Das landläufige Vorurteil, Kunst sei eine Schnapsidee, unterlaufen Klaus Krumscheid und A.J. Weigoni augenzwinkernd mit dem Verweis auf Heinz Schenks Motto des Blauen Bocks: „Ich lade gern mir Gäste ein!“

Obwohl unter den Zeltschrägen eines gemeinsamen Umschlages, bilden Klaus Krumscheid, Andreas Noga, Charlotte Kons, Joachim Paul, Stephanie Neuhaus, Birgit Jensen, Francisca Ricinski, Almuth Hickl, Swantje Lichtenstein, Dietmar Pokoyski, Enno Stahl, Jesko Hagen, Haimo Hieronymus, A.J. Weigoni, Denise Steger, Peggy Neidel, Katja Butt, Heidrun Grote, Jürgen Diehl, Bernhard Hofer, Peter Meilchen, Holger Benkel, Theo Breuer, Thomas Suder und Stan Lafleur keine Gruppe. Es gibt keinen gemeinsamen arspoeticagleichen Ansatzpunkt als den, Kunst anders einzuordnen, um schließlich eine Art kritischer Mutation hervorzuzaubern. Eben durch die Unterschiedlichkeit ihrer Arbeiten, durch die Unvereinbarkeit der gezielten Darlegungen und dank dieser Inkompatibilität wird in diesem Projekt die gegenwärtige Lage der Kultur deutlich.

Eines scheint klar, zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist Kunst der Inbegriff des Fragmentarismus, der unsere Zeit ansteckt, dadurch charakterisiert und die typisch fin-de-siècle-belastete Verwirrung und Fassungslosigkeit der Methoden, der existentiellen Werkzeuge hinter sich läßt. Diese Artisten wagen, jeder auf seine Art und Weise, eine Berufung der Methode einzulegen, indem sie eine Berufung der Rhetorik heraufbeschwören. Die alten Fragen der Kultur bleiben erhalten, wie die nach dem Geschlechterverhältnis oder dem schäbigen Rest des Unerklärlichen, das sich der menschlichen Erkenntnis entzieht.

Die Verflechtungen von Poesie, Kunsttheorie, persönlicher Biographie und politischen Ereignissen, von Querverweisen zwischen Literatur und Kunst und von Bezugslinien zwischen Vergangenheit, Gegenwart und schließlich sogar der Zukunft machen diese Kompilation zu einer komplexen Lektüre. Die Kunst eröffnet eine Dimension, die für die Gesellschaft völlig unverzichtbar ist. Über Verfremdungen drückt Kunst die Befindlichkeiten, Wünsche, Hoffnungen und Befürchtungen der Menschen in Zeiten tiefgreifender Veränderungen aus.

Andrea Fraser, Künstlerin und Professorin in Los Angeles, veranschaulicht, womit die Topsammler der Welt ihr Geld verdienen (Industrie, Luxusgüter, Hedgefonds, Private Equity) und mit welchen Tricks sie es vermehren (Insiderhandel, Steuerhinterziehung, Bestechung). Wie Frasers Analyse zeigt, "arbeiten viele unserer Mäzene aktiv daran, das politische und finanzielle System zu erhalten, das ihren Reichtum – und die Ungleichheit – bewahrt und noch über viele Jahrzehnte wachsen lassen wird". Künstler, Kuratoren, Museumsleiter und andere Nutzniesser dieses Systems machten sich also mitschuldig, auch wenn sie vordergründig kritische Reden schwängen. "Trotz der radikalen politischen Rhetorik, an der in der Kunstwelt kein Mangel herrscht, herrschen Zensur und Selbstzensur vor, wenn es darauf ankommt, ihre wirtschaftlichen Bedingungen zu hinterfragen." Frasers Forderung an die Protagonisten des Betriebssystems Kunst, "ihr kulturelles Kapital aus diesem Markt zurückzuziehen", ist ehrenwert. Ihr Vorschlag, eine neue Autonomie der Kunst durch "vollständig institutionalisierte Strukturen" zu etablieren, die imstande sind (nicht nur) das kulturelle Kapital zu produzieren und angemessen zu verteilen, erscheint jedoch mehr als illusorisch.

"Es gibt Kunst und Galeriekunst." (Ed Kienholz)

Auf dem Hochseil des Kunstzirkus ist nicht viel Platz. Event-Ausstellungen und trendige Messen mit immer jüngeren Künstlerstars geben weltweit den Ton an. Da müssen sich selbst staatlich geförderte Museen etwas einfallen lassen, um ihre nicht immer taufrischen Sammlungen aufmerksamkeitswirksam zu präsentieren.

Während die Frage: "Was will uns der Maler sagen?", längst verpönt ist, wird die Frage: "Was wollen die Bilder?" durch den Fragenden geadelt, daß den ausgestellten Bildern ein bestimmtes Wollen eingeschrieben sein kann. Bilder stellen ‘Lebensformen’ dar, die unerbittlich durch Begierden, Sehnsüchte angetrieben werden - dies geht oftmals einher mit einer Negierung des Künstlers.

Was die Artisten dieser Reihe verbindet, ist der Rhein. Alles im Fluß, in Fluß. Das Fachidiotentum ist perdü, das Labor dokumentiert die Durchlässigkeit zwischen den Kunstgattungen. Diese Artisten interessieren sich für eine Kunst, die nicht illustriert, sondern anders politisch relevant ist. Klaus Krumscheid, Andreas Noga, Charlotte Kons, Joachim Paul, Stephanie Neuhaus, Birgit Jensen, Francisca Ricinski, Almuth Hickl, Swantje Lichtenstein, Dietmar Pokoyski, Enno Stahl, Jesko Hagen, Haimo Hieronymus, A.J. Weigoni, Denise Steger, Peggy Neidel, Katja Butt, Heidrun Grote, Jürgen Diehl, Bernhard Hofer, Peter Meilchen, Holger Benkel, Theo Breuer, Thomas Suder und Stan Lafleur pflegen die Kunst des Unmöglichen. Es sind Künstler, die sich für Lebensentwürfe und das Zusammenleben interessieren und nicht für standardisierte Wege. Diese Art zu arbeiten, befreit diese Artisten von der Massenidentität, die gerade in der globalisierten Gesellschaft entsteht. Diese Künstler machen keine Kunst, um Antihelden einer Subkultur zu sein, sondern vor allem, um die Sinngebung durch Kunst zu retten, um unter der Arbeit zu zeigen, was es bedeutet, als selbstbestimmte Individuen zu überleben.

Matthias Hagedorn

»Rheintor, Linz - Anno Domini 2011«, Edition Das Labor 2011

Limitierte und handsignierte Auflage von 100 Exemplaren Exemplar 1 - 50 liegt ein Holzschnitt von Haimo Hieronymus bei.

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