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Soulless

von<br> Gail Carriger

Die schlechte Nachricht zuerst: Eines der wohl originellsten Fantasy-Bücher? der letzten Jahre ist noch nicht auf Deutsch erschienen. Trost bietet aber die Lektüre der englischsprachigen Originalausgabe von „Soulless“. Der Roman von Gail Carriger?, Auftakt einer Reihe, von der bereits zwei Fortsetzungen veröffentlicht wurden und weitere geplant sind, kam 2009 bei Orbit Books? heraus.

Bereits beim Anblick des Bucheinbandes bekommt man einen Vorgeschmack auf die düstere Atmosphäre im nebligen London des 19. Jahrhunderts. So wird hier die typisch viktorianisch gekleidete Heldin dargestellt, wie sie sich, nur mit einem Schirm „bewaffnet“, ihren Weg durch die Gefahren der englischen Hauptstadt bahnt.

In dieser in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Geschichte trifft man auf allerhand kuriose Charaktere. Da wären beispielsweise die beste Freundin der Protagonistin, die eine Vorliebe für geschmacklose Hüte hat, oder ein exzentrischer Vampir, der von seiner Schar junger Dandys über alles, was sich in der Londoner Gesellschaft zuträgt, auf dem Laufenden gehalten wird.

Die Heldin selbst, eine ledige 26-Jährige, die damit nach damaligem Empfinden als „alte Jungfer“ abgestempelte Alexia Tarabotti, hat nicht nur das aufbrausende Temperament ihres verstorbenen italienischen Vaters geerbt, sondern verdankt ihm auch eine ganz besondere Eigenschaft: Sie wurde seelenlos geboren. Dank dieses Umstandes ist sie fähig, alle übernatürlichen Erscheinungen zu „neutralisieren“. Vampire fahren bei ihrer Berührung die Fangzähne ein und selbst bei Vollmond nimmt unter ihrer Hand jeder noch so blutrünstige Werwolf wieder seine menschliche Gestalt an.

Diese Fähigkeit rettet ihr so manches Mal das Leben, wird sie doch in abenteuerliche und gefährliche Ereignisse gezogen, nachdem sie bei einem Ball versehentlich einen angreifenden Vampir mit ihrem Sonnenschirm tötet. Es kommt zum mysteriösen Verschwinden mehrerer Vampire und Werwölfe und auch sie selbst entgeht nur knapp einer Entführung. Zudem hat sie mit ihren wechselhaften Gefühlen für den Werwolf-Alpha Lord Maccon zu kämpfen. Doch bei all der Aufregung findet Alexia stets Zeit, um gutes Essen und eine schöne Tasse Tee zu genießen.

In einem kurzen, dem Roman angefügten Interview nennt die Autorin u.a. Jane Austen als wichtigen Einfluss. Auf den ersten Blick ein befremdlicher Gedanke, da hier Vampire und Werwölfe, die Teil des öffentlichen Lebens sind und von fast allen Normalsterblichen in der Gesellschaft akzeptiert werden, sowie eine Art Behörde für Übernatürliches die Handlung bestimmen.

Doch die Darstellung der Gesellschaft Englands im 19. Jahrhundert sowie einige Charaktere erinnern doch in mancher Hinsicht stark an die Themen Jane Austens: Seien es Alexias zur Hysterie neigende Mutter und die oberflächlichen Stiefschwestern, deren Leben sich um Bälle und andere gesellschaftliche Anlässe dreht und deren ganzer Ehrgeiz auf eine vorteilhafte Vermählung gerichtet ist, oder die allgemeinen gesellschaftlichen Konventionen dieser Zeit.

Doch hier kommt es zu einem reizvollen Widerspruch: Spiegelt das Buch zwar die Wertvorstellungen und gesellschaftlichen Normen des 19. Jahrhunderts wider, beschreibt es das Anstandsempfinden und die Förmlichkeiten dieser Epoche doch in einem ironischen Ton. Die Handlung wird mit einem Augenzwinkern und mit den Werten von heute erzählt. So mögen zwar die Streitereien der eigentlich füreinander bestimmten Helden Alexia und Lord Maccon an die anfängliche Abneigung von Jane Austens Elizabeth und Mr. Darcy aus „Stolz und Vorurteil“ erinnern, doch trägt die Heldin hier nach leidenschaftlichen Aufeinandertreffen mit dem geliebten Werwolf Bisswunden am Hals davon. Ausbrüche der temperamentvollen Liebenden, die bei Austen natürlich undenkbar gewesen wären.

Zwar ist „Soulless“ ein sehr eigener Roman und trifft sicher nicht den Geschmack jedes Lesers, doch wer sich in die fantasievolle Parallelwelt einer vergangenen Epoche mit all ihrer Eleganz, ihren abenteuerlichen Erfindungen und den Schattenseiten des Übernatürlichen entführen lassen will, wird dieses Buch nicht mehr zur Seite legen können.

Für Leser mit Interesse an englischer Literatur- und Kulturgeschichte bietet dieses Buch eine humor- und fantasievolle Alternative zu den Klassikern. Denn auch im fiktiven viktorianischen London der Vampire und Werwölfe hat die Königin ihr Zepter fest in der Hand. So erhält hier Queen Victoria auch persönlich ihren Auftritt und natürlich werden die Anweisungen Ihrer Majestät befolgt.

Um in den Genuss dieses kurzweiligen Lesevergnügens zu kommen, sind vorerst solide Kenntnisse des Englischen und ein gutes Wörterbuch? von Nöten. Es bleibt zu hoffen, dass der Roman bald auch in einer deutschen Übersetzung erhältlich sein wird und dass die Fortsetzungen an den gelungenen ersten Teil der Serie anknüpfen können.

Autorin: Simone Schwark

Literaturangaben

  • Carriger, Gail: Soulless. Roman. Verlag Orbit, London 2009. 384 S., 5,50 €, ISBN: 978-0316056632

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