Hauptseite | Buchmenschen | Buchmenschen-Register | H | Hardy, Thomas


Hardy, Thomas

Thomas Hardy (geb. 2. Juni 1840 in Upper Bockhampton, Dorset; gest. 11. Januar 1928 in Dorchester) war ein englischer Schriftsteller. Viele seiner Romane spielen in Wessex, einer aus Realität und Fiktion geschaffenen literarischen Landschaft.

Leben und Schreiben

Thomas Hardy zwischen 1910 und 1915 - (c) Wikipedia.org

Thomas Hardy wurde am 2. Juni 1840 in Upper Bockhampton bei Dorchester als Sohn eines Steinmetz’ geboren. Er wuchs in Dorset auf, einer Grafschaft in Südwest-England. Die ländliche Abgeschiedenheit und düstere Heidelandschaft seiner Heimat hat er später literarisch verarbeitet. Zahlreiche Orte, die er in seinen Erzählungen und Romanen dem fiktiven Wessex zuschreibt, liegen in Dorset.

die Schule besuchte Hardy in Dorchester. Sein Wunsch, den Beruf des Geistlichen zu ergreifen, blieb unerfüllt, da er nicht zum Studium zugelassen wurde. Anfang der 1860er Jahre ging er nach London, wo er eine Ausbildung zum Architekten bei John Hicks (zwischen 1856 und 1862) und Arthur Blomfield (zwischen 1862 und 1867). In dieser Zeit erwachte sein Interesse für Kultur und Literatur. Er lernte, unterstützt von Freunden, Griechisch, Latein und Französisch und unternahm erste Schreibversuche. Einige seiner Gedichte und Erzählungen wurden veröffentlicht.

Foto: Bain News Service, publisher / Wikipedia.org

Einfluss von Spencer und Schopenhauer

Im Jahr 1867 kehrte Hardy nach Dorset zurück, wo er zunächst als Architekt und Restaurator arbeitete. In seiner Freizeit beschäftigte er sich mit Literatur und Philosophie?. Unter dem Einfluss der Philosophie? Herbert Spencers? und Arthur Schopenhauers entwickelte er ein zutiefst pessimistisches Weltbild, das den düster-fatalistischen Grundton in seinen späteren Romanen entscheidend geprägt hat.

Seine erste umfangreiche literarische Arbeit stammt aus dem Jahr 1867, sie trägt den Titel „The Poor Man and the Lady“ und ist nur fragmentarisch? überliefert. Hardy hatte sich damit an den Verlag Chapman and Hall gewandt, doch stieß er damit auf Ablehnung. Der Lektor George Meredith empfahl ihm stattdessen einen spannungsreichen Sensationsroman zu schreiben.

Einige Jahre darauf erschien „Desperate Remedies“ (1871), der erste seiner berühmten Wessex-Romane. Wessex war ursprünglich ein frühmittelalterliches Kleinkönigreich im Südwesten Englands, das vor dem Königreich England bestanden hatte.

Erste Erfolge als Romancier

In rascher Folge erschienen nun weitere Romane, die fast alle in seiner südenglischen Heimat angesiedelt? sind, der er seit seiner Kindheit stark verbunden war. Zu nennen ist vor allem „Far from the Madding Crowd“ (1874; dt. „Am grünen Rand der Welt“, 1984), der ihm neben literarischen Ehren auch finanziellen Erfolg einbrachte. Der Roman überzeugt durch poetische Landschaftsbilder und feine Figurenzeichnung.

Ein weiterer Höhepunkt in Hardys Frühwerk? ist der dreibändige Roman „The Return of the Native“ (1878; dt. „Die Heimkehr“, 1949), der zunächst in London und New York in Zeitschriften? veröffentlicht worden war. Hauptfigur ist Eustacia Vye, eine der geheimnisvollsten und faszinierendsten Frauengestalten in Hardys Gesamtwerk?. Eustacia hasst die karge Heidelandschaft und sehnt sich nach dem Relativen der Großstadt und Zivilisation.

Pessimismus und Virtuosität

Kennzeichnend für Hardys Romane ist ein tief wühlender Pessimismus, der allenfalls durch die poetische Schönheit und Leuchtkraft seiner Sprache geringfügig gemildert wird. Seine Figuren sind in einen ausweglosen Kampf mit den unerbittlichen Mächten des Schicksals verstrickt, angesichts tragischer Lebensumstände und grausamer Zufälle bleibt ihre Sehnsucht nach Glück und Harmonie unerfüllt.

Seine Hauptfiguren zeichnet Hardy mit größter analytischer Sorgfalt und literarischer Virtuosität, seine Nebenfiguren spielen hingegen oft nur die Rolle von routinierten Statisten. Ein zeitgenössischer Kritiker und eingefleischter Hardy-Bewunderer sprach mit Blick auf seine Nebenfiguren von Schubladengeburten, die der Meister ausschließlich aus dramaturgischen? Gründen und nur notgedrungen ins Leben rufe.

Als freier Schriftsteller auf dem Lande

Im Jahr 1878 ging Hardy erneut nach London, wo er bis 1881 lebte. In dieser Zeit erschien u. a. sein historischer Roman „The Trumpet-Major“ (1880; dt. „John Loveday, der Stabstrompeter“), der während der Epoche der Napoleonischen Kriege spielt. Anschließend kehrte er nach Dorset zurück und führte fortan – ermöglicht durch den finanziellen Erfolg seiner Bücher – ein Leben als freier Schriftsteller.

In den 1880er Jahren veröffentlichte Hardy eine ganze Reihe von Wessex-Romanen, die von Kritik und Publikum gleichermaßen mit viel Lob aufgenommen wurden. Als Meisterwerk gilt „The Mayor of Casterbridge“ (1886; dt. „Der Bürgermeister von Casterbridge“, 1885). Darin schildert Hardy Aufstieg und Fall eines tragischen Menschen, dessen grausames Schicksal durch eine einzige törichte Tat besiegelt wird.

Das Herz in Dorset, der Körper in Westminster

Nach 1896 schrieb Hardy fast nur noch Lyrik (z. B. „Wessex Poems“, 1896). Sein episches Drama „The dynasts“ (1904-1908) zeigt das England zur Zeit der Napoleonischen Kriege.

Thomas Hardy starb am 11. Januar 1928 in Max Gate, Dorchester. Sein Herz wurde auf dem Kirchhof von Stinsford in Dorset zur Ruhe gelegt, sein Körper eingeäschert und die Asche in der Westminster Abbey beigesetzt.

Werk

Romane

Wie Joseph Conrad? ist Hardys Werk? vom Übergang der spätviktorianischen Zeit in die Moderne geprägt. Geprägt ist sein Werk? nicht wenig von den griechischen Tragödiendichtern, aber auch von den Philosophen und Wissenschaftlern des 19. Jahrhunderts, die sein Weltbild bestimmten. So bezog sich Hardy selbst auf Charles Darwin, Herbert Spencer, August Comte oder John Stuart Mill. Vor allem Darwins Abstammungslehre führte zu einer religiösen Krise, die aber im Gegensatz zu vielen Zeitgenossen bei ihm nicht zu einem deterministischen Fortschrittsglauben führte.

Und doch nimmt den Platz Gottes bei ihm der so genannte "immanent will" ein. Das ist eine unbewusste Kraft schon bei Spencer, die die Geschichte lenkt, sich entwickelt und auf ein Bewusstsein hinstrebt. Wie Mill in On Liberty (1859) glaubte Thomas Hardy an die Gedankenfreiheit. Vielleicht kann man Thomas Hardy am besten als Agnostiker verstehen, verband ihn doch mit Leslie Stephen, dem damals in England führenden Agnostiker, eine tiefe Freundschaft. Nie hat Hardy in seinem Schaffen ein systematisches Weltbild entwickelt, sondern blieb immer "impressionistisch", dabei aber pessimistisch wie Schopenhauer und Eduard von Hartmann.

Hardy selbst hat seine Romane in drei Gruppen eingeteilt:

  • Novels of Ingenuity: Damit bezeichnete er Sensations- und Intrigenromane nach dem Vorbild von Wilkie Collins?; dazu zählte er z. B. Deparate Remedies, The hand of Ethelberta (1876) oder A Laodicean (1880).
  • Romances and Phantasies: Damit meinte er locker konstruierte Romane mit phantasievollen Einfällen. Beispiele dafür sind A Pair of Blue Eyes (1873) oder The Trumpet-Major (1880).
  • Novels of Character and Environment: Diese Gruppe umfasst die meisten Arbeiten. Z. B. Under the Greenwood Tree (1872), Far from the Madding Crowd (1874), The Mayor of Casterbridge (1886) oder The Woodlanders (1887).

Lyrik

Schon von Anfang seines Schaffens an hat Hardy Lyrik verfasst, z. B. das Gedicht "Hap". Sie erscheint in verschiedenen Gedichtbänden wie Wessex Poems (1898), Poems of the Past and the Present (1901), Time´s Laughingstocks (1909), Late Lyrics and Earlier (1922) oder dem posthum erschienenen Winter Words (1928).

Wie in seinen Romanen kann man in seiner Lyrik ebenfalls traditionelle und moderne Züge erkennen. Schwierig und grenzwertig sind die Gedichte Hardys, in denen er weltanschauliche oder philosophische Erkenntnisse vermitteln wollte. Andererseits hat er in Gedichten wie "The Darkling Thrush", das als Abgesang auf das 19. Jahrhundert gesehen wird, eine bemerkenswerte Einheit von Bild und Reflexion? erreicht.

Themen seiner Lyrik waren Liebe, Leid, Mitleiden. Dabei vermochte er private Erlebnisse und Anlässe wie z. B. den Tod seiner Ehefrau Emma Lavinia Gifford zu objektivieren und fast jedem Gedicht eine eigene Form zu geben, in der er Metrik und Rhythmus? auf das Thema abstimmte. Besonders die Elegie? verdankt ihm formelle Modifikationen.

Übrigens ...

hat Hardy den Text seiner Romane für die Veröffentlichung in Zeitschriften den Vorstellungen der Herausgeber? angepasst. So gibt es heute von vielen seiner Romane unterschiedliche Versionen.

Werke (Auswahl)

Herzen im Aufruhr (1895)

Herzen im Aufruhr, Buchcover - (c) Anaconda

Als unübertroffener Höhepunkt in Hardys Gesamtwerk? gilt der düstere Roman „Jude the Obscure“ (1895; dt. „Herzen im Aufruhr“, 1901/1956), der bei seinem Erscheinen einen Sturm der Entrüstung auslöste. Im Mittelpunkt des Geschehens steht der Steinmetz Jude Fawley – eine typische Hardy-Figur: leidenschaftlich, intelligent und sinnlich, dabei aber willensschwach und viel zu sensibel für einen zerstörerischen Kampf mit den grausamen Mächten des Schicksals.

Jude Fawley und seine neurotische Kusine Sue Bridehead lieben sich, doch Jude ist mit Arabella verheiratet, die ihn kurz nach der Hochzeit verlassen hat. Sue gibt den Werbungen des viel älteren Schulmeisters Phillotson nach, entdeckt dann aber, dass diese Ehe eine körperliche und seelische Qual für sie ist. Sie kehrt zu Jude zurück und beide leben eine Zeit lang, nicht unglücklich, in wilder Ehe miteinander. Wenig später nimmt das eigentliche Unglück seinen bitteren Lauf!

In der von Prüderie und unüberbietbarer Engstirnigkeit beherrschten Atmosphäre der Viktorianischen Zeit sorgte „Herzen im Aufruhr“ für einen Skandal. Dabei geriet auch Hardy selbst ins Kreuzfeuer der Kritik. Man warf ihm vor, dass er sich mit seinem „schamlosen“ Buch an der Gesellschaft rächen wollte, die ihm – einem Mann aus einfachen Verhältnissen – den Weg nach ganz oben verwehrt habe. Tief getroffen von den hasserfüllten Angriffen zog Hardy sich ins Privatleben zurück, so blieb „Herzen im Aufruhr“ sein letzter Wessex-Roman und sein letztes erzählendes Werk? überhaupt!

"Herzen im Aufruhr" (oder auch: "Herzen in Aufruhr") wurde 2007 unter der Regie von Michael Winterbottom verfilmt. Die Hauptrollen spielten Kate Winslet und Christopher Eccleston. Der Film wurde mit dem 18. Hessischen Film- und Kinopreis ausgezeichnet.

Die Woodlanders (1887)

Die Woodlanders, Buchcover - (c) Anaconda

Woodlanders zählt zu den bedeutendsten der Romane Hardys. Der Roman führt uns zurück in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damals kommt die schöne und gebildete Heldin des Werks? in einen Konflikt zwischen charakterlich und sozial unterschiedlichen Männern, der sich tragisch zuspitzt. Auf der einen Seite liebt die Heldin aufopferungsvoll, auf der anderen Seite leidenschaftlich. Ein weiterer Gegensatz im Melodrama? ist die ländliche Tradition hier, der städtische Fortschritt dort.

Die Geschichte spielt im Südwesten Englands. Dort gibt es pittoreske Wälder und ländliche Gefilde, die von Hardy so überzeugend geschildert werden, dass ihre Atmosphäre einem zu düsteren Handlungsverlauf entgegenwirkt, wenn auch dunkle "Vorsehungen" die Ereignisse bestimmen.

In dem Dorf Little Hintock lebt der alte Melbury. Er ist wohlhabend, rechtschaffen, aufrichtig und ein Holzhändler. Abgöttisch liebt er seine schöne Tochter Grace. Sie schickt er auf eine Schule in der Stadt, um ihr eine gute Ausbildung zu geben. Später soll sie den Sohn eines Mannes heiraten, an dem er etwas wiedergutmachen will: den des Obstbauern Giles Winterbourne. Als Grace aus der Stadt zurückkommt, will er sie aber nicht mehr unter ihrem Niveau vergeben. Im Gegenteil: Sie soll jemanden heiraten, der ihr gesellschaftlichen Aufstieg ermöglicht. Deshalb vergibt er Grace an den Doktor Fitzpiers, der erst einige Zeit im Dorf praktiziert. Zwar ist der adelig und attraktiv, doch hat Giles viel mehr Charakter.

Es kommt, wie es oft bei Hardy kommt: Das Unglück zieht auf. Das Paar verliert schnell seine Illusionen und trennt sich. Der Arzt stürzt sich schnell in ein Verhältnis mit der adeligen Herrin von Little Hintock und glaubt so, wieder in seinem Stand angekommen zu sein. In der Zwischenzeit nähert sich Grace dem geduldigen, stillen und innig liebenden Apfelbauer Giles, doch kann ihre Ehe aus rechtlichen Gründen nicht gelöst werden. Letztlich bestimmt also die unpersönliche Macht der Rechtsordnung das Schicksal der Menschen. Giles stirbt an seiner unerfüllten Liebe, die Geliebte des Arztes Fitzpiers wird von einem anderen Liebhaber ermordet. Das führt am Ende dazu, dass Fitzpiers demütig wird, sich anhaltend um Grace bemüht und diese ihn wieder bei sich aufnimmt, um eine Ehe voller Kompromisse an ihr Ende zu führen.

Der Roman zeigt zweieinhalb Jahre aus der Perspektive eines allwissenden Erzählers. Unerfüllte Wünsche, zerstörte Hoffnungen, unglückliche Liebe und Todesfälle sind seine Ingredienzen. Die Jahreszeiten sind dabei Spiegelbild der seelischen Verfassung der Figuren. Ihre Denk- und Verhaltensweisen werden mit großem Einfühlungsvermögen in die Kompliziertheit der menschlichen Natur seziert und trotz der Tragik? der Ereignisse mit Humor? geschildert. Das ermöglicht den Blick hinter die menschliche Fassade, wobei der Autor nicht mit philosophischen und didaktischen Kommentaren geizt.

Das führt dazu, dass der Roman einen intensiven Leser fordert. Der Erzählduktus? ist umschweifig, beschaulich, gibt dem Leser Verweilmöglichkeiten, die Muße zum Nachdenken und Wahrnehmen von Details erfordern.

Links


Hauptseite | Buchmenschen | Buchmenschen-Register | H | Hardy, Thomas

Daten hochladen
Buecher-Wiki Verlinken
FacebookTwitThis
Pin ItMister Wong
RSS-Feed RDF-Feed ATOM-Feed

schliessen