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Fiktion

<div style="padding:10px; border:1px solid red;"> Die Fiktion bezeichnet

  • allgemein eine Annahme oder Aussage, die ohne Wahrheitsbeweis und Realitätsbezug aufgestellt wird und folglich weder „wahr“ noch „unwahr“ genannt werden kann,
  • einen Fachbegriff aus der Literaturwissenschaft. In dieser Bedeutung wird sie hier behandelt.

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Fiktion bzw. Fiktionalität ist ein Fachbegriff aus der Literaturwissenschaft. Man bezeichnet damit den erfundenen Charakter der in literarischen Werken dargestellten Welten. Zu allen Zeiten war es für den Leser schwierig, zwischen Fakten und literarischer Fiktion zu unterscheiden.

Definition

Wenn der Vorhang sich hebt, beginnt die Fiktion - (c) Stephanie Hofschlaeger/PIXELIO

Als fiktiv oder fiktional werden die erfundenen Welten bezeichnet, die in literarischen Werken dargestellt werden. Fiktion ist ein wichtiges Grundelement der mimetischen? Dichtungsformen, also der Epik und der Dramatik?. Die mimetischen Dichtungsformen zeichnen sich dadurch aus, dass sie reale oder erfundene Geschehnisse als Wirklichkeit darstellen – sie bilden die Wirklichkeit sozusagen mit Worten nach.

Fiktion ist also eine literarische Wirklichkeit innerhalb der ‚wirklichen Wirklichkeit’ des menschlichen Lebens. Wenn z. B. Schriftsteller wie Leo Perutz, Michael Ende oder Günter Grass Romane schreiben, dann erschaffen sie darin eine fiktive literarische Wirklichkeit, in der übernatürliche und phantastische Dinge geschehen können und in der die Regeln der ‚wirklichen Wirklichkeit’ aufgehoben sind. Ihre Romanfiguren führen ein fiktives, vom Autor erdachtes Leben und verlassen den Boden der Naturgesetze, Tatsachen und Fakten.

Foto: Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de

Dichter – alles Lügner?

In der modernen Literaturwissenschaft gibt es für fast alles Spezialisten: Es gibt Dramenforscher, Erzähltheoretiker, Märchenexperten usw. – nur Fiktionsspezialisten gibt es (noch) nicht. Es gab und gibt jedoch zu allen Zeiten kluge Menschen, die sich über den Gegensatz von Realität und Fiktion den Kopf zerbrochen haben.

Der deutsche Philosoph Immanuel Kant machte in seiner „Kritik der reinen Vernunft“ (1781) den Vorschlag, den Begriff Fiktion für „gedichtete und zugleich dabei für möglich angenommene Gegenstände“ zu verwenden. Damit grenzte er die literarische Fiktion scharf vom historischen Bericht? ab, der den nackten Zahlen, Fakten und Ereignissen verpflichtet sein sollte.

Kant griff damit auf eine These des griechischen Philosophen Aristoteles? zurück, dessen „Poetik“(um 335 v. Chr.) die abendländische Vorstellung von Literatur und Fiktion bis heute prägt. Im 4. Kapitel seiner „Poetik“ schrieb Aristoteles?: Der Geschichtsschreiber und der Dichter unterscheiden sich dadurch, „dass der eine das wirklich Geschehene mitteilt, der andere, was geschehen könnte.“ Aristoteles? ging sogar noch einen Schritt weiter: In der Nachahmung (Mimesis?) der Wirklichkeit erkannte er die Überlegenheit der literarischen Fiktion gegenüber der Geschichtsschreibung. Denn während der Geschichtsschreiber den Zahlen und Fakten folgen müsse, könne sich der Dichter auf den Schwingen der Phantasie und Fiktion zu einer höheren Allgemeingültigkeit seiner Werke erheben.

Aristoteles? betrat mit seinen Aussagen Neuland. Denn in der Antike galt der Dichter lange Zeit als „Fälscher“ und „Unwahr-Sprecher“. Diese Abwertung der Dichtung gegenüber der Geschichtsschreibung ging auf den griechischen Philosophen Platon? zurück, der in der Dichtung eine Form der „Lüge“ sah und dem dichterischen Werk einen Eigenwert absprach. Im Vergleich dazu genießt die Dichtkunst in der Gegenwart einen sehr hohen Stellenwert. Der russische Literatur-Nobelpreisträger Vladimir Nabokov? war der Meinung: „Literatur ist immer Erfindung. Wer eine Erzählung ‚wahr’ nennt, beleidigt Kunst und Wahrheit zugleich.“

Das Leben - eine allumfassende Fiktion?

Im Werkzeugkoffer der Schriftsteller gibt es verschiedene Hilfsmittel, mittels derer Fiktion erzeugt werden kann. Dazu gehören insbesondere der Dialog? sowie der Wechsel von Bericht?, direkter Rede?, indirekter Rede? und erlebter Rede?. Im Gegenzug bedeutet das für den Leser, dass er fiktionale Texte anhand der genannten Merkmale identifizieren kann.

Die angemessene Lektüre fiktionaler Texte setzt voraus, dass sich der Leser über den Fiktionscharakter des Textes im Klaren ist. Zu allen Zeiten war es für den Leser schwierig, eindeutig zwischen Fakten und literarischer Fiktion zu unterscheiden. In der höfischen Dichtung? des Mittelalters? war das nicht anders als in der Romantik oder im Naturalismus. Wer nun denkt, heutzutage lägen die Dinge klar auf dem Tisch und jedermann wisse, was Fiktion ist und was nicht, der sollte auf der Hut sein. Denn gerade heute kann das, was wir als Wirklichkeit erleben, als größtenteils eine durch die Massenmedien vermittelte Pseudo-Wirklichkeit angesehen werden - demnach hätte die Fiktion von unserem Leben weitgehend Besitz ergriffen. Es gibt denn auch Philosophen und Medientheoretiker wie z. B. den Franzosen Jean Baudrillard?, die behaupten, dass der Mensch der Gegenwart in einer undurchschaubaren und tendenziell sogar allumfassenden Fiktion lebe ...

Literatur

  • Ende, Michael: Die unendliche Geschichte. München, Goldmann Verlag 2001, ISBN: 978-3442447527
  • Grass, Günter: Die Blechtrommel. München, dtv 1993, ISBN: 978-3423118217
  • Perutz, Leo: Der Meister der Jüngsten Tages. München, dtv 2003, ISBN: 978-3423131124

Sekundärliteratur

  • Gottschalk, Jürn / Köppe, Tilmann: Was ist Literatur? Basistexte Literaturtheorie. Paderborn, Mentis-Verlag 2007, ISBN: 978-3897853539
  • Reicher, Maria E.: Fiktion, Wahrheit, Wirklichkeit. Philosophische Grundlagen der Literaturtheorie. Paderborn, Mentis-Verlag 2007, ISBN: 978-3897853546
  • Zipfel, Frank: Fiktion, Fiktivität, Fiktionalität. Berlin, Erich Schmidt Verlag 2001, ISBN: 978-3503061112

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