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Enzensberger, Hans Magnus
Hans Magnus Enzensberger (geb. 11. November 1929 in Kaufbeuren/Allgäu) ist ein deutscher Lyriker?, Erzähler und Publizist?. Sein literarisches Werk? wurde mit zahlreichen Literaturpreisen gewürdigt, unter anderem 1963 mit dem Georg-Büchner-Preis.
Leben und Schreiben

Hans Magnus Enzensberger wurde am 11. November 1929 als Sohn eines Postbeamten in Kaufbeuren/Allgäu geboren. Zusammen mit drei jüngeren Brüdern verbrachte er seine Kindheit in Nürnberg. Von 1942 bis 1945 besuchte er die Oberschule in Gunzenhausen und Oettingen. Im Winter 1944/1945 wurde Enzensberger zum Volkssturm eingezogen. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er zunächst als Dolmetscher und Barmann bei der Royal Air Force, auf dem Schwarzmarkt erwarb er sich ein Zubrot. Ende 1945 kehrte Enzensberger auf die Schulbank zurück und besuchte bis 1949 das Gymnasium in Nördlingen.
Nach dem Abitur studierte er Literaturwissenschaften, Sprachen und Philosophie in Erlangen, Freiburg/Breisgau, Hamburg und Paris. Während des Studiums entstanden erste literarische Arbeiten. 1955 legte er unter dem Titel „Über das dichterische Verfahren in Clemens Brentanos? lyrischem Werk“ seine Dissertation? vor. Auch später noch setzte sich Enzensberger intensiv mit dem Werk? des romantischen Dichters auseinander.
Von Kuba nach Schwabing
Seine berufliche Laufbahn begann Enzensberger als Rundfunkredakteur in Stuttgart. Daneben war er Gastdozent an der Hochschule für Gestaltung in Ulm. Enzensberger, der zeitweilig der legendären „Gruppe 47“ nahe stand, war in den folgenden Jahren viel in der Welt unterwegs: Er lebte unter anderem in den USA, in Norwegen und Italien, er bereiste Kuba und die Sowjetunion. Nach einem längeren Aufenthalt in New York und West-Berlin ließ sich Enzensberger 1979 als freier Schriftsteller in München-Schwabing nieder.
„verteidigung der wölfe“ (1957)
Hans Magnus Enzensberger gehört zu den Autoren, die die deutsche Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere seit den 1960er Jahren, maßgeblich beeinflusst haben. Er gilt als immens experimentierfreudig und einfallsreich – und was in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur besonders selten ist: Enzensberger ist in der Lage, sowohl das breite Publikum? zu unterhalten als auch die Intellektuellen zu fesseln.
Seine Anfänge als Lyriker? standen ganz im Zeichen der Zeitkritik. Mit seinen beiden Lyrikbänden „verteidigung der wölfe“ (1957) und „landessprache“ (1960) trat Enzensberger als Erneuerer des politischen Gedichts auf den Plan. Seine Lyrik verbindet scharfe, intelligent-polemische Zeitbeobachtung mit modernen Stilmitteln. Diese explosive Mischung brachte ihm das Lob fortschrittlicher Literaturkritiker ein; konservative Kritiker fürchteten hingegen um die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Land. Doch diese hitzigen Debatten sind längst abgekühlt. Heute findet man Enzensbergers Gedichte in jedem Schulbuch und Lyrikkanon?. 2004 veröffentlichte er den Band „Natürliche Gedichte“, der Texte von 1957 bis 2003 enthält und den Leser mit unerwarteten Metaphern und geistreichen Wortspielen? verblüfft.
„Der Untergang der Titanic“ (1978)
Überraschen, verblüffen, verstören – diese aufklärerisch-engagierte Absicht verfolgte Enzensberger auch in seinen Romanen, Erzählungen, Essays und Hörspielen. Zu nennen sind hier in erster Linie die medienkritischen Essays „Einzelheiten“ (2 Bände, 1962–64) und „Deutschland, Deutschland unter anderm“ (1967). Später erschienen die Essaysammlungen „Zickzack“ (1997) und „Nomaden im Regal“ (2003).
Von herausragender Bedeutung ist der Roman „Der kurze Sommer der Anarchie. Buenaventura Durrutis Leben und Tod“ (1972) und das Versepos „Der Untergang der Titanic“ (1978). In Letzterem verbindet Enzensberger den Untergang der Titanic (1912) mit einem spannenden Diskurs über Fortschritt und Apokalypse der modernen Gesellschaft. Dabei montiert Enzensberger literarische Traditionen (von Dante? bis Engels?) mit Liedern, Schlagerzitaten, Abzählreimen und politisch-philosophischen Exkursen. Die Fachkritik reagierte zunächst irritiert, mit zunehmender zeitlicher Distanz fand sie jedoch auch zu Anerkennung und Lob.
„Hammerstein oder der Eigensinn“ (2008)
Im Jahr 2008 veröffentlichte Enzensberger den unter Mitarbeit von Reinhard Müller? entstandenen historischen Collage-Roman „Hammerstein oder der Eigensinn“. In dem Band erzählt Enzensberger die Geschichte von Kurt von Hammerstein – dem ehemaligen Chef der Reichswehr, der seinen Abschied nahm, nachdem Hitler seine Kriegspläne in einer Geheimrede offen gelegt hatte. Die Reaktion der Literaturkritik war ambivalent. Ein Rezensent sah in dem Buch einen kunstvollen Abenteuer- und Familieroman mit hoch spannendem Plot. Ein anderer urteilte: eitles Geschichtsbild, witzfreie Dialoge? – bestenfalls als Fernsehvorlage geeignet.
„Die Andere Bibliothek“
Auch als Publizist? gehört Enzensberger seit Mitte der 1960er Jahren zu den großen intellektuellen Impulsgebern der Bundesrepublik. 1965 war er Gründer der Zeitschrift? „Kursbuch?“, die für die so genannte progressive Intelligenz in der BRD ein ungemein meinungs- und diskutierfreudiges Forum bildete. 1980 gründete er zusammen mit Gaston Salvatore? die Literaturzeitschrift? „Trans Atlantic?“, die jedoch im Herbst 1982 ihr Erscheinen einstellte. In der Zeit von 1985 bis 2007 gab Enzensberger mit Franz Greno? die Buchreihe? „Die Andere Bibliothek“ heraus. In der Reihe erschienen unter anderem Romane von Christoph Ransmayr, Irene Dische und Raoul Schrott.
2002 wurde Enzensberger für seine herausragenden Verdienste um die europäische Kultur mit dem Prinz-von-Asturien-Preis? gewürdigt.
Hans Magnus Enzensberger lebt in München.
Übrigens ...
ist Hans Magnus Enzensberger ein großer Freund von Pseudonymen. Viele seiner Arbeiten publizierte er unter den Namen Andreas Thalmayr, Linda Quilt, Elisabeth Ambras und Serenus M. Brezengang.
Auszeichnungen
- 1962 Literaturpreis des Verbandes der Deutschen Kritiker
- 1963 Georg-Büchner-Preis
- 1967 Kulturpreis der Stadt Nürnberg
- 1967 Internationaler Lyrikerpreis Ätna-Taormina
- 1980 Goldenes Kreuz des internationalen Literaturtreffens zu Struga/Jugoslawien
- 1982 Pasolini-Preis für Poesie der Stadt Rom
- 1985 Literaturpreis der Stadt Köln?
- 1985 Heinrich-Böll-Preis?
- 1987 Großer Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München?
- 1990 Jäggi-Preis
- 1993 Preis „Das politische Buch“ der Friedrich-Ebert-Stiftung
- 1993 Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis? der Stadt Osnabrück
- 1994 Kultureller Ehrenpreis der Stadt München
- 1995 Prix Laure Bataillon
- 1997 Ernst-Robert-Curtius-Preis? für Essayistik
- 1998 Heinrich-Heine-Preis?
- 2001 Premio Bollati
- 2002 Ludwig-Börne-Preis?
- 2002 Prinz-von-Asturien-Preis?
- 2006 Premio d’Annunzio für sein Gesamtwerk
- 2006 Medienpreis von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften?
- 2010 Sonning-Preis
Werke (Auswahl)
- Werke von und über Hans Magnus Enzensberger bei Jokers
- Einzelheiten. Band 1. Bewusstseins-Industrie. OA 1962. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006, ISBN: 978-3518100639
- Einzelheiten. Band 2. Poesie und Politik. OA 1964. Suhrkamp Verlag , Frankfurt am Main 1997, ISBN: 978-3518100875
- Der kurze Sommer der Anarchie. Buenaventura Durrutis Leben und Tod. Roman. OA 1972. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008, ISBN: 978-3518368954
- Der Untergang der Titanic. OA 1978. Suhrkamp Verlag , Frankfurt am Main 1996, ISBN: 978-3518391143
- Gedichte: Verteidigung der Wölfe / Landessprache / Blindenschrift / Die Furie des Verschwindens / Zukunftsmusik / Kiosk: 6 Bände, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1999, ISBN: 978-3518395479
- Natürliche Gedichte. OA 2004. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2004, ISBN: 978-3458192572
- Josefine und ich. Eine Erzählung. OA 2006. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN: 978-3518459249
- Im Irrgarten der Intelligenz. Ein Idiotenführer. OA 2007. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN: 978-3518125328
- Hammerstein oder der Eigensinn. OA 2008. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008, ISBN: 978-3518419601
- Rebus. Gedichtband. OA 2009. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3518420522
- Meine Lieblings-Flops, gefolgt von einem Ideen-Magazin. OA 2010. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2010, ISBN: 978-3518422113
Hörbücher
- Der Zahlenteufel. 2 CDs. München, Dhv der Hörverlag 2006, ISBN: 978-3899407648
- Hammerstein oder Der Eigensinn. München, Dhv der Hörverlag 2008, ISBN: 978-3867172769
Sekundärliteratur
- Dietschreit, Frank / Heinze-Dietschreit Barbara: Hans Magnus Enzensberger. Stuttgart, Metzler Verlag 1986, ISBN: 978-3476102232
- Lau, Jörg: Hans Magnus Enzensberger. Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag 2001, ISBN: 978-3518396797
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