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Denken wir uns

von<br> Robert Gernhardt

Denken wir uns einen Schriftsteller, Maler und Satiriker?. Denken wir uns ferner sein letztes vollendetes Werk?, das knapp ein Jahr nach dem Tod des Autors erscheint. Denken wir uns darin Anekdoten voller sprühendem Witz und unverwechselbarem Charme, wie nur er ihn zu versprühen und auszustrahlen vermochte. Geschichten, die das Leben schrieb, Geschichten voller Weisheit, Geschichten von Robert Gernhardt.

„Denken wir uns“ heißt der Band, der 26 anekdotische Geschichten versammelt, die alle mit dem Titel des Buches beginnen. Der 1937 in Tallin (Estland) geborene spätere Mitgründer der Satirezeitschrift „Titanic“ bietet darin noch einmal all sein erzählerisches Können auf. Mit geradezu nebensächlicher Leichtigkeit erzählt er von alltäglichen wie außergewöhnlichen Begebenheiten: Vom Warten auf eine Verabredung, die nicht erscheint, und vom Besuch des Kenners in des Dichters Refugium, das dieser glaubt bis aufs letzte Thema abgegrast zu haben. Gernhardt erzählt von dem Paar, das den reichen Onkel während der Jagdsaison in Tarnanzug, die Fasanenpfeife pfeifend, durch den Wald schickt, um ihn zu beerben, und in gleich mehreren Geschichten erzählt er von den drei Frankfurter Freunden, die sich allmonatlich treffen, um sich in der anekdotischen Erzählkunst zu übertreffen.

Und schließlich landet Norbert Gamsbart, Gernhardts literarisches Alter Ego? und Hauptfigur seiner Romane, vor dem Weltgericht, weil er sich mit für einen Dichter unwürdigen Dingen beschäftigt haben soll: Er war auf einer Millionärsparty, anstatt sich mit Edlerem zu befassen. Schließlich stellt sich jedoch heraus, dass das Weltgericht einem Text des Autors entsprungen ist und nun an dessen Formulierungen gebunden ist.

Robert Gernhardt fasst sich in „Denken wir uns“ noch einmal selbst zusammen. Die Geschichten versammeln ein letztes Mal Gernhardts schreiberisches Instrumentarium: Das (Lyrisch-) Satirische, das Anekdotische und das Pittoreske, das ihn als schreibenden Maler zeigt. Und genau diese Vollständigkeit macht das Buch zu einem so glücklichen letzten Werk. Es ist fast so, als hätte Gernhardt seine Essenz in die Geschichten geschrieben. In der Abwechslung von Alltäglichkeit und Besonderheit schwingt das Auf und Ab eines langen Lebens voll ebenso alltäglichen wie besonderen Erlebnissen mit. Der immergleiche Beginn des „Denken wir uns“ ist somit mehr als nur eine dramaturgische Entscheidung, er ist eine Zwangsläufigkeit des dichterischen Aktes, die Realität zu be- und zu verdichten.

Oder um es mit Robert Gernhardt zu sagen: „Denken wir uns das Leben. Angeblich schreibt es die besten Geschichten, doch was wüssten wir von ihnen, wenn sich nicht Sprachrohre ihrer annähmen, Vermittler, von denen zweierlei abverlangt wird: Dass sie imstande sind, die Geschichtenrosinen aus dem Lebenskuchen herauszupicken, und dass sie zweitens die Fähigkeit besitzen, den Fund unverfälscht zwar, doch geformt den Mitlebenden als Erzählung zu präsentieren.“ Wenn das die erzählerische Maxime ist, dann hat Robert Gernhardt sie erfüllt. Und mit „Denken wir uns“ den Kreis von Leben und Schreiben geschlossen.

Literaturangaben

  • Denken wir uns. Erzählungen. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007. 288 S., 18,90 €, ISBN: 978-3100255105

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