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Santa Cruz

von<br> Max Frisch

Es ist kalt geworden. Schon seit Tagen fällt ungewöhnlich viel Schnee in dem kleinen Ort - so viel, dass man Angst haben muss, eingeschneit zu werden. Trotz der Widrigkeiten kommt ein Vagabund dorthin. Er ist todsterbenskrank, doch will er noch einmal seine frühere Geliebte besuchen, um Abschied zu nehmen.

Der 1991 verstorbene Max Frisch lässt in einem seiner ersten Bühnenstücke? „Santa Cruz“ die Natur immer wieder als Metapher auftreten. Sei es das Meer, die Wolken oder eben der Schnee – jedes dieser Phänomene spiegelt die Sehnsüchte, aber auch die Ängste der Figuren wider. Es ist nur eines von vielen Kunststücken in dem Drama, die ahnen lassen, wie wichtig der Schweizer Autor noch für den späteren Literaturbetrieb? werden soll.

Im Jahr 1946 feiert „Santa Cruz“ im Schauspielhaus in Zürich Premiere?. Als Form für sein Stück wählt Frisch die Romanze. So finden sich wie für die Gattung üblich mehrere phantastische Merkmale darin, die in der Art eines Traumspiels ihren Ausdruck finden. In fünf Akte plus Vorspiel unterteilt wird die Geschichte einer Dreiecksbeziehung erzählt, wobei „das Stück in sieben Tagen und in siebzehn Jahren“ spielt. Es wird demnach je nach Akt? zwischen traumhafter Vergangenheit und realer Gegenwart gewechselt.

Gleich zu Beginn der ersten Seiten konzentriert sich das Geschehen auf den Vaganten Pelegrin. In einer Pinte erzählt der Unbekannte den Wirtsgästen von seinen Abenteuern auf dem Meer und von fernen Ländern wie Kuba oder Marokko. Der Zuschauer merkt sofort, hier tritt ihnen ein Mann entgegen, der sich „das bisschen Flügel, das der Mensch schon hat“, nicht abschneiden lassen will - sei es durch die Ehe oder Kinder.

Dessen ungeachtet möchte er noch einmal die Liebe erfahren und jene Frau treffen, für die er beinahe seine Freiheit aufgegeben hätte: Elvira. Elvira hatte damals die Wahl zwischen Pelegrin und dem Rittmeister. Sie entschied sich für Letzteren und damit für ein bürgerliches Dasein. Mit diesem „Mann der Ordnung“ bewohnt sie mit ihrer gemeinsamen Tochter ein Schloss, welches symbolhaft für ihr gutsituiertes, adliges Leben steht. So lebt die kleine Familie denn auch glücklich und zufrieden, bis Pelegrin in ihre Leben tritt.

Plötzlich scheint nichts mehr wie zuvor. Der Rittmeister ist fasziniert von dem vielgereisten Fremdling und beginnt, über sich selbst nachzudenken. Er will „noch einmal die Weite alles Möglichen“ sehen und fragt sich, was er wohl durch dieses bürgerliche Leben verpasst hat: „… was suchen wir denn anderes als Ihn, der unser anderes, vielleicht unser wirklicheres Leben führt, das Leben, das ich heute selber führen würde, hätte ich damals das fremde Schiff bestiegen“ – ein Satz, wie ihn wohl nur ein Sprachgenie wie Max Frisch hätte zu Papier bringen können.

Schon in „Santa Cruz“ entwickelt Frisch das Thema, das ihn zeitlebens beschäftigen sollte: Die Spannung zweier entgegengesetzter Lebensarten und ihrer Unvereinbarkeit, verkörpert in den Figuren Pelegrin und dem Rittmeister. Zu ihrer Beschreibung bedient sich Frisch archetypischen Bildern, wie auf der einen Seite dem Schloss, der Ehe, dem Kind, die für Ordnung und Bindung stehen. Auf der anderen Seite liegen paradiesische Orte wie Santa Cruz, mit denen Freiheit und Weite assoziiert wird. Wie später in den bekannten Romanen Stiller und Homo Faber geht es um das Problem der eigenen Identität. Der Held wird sich seiner eignen Begrenztheit bewusst und versucht sich davon zu befreien.

Beim Lesen des Stückes wird man sofort in den typisch Frisch‘schen Bann gezogen, der von der poetischen Sprache ausgeht und bei den Sehnsüchten der Figuren endet, die wohl jeder einmal empfunden hat.

Zwar noch nicht so ausdrucksstark wie seine bekannteren Dramen „Andorra“ oder „Biedermann und die Brandstifter“, zeigt sich doch schon in „Santa Cruz“ die Begabung des für die Nachkriegszeit so bedeutenden Autors, auf der Bühne „ein Modell für die Wirklichkeit“ (Hellmuth Karasek) zu entwickeln.

In der Edition Suhrkamp? 1966 unter dem Titel „Frühe Stücke“ erschienen, erhält der Leser neben „Santa Cruz“ noch das Kriegsdrama „Nun singen sie wieder“, 1945 geschrieben.

Autor: Moritz Aisslinger

Literaturangaben

  • Frisch, Max: Frühe Stücke: Santa Cruz. Nun singen sie wieder. Suhrkamp Verlag, Berlin 1966, ISBN: 978-3518101544

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