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Troller, Georg Stefan

ein österreichischer Schriftsteller, der in Frankreich lebt; auch Fernsehjournalist, Drehbuchautor?, Regisseur und Dokumentarfilmer

Leben und Schreiben

Georg Stefan Troller wurde am 10. Dezember 1921 als zweiter Sohn eines jüdischen Pelzhändlers aus Brünn in Wien geboren. Die Familie betrieb im 1. Wiener Gemeindebezirk ein Geschäft. Nach dem Abgang von einem humanistischen Gymnasium lernte er im 7. Wiener Gemeindebezirk in einem unterirdischen Gewölbe bei einem Buchbindermeister namens Panek dessen Handwerk. Troller flickte ausgeleierte Schulbücher und fühlte sich als Absteiger. Den Beruf des Buchbinders musste er lernen, weil man als Jude kurz vor 1938 und dem Anschluss Österreichs etwas Praktisches lernte, was man als Flüchtling vor den Nazis gebrauchen konnte. "Umschulung" nannte man das damals. Der Beruf machte ihm aber Spaß und er entdeckte vor allem an der Kunstbuchbinderei Gefallen und seine Liebe zum Buch, die ihn sein Leben lang begleitete. In hohem Alter, nach seiner Pensionierung als Filmemacher, dachte er sogar wieder daran, zur Buchbinderei? zurückzukehren.

Sechs Monate lernte er bei Meister Panek, dann kam im November 1938 die Reichspogromnacht, in der sich Troller verkroch. Wenige Tage später flüchtete er mit einem Köfferchen illegal über die tschechische Grenze. Damals war er 16 Jahre alt. In Brünn verdingte er sich bei einem tschechischen Buchbinder und lernte von ihm das Marmorieren. Weil 1939 die deutsche Wehrmacht in die Tschechoslowakei einmarschierte, konnte er auch in Brünn nicht bleiben und floh auf Umwegen nach Frankreich, wo er nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges als "feindlicher" Ausländer erst einmal interniert wurde.

1940 marschierte die Wehrmacht zum dritten Mal in ein Land ein, in dem sich Troller sicher fühlte. Da es in Frankreich noch keinen Judenstern gab, blieb er zunächst und schrieb sich in einen Buchbinderkurs? einer graphischen Lehranstalt in der Rue Madame am linken Ufer der Seine in Paris ein. Ein Jahr später erhielt er ein Visum für die USA und emigrierte von Marseille aus, während seine Eltern über Portugal dorthin fliehen konnten. Noch 1941 erhielt er in Downtown New York? seinen ersten Job in Amerika - bei einem Buchbinder. Aber schon bald stand er wieder als arbeitsloser Immigrant auf der Straße. Schließlich arbeitete er als Buchbinder bei der Firma Braunstein & Co., wo Bücher maschinell gebunden wurden. Während dieser Zeit eignete er sich seine anglophone Bildung an.

1943 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen und war am 1. Mai 1945 an der Befreiung Münchens beteiligt. Wegen seiner Deutschkenntnisse arbeitete er im Krieg als Gefangenenvernehmer für die US Army. Gleich nach Kriegsende versuchte Troller wieder in Österreich heimisch zu werden, fühlte sich dort aber fremd. Bevor er in die USA zurückkehrte, regte er beim Wiener Sender Rot-Weiß-Rot noch die Sendereihe "XY weiß alles" an. In Amerika studierte er von 1946 bis 1949 zunächst Anglistik? an der University of California und anschließend Theaterwissenschaft? an der Columbia University in New York.

Im November 1949 kehrte Troller nach Europa zurück, denn er hatte ein Fulbright-Stipendium für die Sorbonne in Paris bekommen. Neben seiner Wohnung lag am Boulevard Saint-Michel die Buchhandlung Gibert Jeune, die ein deutsches und ein englische Antiquariat hatte, was seiner Leidenschaft Bücher zu sammeln entgegenkam.

<div><a title="von JCS (Eigenes Werk) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) oder CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons" href="><img width=256" alt="Boulevard der Stars - Georg Stefan Troller" src="//upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/0/0f/Boulevard_der_Stars_-_Georg_Stefan_Troller.JPG/256px-Boulevard_der_Stars_-_Georg_Stefan_Troller.JPG"/></a></div>

Stern von Georg Stefan Troller auf dem Boulevard der Sterne in Berlin

Zu dem Studium in Paris kam Troller nicht mehr, weil in ein Angebot als Hörfunkreporter für den RIAS in Berlin erreichte, das er annahm. Ab Ende der 1950er Jahre arbeitete er als Fernsehreporter für den Südwestfunk. 1962 begann er für den WDR zu arbeiten. Dort dreht er "Pariser Journal" bis 1971 und dokumentiert das gesellschaftliche und kulturelle Leben der französischen Hauptstadt. 1971 wurde er ZDF-Sonderkorrespondent in Paris und begann dort mit der Reihe "Personenbeschreibung", die 70 Folgen umfasste und auf Interviewer wegen ihrer einfühlsamen, aber gleichzeitig kritischen Methode stilbildend wirkte. Das letzte Interview dieser Reihe führt er 2004 mit Loki Schmidt.

1976 heiratete er die Hamburgerin Kirsten Lerche in zweiter Ehe.

Bekannt ist Troller in erster Linie durch seine Arbeit für das Fernsehen, doch hat er auch Bücher und Drehbücher geschrieben. Zu seinen Vorbildern zählt er Karl Kraus?. Trollers Triebfeder war es, seine natürliche und durch Flucht und Verfolgung gesteigerte Menschenscheu zu überwinden. Neben 150 Dokumentarfilmen ("Unter Deutschen", „Amok") hat er sechs Drehbücher ("Wohin und zurück", "Gebürtig") und sechzehn Bücher geschrieben, darunter „Paris geheim" und die Autobiographie „Selbstbeschreibung".

Werke (nur literarisch, in Auswahl)

Drehbücher

  • 1973 Ein junger Mann aus dem Innviertel – Adolf Hitler. Regie: Axel Corti
  • 1978 Der junge Freud. Regie: Axel Corti
  • 1981 Wohin und zurück – An uns glaubt Gott nicht mehr. Trilogie, Regie: Axel Corti, Drehbuch zusammen mit Axel Corti
  • 1986 Wohin und zurück – Santa Fe. Regie: Axel Corti, Drehbuch zusammen mit Axel Corti. Buchausgabe: Santa Fe – Ein Drehbuch. Fernsehspiel-Bibliothek, Residenz-Verlag, Salzburg 1985
  • 1986 Wohin und zurück – Welcome in Vienna. Regie: Axel Corti, Drehbuch zusammen mit Axel Corti
  • 2002 Gebürtig. Mit Robert Schindel
  • 2009 Wohin und zurück – Die Axel-Corti-Trilogie. Buchausgabe der drei Drehbücher An uns glaubt Gott nicht mehr, Santa Fe und Welcome in Vienna.

Bücher und Hörbücher

Autobiographisches

  • Selbstbeschreibung. Hamburg 1988
  • Selbstbeschreibung. Ergänzte Neuauflage. Düsseldorf 2009

Paris, Wien und Frankreich

  • Paris, Frankreich, Wien Pariser Journal. Hamburg 1966
  • Pariser Gespräche. Bertelsmann, Gütersloh 1967
  • Pariser Geschichten. Düsseldorf 1972
  • Mein Paris. Frankfurt 1973
  • Frankreich: Schönheiten und Schätze. Frankfurt 1984
  • Mit Artur Kittlitz jr.: Unbekanntes Paris. Jenseits von Montparnasse. Ein Spaziergang durch das letzte "Pariser Dorf". Düsseldorf 2000
  • Dichter und Bohemiens. Literarische Streifzüge durch Paris. Düsseldorf 2003
  • Das fidele Grab an der Donau. Mein Wien 1918 - 1938. Düsseldorf 2004. Auch als von Troller gesprochene Audio-CD: Frechen 2006
  • Paris geheim. Düsseldorf 2008
  • Pariser Geschichten. Hörbuch, Patmos Audio, Düsseldorf 2009
  • Pariser Esprit. Köln 2010

Begegnungen und Personenbescheibungen

  • Mit Robert Lebeck: Der Abenteurer. Das kurze, wilde Leben des Jack London. Gütersloh 1968
  • Personenbeschreibung: Tagebuch mit Menschen. Hamburg 1990
  • Ihr Unvergesslichen. 22 starke Begegnungen. Düsseldorf 2006
  • Lebensgeschichten. Die Stars, Die Heiligen, Die Poeten, Die Sünder, Die Autoren, Die Künstler. Düsseldorf 2007

Erzählung

  • Vogelzug zu anderen Planeten: Der kleine Prinz und sein Fuchs treffen Pinocchio, Max und Moritz, Lolita und weitere. Düsseldorf 2011

Auszeichnungen (nur literarische)

Übrigens ...

Wie Troller sehr subjektiv und direkt Prominente befragt hat, wurde für viele Journalisten?, Dokumentarfilmer und Talkshow-Moderatoren Vorbild.

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