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Kempowski, Walter

Walter Kempowski (geb. 29. April 1929 in Rostock; gest. 5. Oktober 2007 in Rotenburg/Wümme) war ein deutscher Schriftsteller.

Leben

Walter Kempowski wurde am 29. April 1929 in Rostock geboren. Sein Vater Karl Georg Kempowski war Schiffsmakler und Reeder, seine Mutter Margarethe (geborene Collasius) stammte aus einer angesehenen Hamburger Kaufmannsfamilie. Ab 1935 besuchte Kempowski in Rostock die Schule. Im September 1944 wurde er einer Strafeinheit der Hitlerjugend zugeteilt. Im Februar 1945 wurde er einberufen und war Kurier bei der Luftwaffe.

Walter Kempowski - (c) Galerie Cohrs-Zirus
Nach dem Krieg musste Kempowski die Schule verlassen. Er war zunächst als Laufbursche für ein Reformhaus und einen Steuerberater tätig. Im Herbst 1946 begann er eine Lehre in einer Druckerei. Im November des folgenden Jahres ging er nach Hamburg, wo er eine Lehrstelle beim Rowohlt Verlag? annehmen wollte. Wegen einer fehlenden Genehmigung der Stadtverwaltung konnte er die Ausbildung nicht beginnen. Im Dezember 1947 siedelte er nach Wiesbaden über. Dort arbeitete er in einem Lebensmittellager der US-Armee.

Im folgenden Jahr besuchte Kempowski seine Mutter in Rostock. Dort wurde er am 8. März 1948 verhaftet und von einem sowjetischen Militärtribunal wegen Spionage zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt. Grund für die Verhaftung dürfte Kempowskis Engagement für die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDP) gewesen sein. Er kam in das berüchtigte Zuchthaus Bautzen, in dem Regimegegner unter unmenschlichen Bedingungen interniert waren. Kempowskis Mutter wurde wegen „Nichtanzeigen von Agenten des ausländischen Nachrichtendienstes“ zu zehn Jahren Strafarbeitslager verurteilt. Bis 1954 war sie im Frauengefängnis Hoheneck inhaftiert.

"Im Block. Ein Haftbericht" (1969)

Am 8. März 1956 wurde Kempowski aus der Haft entlassen. Er verließ die DDR und ging in die BRD. In Göttingen holte er 1957 das Abitur nach. Im Anschluss studierte er an der Pädagogischen Hochschule Göttingen. Seine Hafterlebnisse schildert Kempowski in der protokollartigen Chronik? „Im Block. Ein Haftbericht“ (1969), an der er mehr als zehn Jahre gearbeitet hat. Darin zeigt er, wie am äußersten Rande der Gesellschaft eine Zwangsgemeinschaft aus Häftlingen zusammenlebt. Der Literaturkritiker Fritz J. Raddatz? lobte den stilistischen und moralischen Gestus des Buches, in dem der Autor auf jede Form der Anklage verzichtet. Von dem Buch hat Kempowski nach eigener Aussage nicht einmal 1000 Exemplare verkauft.

Von 1960 an arbeitete Kempowski als Lehrer, zunächst an Dorfschulen in Breddorf und Nartum, dann an der Mittelpunktschule in Zeven. 1960 heiratete er die Lehrerin Hildegard Janssen. 1961 wurde ihr Sohn Karl-Friedrich, im Jahr darauf ihre Tochter Renate geboren.

Die "Deutsche Chronik" (1971-1984)

Neben seinem Beruf entfaltete Kempowski eine umfangreiche Recherchetätigkeit?, aus der eine autobiographisch gefärbte Romanreihe über eine bürgerliche Familie vom Kaiserreich über die Weimarer Republik bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hervorging. Diese so genannte „Deutsche Chronik“ umfasst sechs Bände?: „Tadellöser & Wolff“ (1971), „Uns geht’s ja noch gold“ (1972), „Ein Kapitel für sich“ (1975), „Aus großer Zeit“ (1978), „Schöne Aussicht“ (1981) und „Herzlich Willkommen“ (1984). Alle sechs Bände nehmen inhaltlich aufeinander Bezug. In „Tadellöser & Wolff“ – dem Auftaktband – schildert Kempowski als Ich-Erzähler seine eigene Kindheit in Rostock. Dennoch ist nicht Kempowski die Hauptfigur des Romanzyklus?, sondern das gesamte deutsche Bürgertum, dessen soziale, intellektuelle, moralische und wirtschaftliche Entwicklung der Autor kritisch darstellt.

Die stilistischen Mittel, die Kempowski verwendet, sind außergewöhnlich vielfältig. Er fügt unter anderem Dialoge?, Satzfetzen, Assoziationen, Erinnerungsfragmente?, Miniaturszenen?, Milieuschilderungen und Reklametexte zu einem kunstvollen Romangeflecht zusammen. Dabei schöpfte Kempowski aus einem gigantischen Quellenfundus?, der neben Briefen?, Büchern und Zeitungsausschnitten auch Fotos und Tonbanddokumente umfasst. Diese hoch entwickelte Collage- und Montage-Technik? verweist auf Kempowskis literarische Vorbilder, zu denen insbesondere Alfred Döblin und John Dos Passos gehören. Die „Deutsche Chronik“ begründete Kempowskis Ruhm als Schriftsteller. 1975 verfilmte Eberhard Fechner für das ZDF den Roman „Tadellöser & Wolff“.

1971 wurde Kempowski mit dem Förderpreis? des Lessingpreises der Stadt Hamburg? ausgezeichnet. 1977 wurde er als Gastdozent an die Universität Essen berufen. Weitere Dozententätigkeiten an verschiedenen Universitäten in Deutschland und den USA folgten. Außerdem veranstaltete Kempowski von 1981 bis 1991 in seinem Haus in Nartum bei Bremen Literaturseminare? für Laien.

"Das Echolot" (1993-2005)

Mit der Veröffentlichung von „Das Echolot. Ein kollektives Tagebuch“ (1993) riss Kempowski das Feuilleton zu Lobeshymnen hin. Dieses Tagebuch umfasst vier Bände mit mehr als 3.000 Seiten. Für die Zeit vom 1. Januar bis zum 28. Februar 1943 versammelt es unterschiedlichste – private und öffentliche – zeitgenössische Quellen? wie Briefe, Berichte und Tagebuchaufzeichnungen. Es rekonstruiert eine Wirklichkeit, in der Glück?, Leid, Bosheit, Luxus, Krieg, Freude, Armut, Tod und Leben gleichberechtigt nebeneinander stehen. Die Fachkritik bezeichnete das Resultat dieses in der deutschen Nachkriegsliteratur einzigartigen Projekts als Meisterwerk und Leseabenteuer.
Insgesamt ist das „Das Echolot“ auf zehn Bände angewachsen. Der letzte Band erschien 2005 unter dem Titel „Abgesang ’45“. Im selben Jahr folgte „Culpa. Notizen zum Echolot“ (2005), in dem Kempowski über die Entstehungsgeschichte seines monumentalen Werkes informiert.

Am 19. Mai 2007 wurde in der Berliner Akademie der Künste eine Ausstellung zu Leben und Werk von Walter Kempowski eröffnet. Bundespräsident Horst Köhler würdigte den aus gesundheitlichen Gründen nicht anwesenden Autor als einen Volksdichter?, der wie kein anderer das Volk selbst zum Sprechen gebracht habe.

Neben den beiden Großprojekten veröffentlichte Kempowski Romane, Erzählungen, Kinderbücher? und Hörspiele. Die meisten seiner Romane und Erzählungen wurden im Feuilleton? kontrovers diskutiert. Eine vergleichbare Leserpopularität wie der Romanzyklus? „Deutsche Chronik“ erreichten sie jedoch nicht. Zuletzt erschien der Roman „Alles umsonst“ (2006), in dem er die Geschichte einer ostpreußischen Familie im letzten Kriegswinter erzählt.

Walter Kempowski lebte in Nartum/Niedersachsen. Er starb am 5. Oktober 2007 nach langer Krankheit im Alter von 78 Jahren.

Übrigens

... hat Walter Kempowski sein literarisches und biographisches Archiv? im Oktober 2005 der Berliner Akademie der Künste? überlassen. Mit mehr als 500 Metern Regallänge gilt es als eines der bedeutendsten und umfangreichsten Schriftstellerarchive überhaupt.

Auszeichnungen

  • 1971 Förderpreis des Hamburger Lessing-Preises?
  • 1972 Wilhelm-Raabe-Preis der Stadt Braunschweig
  • 1972 Förderungspreis des Andreas-Gryphius-Preises
  • 1976 Karl-Sczuka-Preis
  • 1978 Niedersachsen-Preis
  • 1979 Bundesverdienstkreuz I. Klasse
  • 1980 Jakob-Kaiser-Preis
  • 1981 Hörspielpreis der Kriegsblinden
  • 1983 Johannes-Gillhoff-Preis
  • 1984 Kulturpreis der Landsmannschaft Mecklenburg
  • 1994 Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung
  • 1995 Uwe-Johnson-Preis
  • 1996 Großes Bundesverdienstkreuz
  • 2000 Heimito-von-Doderer-Preis
  • 2002 Dedalus-Preis für neue Literatur
  • 2005 Thomas-Mann-Preis
  • 2005 Hans-Erich-Nossack-Preis
  • 2005 Corine-Ehrenpreis
  • 2006 Hoffmann-von-Fallersleben-Preis
  • 2006 Kulturpreis des Landes Mecklenburg-Vorpommern

Werke (Auswahl)

  • Werke von Walter Kempowski bei Jokers
  • Im Block. Ein Haftbericht. Mit 32 Bildnotizen des Verfassers. EA 1969. München, Knaus Verlag 2004, ISBN: 978-3813502367
  • Tadellöser & Wolff. EA 1971. München, btb Verlag 1996, ISBN: 978-3442720330
  • Uns geht's ja noch gold. Roman einer Familie. EA 1972. München, Dtv 1975, ISBN: 978-3423010900
  • Aus großer Zeit. EA 1978. München, btb Verlag 1996, ISBN: 978-3442720156
  • Ein Kapitel für sich. EA 1975. München, Dtv 1978, ISBN: 978-3423013475
  • Haben Sie davon gewußt? Deutsche Antworten. EA 1979. München, btb Verlag 1999, ISBN: 978-3442725410
  • Schöne Aussicht. EA 1981. München, btb Verlag 1999, ISBN: 978-3442721030
  • Herzlich willkommen. EA 1984. München, btb Verlag 1997, ISBN: 978-3442721900
  • Hundstage. EA 1988. München, btb Verlag 2004, ISBN: 978-3442733118
  • Alkor. Tagebuch 1989. EA 1989/2001. München, btb Verlag 2003, ISBN: 978-3442730933
  • Heile Welt. EA 1998. München, btb Verlag 2000, ISBN: 978-3442726509
  • Der rote Hahn. Dresden im Februar 1945. EA 2001. München, btb Verlag 2001, ISBN: 978-3442728428
  • Das Echolot-Projekt: Das Echolot. Barbarossa ’41. EA 2002. München, btb Verlag 2004, ISBN: 978-3442731756
  • Letzte Grüße. Roman. EA 2003. München, btb Verlag 2005, ISBN: 978-3442733309
  • Das Echolot. Abgesang ’45. Ein kollektives Tagebuch. EA 2005. München, btb Verlag 2007, ISBN: 978-3442736126
  • Alles umsonst. EA 2006. München, Knaus Verlag 2006, ISBN: 978-3813502640
  • Culpa. Notizen zum „Echolot“. EA 2007. München, btb Verlag 2007, ISBN: 978-3442736621

Hörbücher

Sekundärliteratur

  • Hempel, Dirk: Walter Kempowski. Eine bürgerliche Biographie. München, btb Verlag 2004, ISBN: 978-3442732081

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