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Säkularisierung versus Resakralisierung

Zu Beginn der 21. Jahrhunderts gibt es einen Trend zur Resakralisierung der Kunst. Nicht nur in der Literatur, aber da prominent. Dass darin die Angst vor der Profanisierung wohnt, ist der einfache Schluss daraus. Erschreckend ist in diesem Zusammenhang nicht nur, wie viele deutschsprachige Autoren den gefälligen Neorealismus pflegen, sondern vor allem, dass die Verlage? nichts anderes mehr drucken? wollen.

Die Retro-Künstler arbeiten mit einer arglosen Geläufigkeit, als ginge es darum, die Welt so abzubilden, wie sie ist. Schriftsteller aber sollten wissen, dass die beschriebene Welt immer auch die angeschaute Welt ist, und ihre Welt-Anschauung ist abhängig von einem tückischen Instrument: der Sprache. Weil dieses Werkzeug von Wissenden wie von Unwissenden tagaus, tagein benutzt und auch missbraucht wird. Der Neorealismus gibt sich mit dem Mitteilungscharakter der Sprache völlig zufrieden. Unerschrocken teilt er uns mit, wie die Helden sich fühlen, welche Klamotten sie tragen und wie der Küchentisch aussieht, an dem sie ihr Bier trinken. Auch der Seelenschmerz, den sie darin ertränken, wird meist ausführlich ausgebreitet. Die Beschreibungsliteratur? ist daher so beliebt, weil sie schildert, was wir alle sehen, und erzählt, was wir alle erleben. Die großen Realisten aber wussten, dass sie die Realität, die sie abzuschildern schienen, nach ihrem eigenen Bild? geformt hatten, und sie wussten, dass ein simples Wort nie nur ein simples Wort ist, sondern einen Nachhall erzeugt, in dem alles mitschwingt, das Ensemble der Wörter drumherum und vor allem auch der Bedeutungsraum?, den die Literatur und ihre Überlieferung? immerzu verändert. Ihr Geist zwingt sie, alle Dinge, die in einem Gespräch vorkommen, in einer unheimlichen Nähe zu sehen.

Ob Buch oder Bau, Malerei oder Musik – die Menge dessen, was unsere Kultur täglich an Kunst ausstößt, ist unermesslich. Das meiste wird schnell ausgeschieden, manches macht seinen Weg, weniges wird zum Klassiker. Dies durchaus nicht aus Zufall – langwierige Erfindungs– und Entdeckungsprozesse stecken dahinter.

Die Kunstgeschichte hätte viel zu tun, wollte sie sich mit allem beschäftigen, was den Anspruch erhebt, Kunst zu sein. Tatsächlich ist sie in ihrer Wahrnehmung der Kunst höchst selektiv. Sie beschäftigt sich nur mit der kleinen Auswahl bedeutender Kunst. Bedeutend wird Kunst durch ihre ästhetische Qualität. Ist ästhetische Qualität aber nicht wesentlich subjektiv, nämlich eine Frage des Geschmacks? Wie kann eine ästhetische Auswahl denn Verbindlichkeit beanspruchen?

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