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Angéla - Lehrjahre einer Liebeshungrigen. Ein erotisch-historischer Schelminnenroman

von<br> Stefan Gärtner

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Für die einen garantiert Angela Merkel Wohlstand und Sicherheit in Deutschland, für die anderen tut sie dies allein für die Konzerne und zulasten des Wohlergehens der Nichtreichen und des Rests der Welt. Stefan Gärtner?, einer der scharfsinnigsten Politikautoren (Titanic, Konkret, The European u.a.) des Landes gehört zu letzteren. Wie aber packt man politische Kritik (hier u.a. an der Entpolitisierung der Republik) in unterhaltsame belletristische? Form? Und wie hält man sich in seiner Überzeugung bedeckt, so dass diese sich dennoch als zwingende Schlussfolgerung aus dem Geschriebenen ergibt?

Gärtner hat sich für einen Roman im Stil einer Art Parabel, eines ausgedehnten Kunstmärchens?, entschieden. Angéla wächst im 18. Jahrhundert als Adelskind im Land „Transelbien“ auf, jedoch in bescheidenem Wohlstand. Denn König Eric setzt auf Verteilungsgerechtigkeit in einem Wirtschaftssystem, das fehlender Leistungsanreize wegen wenig zu verteilen hat. Angéla ist intelligent, aber vermag mangels Interessen und Haltung zu den Dingen, die sie umgeben, wenig damit anzufangen.

So fristet sie ein traumdösiges Dasein; Freude hat sie nur, wenn sie an sich herumspielt oder etwas veranlassen kann, um zu sehen, was infolgedessen passiert. Ihr trotteliger, des Englischen nicht mächtiger, Lehrer bringt ihr Englisch bei, indem er sie den frivolen Roman „Die Memoiren der Fanny Hill“ vorlesen? lässt. Des Titels wegen glaubt er, es handle sich um eine Komödie.

Mit dem Wissen des Romans ausgestattet, lässt Angéla die Männer fortan nach ihrer Pfeife tanzen. Aus finanziellen Erwägungen wird sie mit einem Grafen verheiratet. Als der dicke König Elmút, Herrscher des feudalen Reichs im Westen, Transelbien annektiert und der Grafengatte einen seinem Adel angemessenen Posten anstrebt, ist es Angéla, die Hofdame werden möchte, aber zur „Ministerin für eine freundliche Umwelt“ ernannt wird. Als solche reüssiert sie z.B. bei der ordnungsgemäßen Entleerung von Nachttöpfen. Das Lust- und Ränkespiel auf Elmúts Hof verinnerlicht sie so gut, dass ihre Karriere längst noch nicht zuende ist.

Stefan Gärtner greift in seinem „erotisch-historischen Schelminnenroman“ konsequent zur Waffe der Feder. Damit kitzelt er akribisch und psychologisch kenntnisreich mehr aus Angéla, als vermutlich in ihrem Vorbild vorgeht, während sich die große Metapher, um die sein Roman gebaut ist, kaum merklich um alles legt. Sind Gärtners politische Aufsätze oft manieristisch, bedient er sich hier einer Sprache so rund und flüssig wie der edelste Wein am Hofe Ludwigs XIV: „Also vermied Angéla klare Festlegungen und hielt sich an die Überlegung, dass, wer an der Kreuzung einfach stehen blieb, nicht Gefahr lief, den falschen Weg zu nehmen … und dass, aufs Leben gerechnet, jedes Zögern die Gesamtzahl der Entscheidungen verkleinerte“.

Zwischendurch blitzt immer wieder wohldosierter Sprachwitz auf („so dachte es in ihr“), und der gebildete Leser wird mit großem Vergnügen die Figuren dem politischen Personal nach 1989 zuordnen können. Viele Analogien? funktionieren prima im frankophilen 18. Jahrhundert (z.B. die Produktion von Qualitätskutschen); und wo das schwierig wird, kompensiert Gärtners traumwandlerische Souveränität im Erzählen und dem Umgang mit Geschichte und Sprache auch die mittelgute Dramaturgie?. Dazu gibt es feine Zusammenfassungen am Anfang der Kapitel. Insgesamt ein gehaltvolles Sahnestück Literatur, bei dem allein die Frage offen bleibt, warum es dem Knaus Verlag keinen festen Einband? wert war.

Autor: Michael Höfler

Literaturangaben

  • Gärtner, Stefan: Angéla ― Lehrjahre einer Liebeshungrigen. Ein erotisch-historischer Schelminnenroman. Albrecht Knaus Verlag, München 2013, ISBN: 978-3813505528, 224 S., 14,99 €

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