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Bibliotheksgeschichte der Neuzeit bis 1800

Siehe auch Bibliotheksgeschichte der Antike und Bibliotheksgeschichte des Mittelalters

Nach dem Mittealter folgten mit der Neuzeit gewaltige Umbrüche. Von 1500 bis 1800 kamen Humanismus, Renaissance, Reformation, Gegenformation, Barock und Rokoko. Humanismus und Reformation sind die geistig-kulturellen Linien, die das 16. Jahrhundert wesentlich prägen. Als Weltanschauungen sind sie schwer vereinbar, als literarische Strömungen schon eher.

Geistige und technische Rahmenbedingungen

Aus China kam über die Araber das Papier nach Spanien und Italien, wo man ab dem 12. Jahrhundert langsam zur eigenständigen Papier-Produktion überging. In Deutschland wurde die erste Papiermühle 1389 in Nürnberg errichtet. Der neue Schriftträger konnte einfacher und günstiger hergestellt werden als das Pergament?. Dann kam um 1455 noch der Buchdruck? mit beweglichen Lettern? durch Johannes Gutenberg (1400-1468) hinzu. Diese neue Technik ermöglichte es, dass immer mehr Bücher gedruckt werden konnten.

Als die Osmanen 1453 Byzanz eroberten, flohen die dortigen Gelehrten nach Italien. Auch durch sie wurde die griechische und lateinische Literatur der Antike wieder lebendig. Das war der Beginn des Humanismus?, der als literarische Strömung der Renaissance gelten kann, jener Epoche der Neuorientierung, die im 14. Jahrhundert begann und bis ins 17. Jahrhundert hineinreichte. Das Individuum geriet nun ins Zentrum der Aufmerksamkeit. In Westeuropa nahm die Macht der Landesherren zu, im Gegensatz zur Macht des Kaisertums. Die Nationalstaaten entwickelten sich. Die Entdeckung Amerikas 1492 durch Columbus, die Umsegelung der Erde und andere Entdeckungsfahrten weckten das Interesse an exotischen Reiseerlebnissen. Eine Unzahl von Reisereportagen entstanden.

Die Reformationsbewegung, zuerst im deutschsprachigen Raum, wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts vor allem von dem Wittenberger Mönch Martin Luther? ausgelöst, es folgten in der Schweiz Ulrich Zwingli und Johann Calvin. Diese neue Idee brachte viele neue Schriften hervor. Luthers 95 Thesen erregten besonders durch ihre vielfache Verbreitung dank der Druckkunst? viel Aufsehen. Ab 1520 folgten drei reformatorische Hauptschriften, in denen er seine Theologie darlegte. Das Neue Testament übertrug Martin Luther 1521/1522 ins Deutsche, das Alte Testament folgte 1523 und 1534. Noch vor seinem Tod 1546 erlebte das Neue Testament eine Auflage von über 100.000 Exemplaren. Die Sprache von Luthers Bibel wurde zur Grundlage für die neuhochdeutsche Schriftsprache.

Auf katholischer Seite begann die Gegenreformation ca. 1540. Einen ersten Höhepunkt bildete 1545 das Konzil von Trient, das ebenfalls die Produktion vielen Schriften zur Folge hatte.

Buchdruck und auch Buchhandel? trugen sehr zum Erfolg von Humanismus und Reformation bei. Der Buchbesitz allerdings war sehr unterschiedlich verteilt. Durch den Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) verarmten die Städte, viele Bibliotheken wurden zerstört. Neu war jetzt der gezielte Raub von Büchern aus Bibliotheken. Die Fürsten hingegen wurden reicher: Sie konnten sich größere Sammlungen von Büchern für ihre Bibliotheken zulegen.

Im 17. und 18. Jahrhundert brachte die Aufklärung ein neues Selbstverständnis des Menschen als Vernunftwesen. Geistig (Säkularisierung) und politisch (Demokratisierung) wirkte sie als Emanzipationsbewegung und fand ihren Niederschlag in zahlreichen bahnbrechenden Werken, etwa von René Descartes? und Gottfried Wilhelm Leibniz?. Nun begannen auch die Bürger, Bücher zu kaufen. Die Zahl und Bedeutung der Druckerzeugnisse stieg gewaltig, Verlage entstanden und Zeitungen wurden herausgegeben.

Neue Ordnung in den Bibliotheken

Das Buch aus Papier, das nach und nach den Kodex aus Pergament? ablöste, veränderte auch den Charakter der Bibliotheken. Die alten Handschriften? wanderten in Räume, die als Archiv? bezeichnet wurden, die Bibliotheken nahmen nur noch die gedruckten Bücher auf – und deren Bestände wuchsen stetig.
Auch die Verbindung von Skriptorium? und Bibliothek wurde nach und nach aufgelöst: Die Produktion und das Sammeln von Büchern entwickelten sich zu getrennten Dingen an verschiedenen Orten.

Ab dem 16. Jahrhundert wurde die Welt des Geistes und der Natur in der Welt der Bücher abgebildet: Die Bibliothek war ein Abbild des Kosmos, wie er sich zu jener Zeit den Forschern darstellte. Rund 180.000 Schriften wurden im 16. Jahrhundert veröffentlicht. Damit drohte in der Welt der Bücher ein Chaos, das nach einem Ordnungssystem rief.

Was nützte eine Bibliothek, wenn das gesuchte Buch nicht, oder nur sehr mühsam, gefunden werden konnte? Ein konsequent geführter Bücher-Katalog? und die Signatur? der Bücher wurden notwendig. Der Nutzer einer Bibliothek musste mit Hilfe des Katalogs und der Signatur des Buches das gesuchte Buch exakt an dem Platz finden können, wo es eingestellt worden war. Gerade die Signatur eines Buches, eine Idee, die sich ab dem 15. Jahrhundert immer mehr verbreitete, machte dies möglich.

Der Name des Verfassers wurde am Anfang noch nicht berücksichtig. Erst als mit der Renaissance die Idee der Individualität aufkam, wurden die Bücher immer mehr über den Namen des Autors identifiziert. Nun entwickelte sich auch das Titelblatt?. Darauf standen der Name des Autors, der Titel, der Verleger, der Druckort und das Erscheinungsjahr. Durch den Namen des Autors wurde es möglich, die Bücher nach Alphabet einzuordnen. Vorher hatten sich die Bibliotheken an den Themen orientiert. Diese beiden Ordnungssysteme wurden nun kombiniert. Das bestimmte auch die Signatur eines Buches.

Erste Bürgerbibliotheken

Während der Bauernkriege (1524 bis 1525) wurden viele Klöster und ihre Bibliotheken zerstört oder geplündert. Das Kirchengut kam in weltlichen Besitz, die Bibliotheken der Hochstifte, Stifte, Klöster und Pfarreien fielen an die Fürsten und Städte. In den reformatorischen Landstrichen wurden die Bibliotheken der Klöster gemeinsam mit diesen aufgelöst. In den Städten gab es die Lateinschulen und auch an immer mehr Orten Volksschulen – wenngleich es bis zur allgemeinen Schulpflicht noch lange dauern sollte. Die Bücher waren immer öfter in deutscher Sprache abgefasst.

Nun entstanden Gemeinde-, Schul?- und Stadtbibliotheken?. Die Bestände der bisherigen Ratsbibliotheken wurden in die neuen städtischen Bibliotheken integriert. Das geschah vor allem in großen Städten wie Leipzig, Hannover, Augsburg, Magdeburg, Braunschweig und Nürnberg. Diese Bibliotheken wurden meistens nebenamtlich geführt. Auch die Räumlichkeiten stellten meistens Notlösungen dar, so dienten oft säkularisierte Klöster als Bibliotheken.

Ein Beispiel für eine städtische Bibliothek der damaligen Zeit findet sich in Leipzig. Die dortige Bibliothek besaß um das Jahr 1700 schon 14.000 Bände. 17 Jahre zuvor war sie vom Rathaus in das Gewandhaus umgezogen. Sie hatte zweimal in der Woche für je zwei Stunden für alle Bürger geöffnet.

Eine der ersten schweizerischen Bürgerbibliotheken existierte ab 1536 in St. Gallen. Sie begann mit dem Bücherbestand des Bürgermeisters, Humanisten und Heimathistorikers Joachim Vadianus?. Der Bestand wuchs bis zum Ende des 18. Jahrhunderts auf etwa 15.000 Bücher an. Noch älter war die öffentliche Bibliothek in Schaffhausen von 1524. Die Bürgerbibliothek in Zürich wurde erst 1629 durch Kaufleute eröffnet.

Bibliothekslehren

Der französische Bibliothekar Gabriel Naudé? (1600-1653) schrieb 1627 ein bahnbrechendes Buch mit dem Titel „Anweisung zur Leitung einer Bücherei“. Er war der Ansicht, dass eine gute Bibliothek an die 40.000 Bände besitzen müsse. Alles Geschriebene und Gedruckte sollte vorrätig sein. Das blieb aber meistens Theorie. Gabriel Naudé verwaltete die Bibliotheken des Gerichtspräsidenten Henri de Mesmes in Paris, der Kardinäle Bagni und Barberine in Rom, Richelieu und Mazarin in Paris und der Königin Christine von Schweden.

Er beschreibt eine klare Gliederung und allgemeine Grundsätze für die Einrichtung von Bibliotheken, die er als eine unentbehrliche Grundlage der Wissenschaft propagierte. Gründung und Unterhalt der Bibliotheken sah er als eine Aufgabe der Regierenden und der Reichen an. Nach dem Vorbild der "Bodleiana?" in Oxford, der "Ambrosiana?" in Mailand und der "Angelica?" in Rom mussten seiner Meinung nach Bibliotheken öffentlich und leicht zugänglich sein. Außerdem sollten sie universalen Charakter haben. Der Ausschmückung der Bibliotheken mit Büsten, Inschriften, Bildern, Antiquitäten und wissenschaftlichen Instrumenten widmet er einige Seiten.

Graf Heinrich von Bünau (1697–1762) besaß in seiner rd. 42.000 Bände umfassenden Bibliothek 703 Werke, die sich ausschließlich mit dem Thema Bibliothek bis zu dem Zeitabschnitt um 1750 befassten. Die Bandbreite reichte von der Bibliotheksgeschichte über verlorene Bibliotheken, florierende Bibliotheken und ausländische Bibliotheken, bis hin zu den Privatbibliotheken.

Eine der ersten umfassenden Bibliothekslehren im deutschsprachigen Bereich wurde im Jahr 1726 von Eusebius Amort? verfasst. Ihr Titel: „Von denen Büchereyen, oder Bibliothecken insgemein“ und „Von Ordnung und Einrichtung der Bibliotheken. Wissenschaftlicher behandeln die „Dissertationes philologicae-bibliographicae“ von Oliverius Legipontius?, der auch als Historiker tätig war, das Thema. Recht praktisch orientiert war das Werk eines „Anonymen Bayerischen Karmeliters“, der nicht nur über Regalbau, Benutzung, Standortkatalog? und Signaturen schrieb. Dieses Buch stammt von 1788.

„Meines Erachtens sollte das vorzüglichste Augenmerk eines Bibliothekars dahin gehen, seine Bibliothekseinrichtung so zu treffen, daß sein Nachfolger, so zu sagen, in der ersten Stunde jedes Buch aufzufinden im Stande wäre“, schrieb 1790 der Regensburger Hofbibliothekar Albrecht Christoph Kayser? (1756-1811) in seinem Buch „Über die Manipulation bey der Einrichtung einer Bibliothek und Verfertigung der Bücherverzeichnisse“. Er stellte einen Zusammenhang zwischen Aufstellung, Format, Signatur und Regalanlage mit dem Katalog her.

Wandregale statt Pulte

Auch jetzt gab es für den Bau eines Raumes oder eines Gebäudes für eine Bibliothek nur ungefähre Beschreibungen. Vorhanden war allerdings der Wunsch, das gesamte Wissen auf einem Platz zu konzentrieren, angebracht in einer Ordnung, die den Kosmos abbilden sollte. Das geistige Darstellungsbedürfnis der Gelehrten traf zu dieser Zeit auf den Repräsentationswillen der Fürsten, des Adels, der Bürger und der Kirche, was sich gegenseitig bestens befruchtete. Damit wurden das Buch und der Ort seiner Aufbewahrung und Präsentation umso wichtiger.

Die Veränderungen betrafen auch das Mobiliar. Die bisherigen Pultbibliotheken reichten nicht mehr aus. Anfangs wurden die Pulte mit Gestellen aufgestockt. In England entstand so das Kojen- oder Nischensystem, das „stall library“ genannt wird. Im deutschsprachigen Raum wurden die Pulte ab dem 16. Jahrhundert entfernt und durch Wandregale ersetzt. So wurde die Raummitte frei, eine bessere Übersicht ergab sich. Die immer größer werdenden, oft prächtig eingerichteten Lese?- und Studiersäle, wurden zum Mittelpunkt der Bibliotheken.

Bibliotheksbauten im Barock

Das Zeitalter des Barocks zwischen 1600 und ca. 1760 kann als ein europäisches Zeitalter der Sinne bezeichnet werden. Es war geprägt von Weltflucht und Weltsucht, Reichtum und Armut, Krieg und höfischen Spielen, Pest und Parfüm. Die Herrscher regierten auf absolutistische Weise. Die Gegenreformation kam durch die Jesuiten aus Spanien. Durch den üppigen barocken Baustil wurde auch die geistliche Macht glanzvoll zur Schau gestellt, als irdisches Abbild der himmlischen Pracht. Die barocke Kunst und Baukunst wollte berauschen, überwältigen und in Ekstase versetzen, sie strebte die absolute Steigerung an. Damit war sie das genaue Gegenteil der Klarheit, Maß und Ruhe betonenden Renaissance.

Die Zürcher Bürgerbibliothek

In dieser Zeit entstanden Zweck- und Repräsentationsbauten für Bibliotheken. Zweckbauten waren die Bibliotheken, die sich meistens in bereits vorhandenen Räumen befanden. Sie waren nicht besonderes ausgeschmückt, sondern im Gegenteil oft Notlösungen. Meist fehlten Ausbaumöglichkeiten, dann standen die vollen Bücherregale kreuz und quer im Raum. Zu weiteren Räumen wurden Türen durchgebrochen, oder ein kleiner Anbau musste her. Wenn gar kein Platz mehr war, wurden weitere Räume in anderen Stockwerken dazugenommen.

Darunter litt nicht nur die Ordnung. Diese Räume waren auch schlecht mit Licht versorgt und feucht und sie konnten schlecht gereinigt werden. Nicht selten waren die Fenster zerstört, dadurch vermehrte sich das Ungeziefer. Im gleichen Haus konnte außerdem auch eine städtische Waage mit viel Lärm oder eine Leichenkammer untergebracht sein.

Normalerweise wurden längliche Säle mit möglichst vielen Fenstern für die Bibliothek verwendet. Die Saalhöhe war meistens derart bemessen, dass keine Leiter zum Auffinden eines Buches benötigt wurde. In diesem Räumen sahen lediglich die Bücherwände dekorativ aus, anderen Schmuck gab es nicht.

Ein gutes Beispiel bietet die Zürcher Bürgerbibliothek?. Sie wurde 1629 zuerst in einem Privathaus eingerichtet. Als in dieser Bibliothek kein Platz mehr für neue Bücher war, zog sie in die säkularisierte Wasserkirche um. Als in dieser um 1715 auch wieder kein Platz war, schnitt man bei zwei darüberliegenden Stockwerken je eine ovale Öffnung heraus. Die Ränder, auf denen die Bücherregale standen, wurden mit Säulen abgestützt und zu Galerien ausgebaut. Das sah recht eindrucksvoll aus. Gleichzeitig traf man damit den barocken Zeitgeschmack.

Viel Wert wurde damals auf die einheitliche Wirkung der Bücherwände gelegt. Für diesen Zweck wurden die Buchrücken mit glänzendem Pergament ausgestattet, mit Papier beklebt oder mit Farbe bemalt.

Die Hofbibliotheken

Die Repräsentationsbibliotheken werden auch Hof- oder Fürstenbibliotheken genannt. Es waren verschiedenen Motive, welche die Fürsten Bibliotheken gründen ließen: persönliches Interesse, Bildungshunger, politische Erwägungen, Fürsorge oder Prunksucht. Nutzer waren hauptsächlich die Gelehrten. Zur bestmöglichen Repräsentation wurden bekannte Gelehrte als Bibliothekare ernannt.

Die Repräsentationsbibliotheken waren durch das Zusammenspiel von Buch, Raum und Dekoration geprägt. Sie wurden mit Fresken und Inschriften, mit Deckengemälden, geschnitztem Holz und Stuck, mit Putten und Statuen, mit Säulen, Galerien und Treppen verschönert. Manchmal tarnte man Türen als Regale, die drehbar waren. In die Mitte des Bibliothekssaals kamen zur Steigerung der Attraktivität oft wissenschaftliche Instrumente, Kuriositäten und drehbare Globen. Als Vorbilder für beeindruckende Bibliotheksbauten dienten die „Angelica?“ in Rom (1604) und die „Ambrosiana?“ (1609) in Mailand.

Im deutschsprachigen Raum erfüllten besonders die Bibliotheken in Wolfenbüttel und in Wien solche repräsentative Funktion. In Wolfenbüttel hatte Herzog August d. J. (1579-1666) die nach ihm benannte Bibliothek?, die nach einer damals beispielgebenden Systematik? des Zürcher Naturforschers Conrad Gesner? systematisiert worden war, zu einer vorbildlichen Bibliothek gemacht. 1691-1716 war hier der weitgereiste Gottfried Wilhelm Leibniz? als Bibliothekar tätig, der auch als Hofrat dem Herzog Johann Friedrich von Hannover diente.

Er legte einen Katalog? nach dem Alphabet an und liberalisierte den Zugang. In seine Amtszeit fiel der Neubau der Bibliothek. Die so genannte Rotunde (abgrissen 1887) wurde zwischen 1705 und 1713 vom Baumeister Hermann Korb errichtet. Zeitweise trug sie einen Himmelsglobus auf dem Dach. Sie galt als größte Bibliothek nördlich der Alpen und als Achtes Weltwunder. Der freistehende Bau maß 36 x 27 m. Die Mitte bildete ein längsovaler Kuppelsaal, der von 12 Säulen getragen wurde und mit Fresken ausgeschmückt war. Der Büchersaal hatte drei Geschosse. Zwei davon konnten ohne Leitern erreicht werden. Sein berühmtester Nachfolger war von 1770 bis zu seinem Tod 1781 Gotthold Ephraim Lessing.

Auch die Wiener Hofbibliothek in der Hofburg zu Wien, heute die Österreichische Nationalbibliothek?, bekam einen riesigen und prunkvollen Saal, erbaut zwischen 1722 und 1726 durch Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656-1724), einen Baumeister des Hochbarock, sowie durch seinen Sohn Joseph Emmanuel. Der 74 x 14 m große Saal bekam 13 Fensterachsen, ein 15 m hohes Tonnengewölbe, eine 29 m hohe Kuppel mit 8 Ochsenaugen und wurde durch zwei korinthische Säulenpaare aus weißem Marmor in drei Zonen aufgeteilt. Diese Bibliothek kann heute noch so in Wien besichtigt werden.

Die oberen Reihen der Bücherwände sind nur über Leitern zu erreichen. Vier Wendeltreppen führen zur Galerie hinauf. Die Bücherrücken sämtlicher Bücher sind braun und vergoldet. wird durch Malerei vorgetäuscht. Die Bücherrücken sämtlicher Bücher sind braun und vergoldet.

Die Wiener Hofbibliothek war bereits im 16. Jahrhundert durch eine Sammlung lateinischer und arabischer Handschriften zum Mittelpunkt der philologisch-historischen Forschung und somit auch zum Reiseziel vieler europäischer Gelehrter geworden. Der Bibliothekar Hugo Blotius? hatte ihre über 9.000 Bände nach einem System geordnet, das Conrad Gesner? (1516-1565) erdacht und in seinem Bücherverzeichnis „Pandectae?“ beschrieben hatte: Der Zürcher Arzt und Naturforscher Gesner hatte in der 1545 erschienenen "Bibliotheca universalis", der ersten gedruckten Bibliographie?, alle bis zu jenem Zeitpunkt bekannten hebräischen, griechischen und lateinische Werke zusammengetragen. Drei Jahre später hatte er das Werk ergänzt und unter dem Titel „Pandectae“ nicht mehr alphabetisch, sondern systematisch? geordnet.

1623 war die Wiener Hofbibliothek in die Hofburg verlegt und bald darauf neu geordnet worden. Peter Lambeck? (1628-1680) trennte die vorhandenen Werke nach Drucken und Handschriften. Er und sein Nachfolger Daniel Nessel? (im Amt 1680-1700) verfassten einen neunbändigen Katalog. Die Kaiserin Maria Theresia führte einen festen Bücher-Etat von 6.000 Gulden ein. Dazu kam bezahltes Personal, das 14 Mitarbeiter umfasste. Ein beheizbares Lesezimmer kam 1769 dazu. Die Hofbibliothek wurde nun für die Öffentlichkeit besser zugänglich, und der Bestand? wuchs weiter: Zur Zeit des Bibliotheks-Direktors Adam Franz Kollar? (gest. 1783) umfasste er schon 170.000 Bände.

Die Hofbibliothek in München war bereits durch Herzog Albrecht V. (1528-1579) und durch seinen Kontakt mit dem Bücher-Sammler Johann Jakob Fugger? (1516-1575) zu einem Mittelpunkt der Literatur in Bayern geworden. Dieser Fugger hatte 12.000 Bücher für die Hofbibliothek gestiftet, zu denen auch die des Nürnberger Arztes und Humanisten Hartmann Schedel gehörten. Mit dem Bibliothekar Andreas Felix von Oefele? (1706-1780) erlebte die Münchner Hofbibliothek einen neuen Aufschwung und wurde die Basis für die 1759 gegründete Akademie der Wissenschaften. 1785 standen hier rund 100.00 Bücher bereit, die täglich, bei einer sechsstündigen Öffnungszeit von allen Bürgern, ohne Rücksicht auf den Stand, gelesen werden konnten.

Erst in den letzten Jahren seiner Regierung interessierte sich Friedrich II. von Preußen (1712-1786), der „Alte Fritz“, für eine Bibliothek in Berlin. Er ließ mit einem Etat von jährlich 8.000 Taler derart viele Bücher kaufen, dass die Buchhändler nicht mehr mit den Lieferungen nachkamen. Friederike Sophie Wilhelmine, die ältere Schwester von Friedrich II., die Markgräfin von Brandenburg-Bayreuth, war damals die Inhaberin einer der größten französischsprachigen Bibliotheken. Diese Bände stiftete sie der Universitäts-Bibliothek von Erlangen.

In den Hofbibliotheken bildete sich auch der Beruf des Bibliothekars langsam heraus. Es war ein Beruf, der noch keine Tradition hatte. Bibliothekar konnte werden, wer als Theologe, Jurist, Arzt, Naturwissenschaft oder Philologe ausgebildet war. Allerdings wurden die Bibliothekare nicht besonders gut bezahlt. Manchmal erhielten sie nur Entschädigungen und wurden manchmal sogar für den Verlust von Büchern persönlich haftbar gemacht.

Universitätsbibliotheken

Besonders die unregelmäßige finanzielle Ausstattung der Universitäten durch Stiftungen hinderte deren Bibliotheken an einer kontinuierlichen Entwicklung. Außerdem sah man die Universitätsbibliotheken oft nur als Ergänzung der Privatbibliotheken der Gelehrten an. Erst im 18. Jahrhundert, als die Professoren nicht mehr in der Lage waren, die Bücherflut in ihre privaten Bibliotheken aufzunehmen, trat eine Änderung ein. Zudem waren die bisherigen Bibliotheken nicht Willens oder in der Lage, aktuelle Bücher regelmäßig einzukaufen.

Die Universitätsbibliothek in Wien übergab 1755 ihren Buchbestand von 2.787 Bänden an die Hofbibliothek. Durch Kaiserin Maria Theresia wurde 1775 eine neue Universitätsbibliothek aus den Beständen des aufgelösten Jesuitenordens und in deren Kolleg eingerichtet. Es sollte kein Bücherluxus betrieben werden, was bedeutete, dass keine Bücher mehr nur wegen ihrer Besonderheit zum Zwecke der Repräsentation teuer eingekauft werden durften. Diese Bibliothek, die in die staatliche Verwaltung kam, sollte für die Studierenden sein. Sie wurde schnell zur meistbenutzten Bibliothek in Wien. Damals konnte es sein, dass 50 und mehr Leser auf die Öffnung der Bibliothek warteten.

Die Universitätsbibliothek in Göttingen war mit ihrem regelmäßigen Etat von rund 4.000 Talern im Jahr besonders vorbildhaft. Der Etat stellte das Zehnfache derjenigen anderer Universitätsbibliotheken dar. So konnte der Bestand bestens gedeihen. 1750 umfasste er rund 30.000 Bücher, 1800 schon 160.000. Die Leitung durch wenige Bibliothekare, die sich der Bibliotheksidee voll und ganz verpflichtet fühlten, bereitete den fruchtbaren Boden für eine hervorragende Bibliothek: Johann Matthias Gesner?, Christian Gottlob Heyne? und Jeremias David Reuss?. Besonders durch die Aktualität ihrer großen Bibliothek machten sie diese für alle Universitätsangehörigen unentbehrlich.

Es gab auch andere Finanzierungsmodelle für Universitätsbibliotheken. In Basel etwa wuchs der Bestand in der Universitätsbibliothek Basel, gegründet 1460, zuerst nur gering. Zur Büchervermehrung wurden die Promotionsgebühren, Besuchergelder und die Neujahrsgeschenke der Bürger und Professoren verwendet. Studenten durften nur mit Bürgschaft durch einen Professor die Bibliothek benutzen.

Spezialbibliotheken

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kamen bei den Universitätswissenschaften Gebiete wie Philosophie, Mathematik, Physik, Astronomie, Chemie, Pharmazie und Medizin hinzu. Neue Forschungsgebiete wie Botanik, Zoologie, Paläontologie und Mineralogie wurden unter dem Begriff Naturgeschichte zusammengefasst. Es entstanden fachwissenschaftliche Gesellschaften und Vereine. Dadurch entwickelten sich neue Bibliotheken, die ausschließlich bestimmten Gebieten gewidmet waren.

Eine der ersten deutschsprachigen wissenschaftlichen Bibliotheken wurde 1735 in Hamburg gegründet. Sie hatte zwei wesentliche Abteilungen: Handel und Geographie. Wobei ein besonderes Augenmerk auf dem Seehandel, der Schifffahrt, den Reisebeschreibungen und den Seekarten lag.

Privatbibliotheken

Die Privatbibliotheken gehören in dieser sammelfreudigen Epoche zu den wichtigen Elementen der Bibliotheksgeschichte. Zacharias Konrad von Uffenbach, ein Sammler, zitierte dazu den Prediger Salomo aus dem Alten Testament: „Die Menschen gehen daher wie ein Schemen und machen sich viel vergebliche Unruhe, sie sammeln und wissen nicht, wer es kriegen wird.“ Damit beschrieb er die Kurzlebigkeit dieser Bibliotheken, die meistens mit dem Tod des Sammlers zerfielen. Daher stifteten sie ihre Sammlung gerne - vor oder nach dem Tod - an länger existierende Bibliotheken.

Zacharias Konrad von Uffenbach? (1683–1743) war Ratsherr und Bürgermeister in Frankfurt am Main. Während seiner Studienzeit in Halle besuchte er oft die dortigen Bibliotheken und Buchhandlungen. Außerdem las er Fachzeitschriften für Gelehrte, die auch Bücher vorstellten. Seine Bibliothek baute er ab 1704 auf. Seinem Bruder Johann Friedrich Armand trat Zacharias Konrad von Uffenbach die Abteilung für mathematische und physikalische Literatur ab.
Die Bücher zum Thema Naturkunde, Medizin und Theologie verwendete er als Tauschware. Uffenbach betreute seine Bibliothek persönlich. Damit nach seinem Tod die Bibliothek mit 40.000 Titeln in 12.000 Bänden nicht in alle Welt zerstreut wurde, fertigte er um 1730 eine Liste mit allen Büchern zum Verkauf an. Was er nicht verkaufte, das ließ er versteigern.

Kirchliche und klösterliche Bibliotheken

Nachdem die Jesuiten bei der Gegenreformation die theologische Ausbildung übernommen hatten, schwand die Bedeutung der Dombibliotheken?. Jedes Jesuiten-Kolleg besaß seine eigene, ständig aktualisierte Bibliothek. Bücher, die als moralisch oder dogmatisch anrüchig galten, wurden speziell aufbewahrt. Der Holländer Petrus Canisius? (1521-1597) gab dafür Leitlinien unter dem Motto heraus: „Lieber ein Kollegium ohne eigene Kirche als ein Kollegium ohne eigene Bibliothek.“ Der Buchbestand der Jesuiten-Bibliotheken - 1773 existierten in Deutschland rund 100 - war eher einheitlich gehalten.

Nach einer ersten Säkularisationswelle während der Bauernkriege im 16. Jahrhundert kamen seit dem 18. Jahrhundert weitere Säkularisationen hinzu. Beim „Josephinischen Klostersturm“ in Österreich ging ab 1750 der Klosterbesitz von 1.300 der rund 2.200 Klöster in staatliches Eigentum über. Die größte Säkularisations-Aktion fand ab 1789 durch ein Gesetz der französischen Nationalversammlung und durch Napoleon statt.

Bibliotheken im 18. Jahrhundert

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde mehr und mehr gelesen. Immer größere Teile der Bevölkerung beherrschten die Kunst des Lesens und Schreibens. Die Schulpflicht, 1717 bereits in Preußen eingeführt, durch aufklärerische Ideen und Aktivitäten entstanden, aber auch der ansteigende Bedarf an Verwaltungsleuten, der vom Adel nicht gedeckt werden konnte, trugen dazu bei.

In Leipzig, wo zu jener Zeit rund 25 Verlage ansässig waren, wurde ab 1764 die Buchmesse als großer Handelsplatz für Bücher installiert. Die Zahl der Bücher, die in deutscher Sprache herauskamen, stieg. Bibel, Katechismus und Kalender sind bald nicht mehr die einzige Lektüre für den normalen Bürger. Waren es um 1710 rund 600 Neuerscheinungen auf Deutsch, so konnten um 1800 bereits 3.900 gedruckte Bücher gezählt werden, die nicht in lateinischer Sprache verfasst worden waren. Die Zahl der Autoren wuchs, wobei über 200 Verlage in über 150 deutschen Städten für die Veröffentlichung und den Vertrieb sorgten.

"Lesewut" und Lesefieber"

Lateinische und griechische Klassiker wie HomersOdyssee“ wurden ins Deutsche übersetzt. Ludwig Tieck?, offizieller Vorleser? am königlich-preußischen Hof, dessen Privatbibliothek mit über 15.000 Büchern eine der größten war, übertrug gemeinsam mit Wilhelm Schlegel? die Werke Shakespeares? Werke ins Deutsche. Goethe löste mit seinem Roman „Die Leiden des jungen Werthers“ einen Leserausch mit Selbstmord-Nachahmern aus. Begriffe wie Lesewut, Lesesucht, Lesefieber kamen auf. Es wurde sogar befürchtet, dass durch exzessives Lesen soziale, moralische, religiöse und politische Wertvorstellungen untergraben würden.

Die Zeitschrift „Neues Archiv für Gelehrte, Buchhändler und Antiquare“ meldete: „Man liest selbst da, wo man vor zwanzig Jahren noch an kein Buch dachte. Nicht allein der Gelehrte, nein auch der Bürger und Handwerker beschäftigt sich mit Gegenständen des Nachdenkens.“ Die Liebesromane des heute unbekannten Bestsellerautors August Lafontaine mit Titeln wie „Gewalt der Liebe“ verzeichnen einen Auflagenrekord. Lafontaine ließ über 100 weitere Romane folgen, die alle massenhaft verschlungen werden. Auch Goethes Schwager Christian August Vulpius wurde zum Meister der so genannten Trivial-Literatur mit Liebes-, Abenteuer- und Gruselschmökern.

Die Struktur der Gesellschaft änderte sich. Dampf-, Spinn- und Webmaschine wurden am Ende des 18. Jahrhunderts erfunden. In der vorindustriellen Ära emanzipierte sich das Bürgertum gegenüber dem Adel durch Bildung. Die Familien wurden kleiner und öffneten sich stärker der Gesellschaft durch die Abwanderungen in die Industrie. Besonders die Frauen hatten mit der Literatur eine neue Möglichkeit fremde Welten zu erkunden. Was aber nicht von allen gern gesehen wurde. Auch der technische Fortschritt im Buchdruck? trug dazu bei, dass im späten 18. Jahrhundert eine Lawine von Literatur, vor allem von Trivialromanen, losbrach.

Während Krupp eine Superkanone mit 480 kg schweren Geschossen für die Pariser Weltausstellung baute, bot Anton Philipp Reclam? seinen Lesern ab 1867 „Weltliteratur für zwei Groschen.“ Seine „Universalbibliothek“ startete der Leipziger Verleger mit Goethes „Faust“. Die Werke der deutschen Klassiker wie Lessing, Hauff, Kleist, Knigge, Jean Paul, Iffland, Kotzebue, Hebel und Hoffmann wurden rechtefrei und konnten nun von jedem herausgebracht werden. Die ersten Auflagen von Reclams Klassiker-Büchern betrugen bis zu 5000 Stück.

Jedoch waren die Preise für Bücher noch ziemlich hoch. Die meisten Menschen konnten sich nicht viele Bücher zulegen, auch wenn sie nach Lektüre gierten. Auch Pädagogen, Pfarrer und Politiker erkannten, dass sie den Wunsch nach Lektüre nicht mehr unterdrücken konnten. Das Lesepublikum war in seinem Drang zum Buch nicht mehr aufzuhalten. Doch die existierenden Institutionen wie Stadt-, Hof, Universitäts- und Gelehrtenbibliotheken konnten den Bedarf an Lesestoff nicht mehr decken. Der Ruf nach Volksbibliotheken wurde laut. Folgende Institutionen stillten die Lesebedürfnisse:

Die Lesegesellschaften

Benjamin Franklin gründete in Amerika schon im Herbst 1727 mit seinen Freunden einen Diskussions-Club, der sich „The Junto“ nannte. Jedes Mitglied brachte seine Bücher in den Club mit und ließ sie dort für alle stehen. Nachdem auch die Franzosen Lesegesellschaften ins Leben riefen, war auch in Deutschland diese Bewegung nicht mehr aufzuhalten. Es begann um 1760 in Norddeutschland. Bis 1800 öffnen über 400 solche Einrichtungen ihre Türen für die Leser. Auch in Orten die weniger als tausend Einwohner hatten, wurden Lesegesellschaften eingeführt. Weil man sie der Geheimbündelei verdächtigte wurden sie von der Obrigkeit ungern gesehen und auch bekämpft und teilweise verboten.

Es muss erwähnt werden, dass die Lesegesellschaften oft hohe Aufnahmegebühren und detailreiche Satzungen besaßen, was natürlich dafür sorgte, dass nur der niedere Adel und das gehobenen Bürgertum Zutritt hatten. Beliebt waren bei den Lesegesellschaften eher Sachbücher und Reisereportagen, weniger aber unterhaltsame Romane, sogenannte Schöne Literatur. Der Gedanke war nicht fern, aus dem Lesebedürfnis der Bevölkerung Kapital zu schlagen. Bücher wurden gegen einen Gebühr verliehen. Die meisten kleineren und größeren Städte hatten um 1800 mindestens eine kommerzielle Leihbibliothek. Man zählt sie zu den Vorläufern der öffentlichen Bibliotheken.

Um 1785 hatte sich die Buchproduktion gegenüber 1721 verzehnfacht. Der Buchhandel? erlebte eine erste Hochblüte. Lesestuben und Lesekabinette? kamen in Mode. Hier wurde nicht nur Lesestoff bereitgestellt, sondern es wurden auch Vorträge mit anschließenden Diskussionen über Literatur. Begriffe wie „Lesewut“ und „Lesefieber“ kamen auf.

Zu den Mitgliedern der Lesegesellschaften zählten Bürger aus der mittleren und gehobenen Bürgerschaft, also Schreiber und Kaufleute, Juristen, Ärzte, Geistliche und Gelehrte. In Universitätsstädten zählten auch Professoren dazu, in Garnisonsstädten die Offiziere.

Daneben entstanden Lesegesellschaften für die Volksschichten vom Handwerker bis zum Bauern. Hier wurde auch noch vorgelesen, weil nicht jeder lesen konnte. Gleichzeitig wurde darauf geachtet, dass diese Menschen nicht nur triviale und aufrührerische Literatur zu hören bekamen.

Damals waren bei den Lesegesellschaften hauptsächlich Romane wie „Rinaldo Rinaldini, der Räuberhauptmann“ oder „Eli Lorr, der Mörder“ die gefragtesten Titel. Diese Sorte Literatur, die hauptsächlich der Unterhaltung diente, erhielt den Begriff Trivialliteratur.

Es kamen auch gewerbliche Leihbibliotheken? auf, die sich auf die Unterhaltungswünsche der Leserinnen und Leser konzentrierten. Diesen wurden von Buchhändlern nebenher geführt. Außerdem existierten reine Leihbibliotheken, mit denen unter Umständen mehr Geld zu verdienen war als mit Buchhandlungen.

Über die Zahl der Bibliotheken gibt eine Abhandlung Aufschluss: Adalbert Blumenschein, der Kurat des österreichischen Wallfahrtsortes Maria Taferl, verfasste von 1776 bis 1781 eine „Beschreibung von 2.000 Bibliotheken in 422 deutschen und 509 ausländischen Orten. Über 100 Orte mit Bibliotheken in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz besuchte er selbst.

Bibliotheken in der Literatur

In der schönen Literatur werden seit dem 19. Jahrhundert gerne Bibliotheken beschrieben. Achim von Arnim lässt in seinem Roman „Armut, Reichtum, Schuld und Buße der Gräfin Dolores“ den geschicktesten Schüler einer Stadt „an einem heißen Nachmittage“ den geheimnisvollen Schrank in einer Bibliothek öffnen, wo er mit „klopfendem Herzen“ ein kleines Büchlein durchblättert und dadurch von einem „sinnlichen Brand“ erfasst wird.

In „Godwi“, einem Roman von Clemens Brentano?, wird in einer dämmrigen Bibliothek, bei der Bildsäule der Pallas, einer liebenden Frau gar ein Kuss geraubt, wodurch deren „ganzer stolzer Tempel der Weisheit zusammenbrach“.

Wilhelm Hauff? erzählt in einem seiner Märchen von dem Kalifen, der „in seiner Bibliothek gerne alte Manuskripte hatte, wenn er sie auch nicht lesen konnte“.

Goethe beschreibt in „Wahlverwandtschaften“, wie Luciane von Charlotte mit einem Band wunderlicher Affenbilder getröstet wird: „Luciane schrie vor Freuden laut auf, und der Folioband wurde gebracht. Der Anblick dieser menschenähnlichen und durch den Künstler noch mehr vermenschlichten abscheulichen Geschöpfe machte Lucianen die größte Freude. Ganz glücklich aber fühlte sie sich, bei jeden dieser Tiere die Ähnlichkeit mit bekannten Menschen zu finden.“

Johann Georg Forster?, ein deutscher Reisereporter der von 1754 bis 1794 lebte, beschreibt recht ausführlich bei einer Reise an den Niederrhein seinen Besuch des kurfürstlichen Naturalienkabinetts in Bonn: „Die dabei befindliche Bibliothek füllt drei Zimmer. In den reichvergoldeten Schränken steht eine Auswahl brauchbarer, theurer Werke, die eines solchen Behältnisses wohl werth sind. Ich bemerkte darunter die besten Schriftsteller unserer Nation in jedem Fache der Literatur, ganz ohne Vorurtheil gesammelt. Aus der Bibliothek kommt man in ein physikalisches Kabinett, worin sich die Elektrisiermaschine, der große metallene Brennspiegel und der ansehnliche Magnet auszeichnen“.

Die größten Bibliotheksbestände um 1800 im deutschsprachigen Raum

170.000 Hofbibliotheken in Wien, Dresden
50.000 Hofbibliotheken in Hannover, Mannheim, Wolfenbüttel
40.000 Hofbibliotheken in Kassel, Weimar
36.000 Universitätsbibliotheken in Erlangen, Ratsbibliothek in Leipzig 30.000 Hofbibliotheken in Karlsruhe, Oldenburg, von Thurn und Taxis, Wernigerode, Universitätsbibliothek Altdorf, Frankfurt a. d. Oder, Stadtbibliothek in Danzig, Frankfurt am M., Benediktinerklöster in Göttweg, St. Lambrecht, Zisterzienserklöster in Aldersbach, Ebrach, Raienhaslach, Salem

Zur Fortsetzung siehe Bibliotheksgeschichte der Neuzeit ab 1800

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