrhundert.

Definition

Der psychologische Roman ist ein Romantyp, in dem in erster Linie psychische Vorgänge im Innern einer Person, weniger äußere Ereignisse im Zentrum der Darstellung stehen. Die Grenzen zu anderen Romantypen, insbesondere zum Bildungs-? und Entwicklungsroman, sind fließend. Der Hauptunterschied zwischen diesen Romantypen besteht jedoch darin, dass der psychologische Roman zumeist kürzere Phasen in der Entwicklung einer Persönlichkeit schildert. Besonders beliebt ist die Darstellung von psychischen Ausnahmesituationen.

Entstehung und Entwicklung

Die Entstehungszeit des psychologischen Romans ist umstritten. Es gibt Literaturwissenschaftler, die bereits in Vergils? „Aeneis“ (29-19 v. Chr) Vorstufen einer psychologischen Gestaltung der Figuren erkennen. Spiegelungen psychischer Vorgänge enthalten vereinzelt auch schon H. J. C. von Grimmelshausens „Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch“ (1669) und Gottfried von Straßburgs? „Tristan“ (1210?).

„Anton Reiser“ (1785)

Die Entwicklung des psychologischen Romans im eigentlichen Sinne beginnt im Gefolge des neuzeitlichen Individualismus, Sensualismus und Subjektivismus. In dieser Zeit wurde die Erforschung von Seelenzuständen nicht nur für Mediziner zunehmend interessant, sondern auch für Schriftsteller. Als frühe Zeugnisse des psychologischen Romans gelten J. J. Rousseaus? „Nouvelle Heloïse“ (1761) und K. Ph. Moritz’ „Anton Reiser“ (1785), dessen Untertitel „Ein psychologischer Roman“ lautete. Eng an die eigene Biographie angelehnt, beschreibt Moritz die Entwicklung eines Jungen aus ärmlichem Milieu und seinen Kampf um gesellschaftliche Anerkennung. Viele Zeitgenossen waren von der unverblümten Darstellung psychischer Deformationen schockiert.

„Ein Held unserer Zeit“ (1840)

Seine Blütezeit erlebte der psychologische Roman im 19. Jahrhundert – also im Zeitalter des Realismus und Naturalismus. Zu den Hauptvertretern zählen vor allem russische, englische und französische Schriftsteller, deren Werke? heute zur Weltliteratur? gehören. Ihre Absicht war es, kritische Seelenanalysen zu liefern, die der inneren Wirklichkeit der Menschen gerecht werden sollten. Zu nennen sind hier vor allem Stendhals? „Rot und Schwarz“ (1830), W. M. Thackerays? „Jahrmarkt der Eitelkeiten“ (1847/48) und M. J. Lermontows? „Ein Held unserer Zeit“ (1840).

„Die Brüder Karamasow“ (1881)

Als Meister des psychologischen Romans gilt F. Dostojewskij?, der mit scharfem und nüchternem Blick seelische Vorgänge seziert. Sein Interesse richtet sich dabei vor allem auf die psychischen Abgründe und seelischen Krankheitskomplexe der Menschen. Seine berühmtesten Romane sind „Schuld und Sühne“ (1866), „Die Dämonen“ (1873) und „Die Brüder Karamasow“ (1881). Darin greift Dostojewskij? jedoch schon weit über den Bereich des Psychischen hinaus und schildert komplexe Probleme der Theologie und Philosophie. In Dostojewskijs? Romanen wird der einzelne Mensch zum Abenteuer.

Wichtige deutsche Vertreter des psychologischen Romans in dieser Zeit waren: O. Ludwig, F. Spielhagen? und C. F. Meyer. Eine Sonderstellung nahm Th. Fontane ein, dessen analytische Erzählweise zugleich dem Individuum und der Gesellschaft galt.

„Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“ (1906)

Um die Jahrhundertwende nahm der Einfluss von Sigmund Freud auf die Literatur immer mehr zu. In Freuds Gefolge galt das Interesse vieler Schriftsteller der Darstellung und Analyse von Träumen, Neurosen und Zwangsvorstellungen. Zu den literarischen Höhepunkten dieser Phase zählen unter anderem A. Schnitzlers? „Leutnant Gustl“ (1901), Robert Musils „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“ (1906) und R. M. Rilkes „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“ (1910). Das Ziel dieser Autoren war es, die menschliche Seele in ihrer Komplexität und Abgründigkeit darzustellen. Aufgrund ihrer modernen Sprache sind diese Bücher auch heute noch sehr lesenswert.

Kafkas Ausnahmestellung

Strittig ist in der Literaturwissenschaft die Frage, ob die Werke Franz Kafkas als psychologische Romane bezeichnet werden können. Viele Literaturwissenschaftler? sind jedoch der Meinung, dass Kafka mit seinen Romanen und Erzählungen die Grenzen des psychologischen Romans endgültig gesprengt hat. Kafkas Besonderheit liegt darin begründet, dass er die psychologischen Probleme ins Surrealistische und Existentielle gesteigert hat.

Nach dem Ersten Weltkrieg nahm die Bedeutung des psychologischen Romans rapide ab. Diese Entwicklung hat sich bis in die Gegenwart fortgesetzt.

Literatur

  • Dostojewskij, Fjodor: Die Dämonen. München, dtv 1999, ISBN: 978-3423124089
  • Kafka, Franz: Der Prozess. Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag 2005, ISBN: 978-3518456699
  • Schnitzler, Arthur: Leutnant Gustl. Ditzingen, Reclam Verlag 2002, ISBN: 978-3150181560

Sekundärliteratur

  • Bauer, Matthias: Romantheorie. Stuttgart, Metzler Verlag 1997, ISBN: 978-3476103055
  • Bode, Christoph: Der Roman. Eine Einführung. Stuttgart, UTB 2005, ISBN: 978-3825225803
  • Steinecke, Hartmut: Romantheorie: Texte vom Barock bis zur Gegenwart. Ditzingen, Reclam Verlag 1999, ISBN: 978-3150180259

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