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Marías, Javier

Javier Marías (geb. 20. September 1951 in Madrid) ist ein spanischer Schriftsteller, Literaturhistoriker? und Hochschullehrer. In Deutschland gelang ihm der Durchbruch als Schriftsteller mit dem Roman „Mein Herz so weiß“ (1992), der innerhalb kürzester Zeit zum Bestseller avancierte.

Leben und Schreiben

Javier Marías - (c) El País

Javier Marías Franco wurde am 20. September 1951 als viertes von fünf Kindern in Madrid geboren. Sein Vater Julián Marías Aguilera war Philosophieprofessor und verbrachte während der Franco-Diktatur einige Monate im Gefängnis. Seine Mutter Dolores Franco Manera arbeitete als Lehrerin. Der Vater, ein gefragter Gastprofessor, verkehrte im Ausland mit bekannten Künstlern und Literaten. So kam es, dass Javier Marías als Kind die Schriftsteller Jorge Guillén? und Vladimir Nabokov? kennen lernte. Marías besuchte ab 1959 in Madrid die Schule. Nach dem Schulabschluss studierte er bis 1973 englische Philologie und Philosophie an der Universität Complutense in Madrid.

Im Anschluss ging er nach Barcelona, wo er bis 1978 als Berater für den Verlag Alfaguara arbeitete. Daneben war er als Übersetzer tätig, schrieb Kurzgeschichten und veröffentlichte Artikel in Zeitungen? und Zeitschriften?. Mit kongenialen Übersetzungen aus dem Englischen machte er sich früh einen Namen als ebenso wortgewandter wie profunder Kenner der europäischen Literatur. Er übertrug unter anderem Thomas Hardy, Robert Louis Stevenson?, Sir Thomas Browne? und William Faulkner in seine Muttersprache. 1979 erhielt er für die Übertragung von Laurence Sternes „Tristram Shandy“ (1713-1768) den nationalen Übersetzungspreis. Weitere wichtige Stationen in der beruflichen Laufbahn von Javier Marías waren: Oxford, London, Boston und Venedig, wo er unter anderem als Dozent für Übersetzungstheorie arbeitete. 1987 kehrte er nach Madrid zurück.

In Spanien geschätzt – in Deutschland schwer verkäuflich

Javier Marías war 19 Jahre alt, als er unter dem Titel „Los dominios del lobo“ (1971) seinen ersten Roman veröffentlichte. Mit der Niederschrift des Buches hatte er im Sommer 1969 in Paris begonnen. 1972 folgte sein zweiter Roman „Travesía del horizonte“ (dt. Die Reise über den Horizont, 2002).

Bereits Anfang der 1980er Jahre galt Javier Marías als einer der bedeutendsten Schriftsteller der spanischsprachigen Welt. Zu dieser Einschätzung trugen sowohl seine Romane als auch seine literaturtheoretischen Schriften bei. Die Kritik feierte ihn als Erneuerer der spanischen Literatur in der Zeit nach Franco. In einer präzisen Sprache schildert und analysiert Marías die widersprüchlichen Empfindungen seiner Protagonisten. Dabei bietet er dem Leser häufig verschiedene Handlungsverläufe an – mit einer faszinierenden Mischung aus Realität und Fiktion fand Marías in der spanischsprachigen Welt zahllose Leser.

Anders das Bild in Deutschland – dort galten seine Bücher lange Zeit als schwer verkäuflich. Erste Veröffentlichungen wie z. B. „Todas las almas“ (1989; dt. Arme Seelen oder Die Irren von Oxford, 1991) fanden zwar das Lob der Fachkritik, nicht aber den Weg zum breiten Publikum?. Das änderte sich erst durch das gewaltige Medienecho, das der Kritiker Marcel Reich-Ranicki mit seiner enthusiastischen Besprechung von Marías’ Roman „Corazón tan blanco“ (1992; dt. Mein Herz so weiß, 1996) auslöste. Eine direkte Folge des überschwänglichen Kritikerlobs war, dass nun auch frühere Veröffentlichungen des Autors nachgefragt wurden. Das gestiegene Publikuminteresse kam auch dem Roman „Arme Seelen oder Die Irren von Oxford“ zugute.

„Arme Seelen oder Die Irren von Oxford“ (1989)

Im Mittelpunkt des Romans „Arme Seelen oder Die Irren von Oxford“ steht ein spanischer Literaturwissenschaftler?, der für zwei Jahre als Gastdozent nach Oxford kommt. (Javier Marías verbrachte als Dozent für spanische Literatur die Jahre 1983 bis 1985 an der Universität Oxford). Der namenlose Ich-Erzähler, der in einer kühlen und distanzierten Sprache von seinen Eindrücken in England berichtet, fühlt sich als Fremdkörper. Er nimmt zwar am Leben der traditionsreichen Universitätsstadt teil – aber so, als würde er nicht dazugehören. Er trifft Menschen, die seltsam steif und wächsern wirken, er beobachtet ihre antiquierten Gepflogenheiten, ihre verstaubten Marotten und schrulligen Spinnereien. England – sollte das etwa nichts anderes sein als ein mit verschrobenen Menschenkarikaturen vollgestopftes Panoptikum auf dem Seeweg zwischen Europa und Amerika? Dann kommt ein Tag, der sein ganzes Leben verändert: Bei einem Dinner begegnet der Ich-Erzähler der verheirateten Dozentin Clare Bayes, und für die Zeit seines Aufenthalts in Oxford werden die beiden ein Liebespaar … Marías durchwirkt diese Liebesgeschichte mit zahllosen literarischen Querverweisen, mit Diskursen über Schreib- und Leseprozesse sowie mit Erinnerungen an berühmte Schriftsteller der Vergangenheit. Das Ergebnis ist ein facettenreiches Lektüreabenteuer, das den Leser bis weit über die eigentliche Liebesgeschichte hinaus begeistert.

„Mein Herz so weiß“ (1992)

Was wie ein Krimi beginnt, entpuppt sich schnell als düster-melancholischer Roman über die Ehe. Gleich zu Beginn von „Mein Herz so weiß“, dessen Titel übrigens auf ein Shakespeare-Zitat aus „Macbeth“ zurückgeht, verübt eine Frau Selbstmord. Erst zum Schluss erfährt der Leser den Grund für ihre Tat. Mord, Selbstmord und Ehe – gehört das zwangsläufig zusammen? Glaubt man dem Pessimisten Javier Marías, dann gibt es auf diese Frage nur eine Antwort: ja, gehört es. Und so erzählt Marías in seinem Roman „Mein Herz so weiß“ von der Beschädigung der Liebe durch die entnervende Banalität des täglichen Zusammenseins. Und er erzählt von der stündlichen Versuchung, den Ehepartner umzubringen, um frei zu werden – frei für das eigene schöne Leben oder für eine neue Beziehung. „Die Woche“ urteilte über den Roman: Mit feiner Ironie und souveräner Delikatesse in der Konstruktion führe Javier Marías die Geschichte zu einer überraschenden Pointe? – nicht ohne jenen Rest Geheimnis, den die fremde und seltsame Welt der Literatur brauche. Für seinen Roman erhielt Marías den Romulo-Gallegos-Preis – einen der begehrtesten Literaturpreise der spanischsprachigen Welt.

„Morgen in der Schlacht denk an mich“ (1994)

Morgen in der Schlacht denk an mich, Buchcover - (c) Klett Cotta

"Niemand denkt je daran, dass er irgendwann eine Tote in den Armen halten könnte." So beginnt Marías' 1994 erschienener Roman "Morgen in der Schlacht denk an mich" (der Titel ist, wie schon öfter, ein Shakespeare-Zitat, diesmal aus Richard III., 5. Akt, 3. Szene). Es beginnt damit, dass der Ich-Erzähler Víctor mit seiner Geliebten Marta schlafen will - einer verheirateten Frau, deren Mann auf Dienstreise in London ist und die er erst kürzlich kennen gelernt hat. Ihr kleiner Sohn schläft bereits - wegen ihm treffen sich die beiden in der Wohnung der Frau und nicht an einem anderen Ort. Doch es kommt anders als geplant: Nach Kurzem stirbt die Frau unerwartet in den Armen ihres Liebhabers. Der schleicht sich aus dem Wohnung, um nicht identifiziert zu werden.

Wie von einem Zwang oder einem Schuldgefühl getrieben, sucht sich Victor in den kommenden Tagen Wege in das Leben der Verstorbenen. Er geht zur Beerdigung, macht die Bekanntschaft ihres Vaters, wird durch dessen Vermittlung unter falschem Namen Redenschreiber für den von Skrupeln und Selbstzweifeln geplagten König. Bei einer unerwarteten Begegnung mit Martas jüngerer Schwester Luisa, die Martas Sohn an der Hand hält, erkennt dieser Victor wieder und Luisa ahnt nun, wer in Martas letzter Stunde bei ihr war. Schließlich hört Victor auch die Beichte von Martas Ehemann, der zum Zeitpunkt von Martas Tod in London nämlich keineswegs auf Dienstreise war ...

Das Buch ist ein Spiel mit Möglichkeiten, falschen Identitäten, ein Kreisen um das Thema der Schuld und der (un)willentlichen Verstrickung in sie. Die Rezensenten lobten nicht zuletzt Marías' Stil, seine fesselnden Beschreibungen und die kühle Ironie?, die hinter dem Erzählten aufscheint.

„Schwarzer Rücken der Zeit“ (1998)

Schwarzer Rücken der Zeit, Buchcover - (c) Klett Cotta

Was ist mit dem Rücken gemeint, der im Titel von Marías' 1998 erschienenem Roman "Schwarzer Rücken der Zeit" (dt. 2000) genannt wird? Es ist Rückseite der Geschichte, jeder Geschichte. Denn Marías treibt ein Verwirrspiel mit jedem Leser, der gern wissen möchte, was wahr ist und was erdacht. Er lässt zu diesem Zweck das Personal aus dem früheren Roman "Alle Seelen" wieder auftreten. Manche dieser Personen gibt es wirklich, manche weisen zumindest Ähnlichkeiten mit ehemaligen Oxford-Kollegen Marias` auf, die sich in "Alle Seelen" wiederzuerkennen glaubten. Andere Figuren wiederum sind frei erfunden.

Die Lebensläufe dreier Männer werden miteinander verwoben: Der Dichter John Gawsworth, sein Mentor Wilfried Ewart und der Abenteurer Hugh Oloff de Wet begegnen einander über Jahrzehnte hinweg immer wieder. Doch weniger wichtig als das, was wirklich mit und zwischen ihnen geschah, ist das, was hätte geschehen können. So ist das Wörtchen "vielleicht" - auch diesmal wieder - eines der häufigsten Wörter bei Marías. Der ganze Roman ist damit zugleich eine Reflexion über das Erzählen und über die komplizierte Beziehung zwischen Kunst und Leben. Die Literaturkritik lobte an dem Buch auch die Übersetzung durch Elke Wehr?.

„Dein Gesicht morgen“ (2002)

Es folgten weitere Publikationen, die auch in Deutschland große Beachtung fanden. Unter anderem erschienen der Roman „Mañana en la batalla piensa en mí“ (1994; dt. Morgen in der Schlacht denk an mich, 1998), die Artikelsammlung „Vida del fantasma“ (1995; dt. Das Leben der Gespenster, 2001) und der Kurzgeschichtenband „Cuando fui mortal“ (1996; dt. Als ich sterblich war, 1999).

Im Jahr 2002 legte Javier Marías unter dem Titel „Tu rostro mañana 1. Fiebre y lanza“ (dt. Dein Gesicht morgen. Band 1. Fieber und Lanze, 2004) den ersten Teil einer Romantrilogie? vor. 2004 erschien der zweite Band „Tu rostro mañana“ (dt. Dein Gesicht morgen. Band 2. Tanz und Traum, 2006). Im Mittelpunkt des surrealistisch anmutenden Romanzyklus? steht Jaime Deza, der früher in Oxford als Dozent tätig war. Nun kehrt er nach England zurück. Er trifft alte Bekannte wieder. Auch seinen damaligen Mentor Sir Peter Wheeler. Doch Wheeler scheint verändert. Ist er tatsächlich Mitglied einer Geheimorganisation? Je länger sich Jaime Deza im Dunstkreis dieser Geheimorganisation bewegt, umso sicherer wird er: Auch er selbst verfügt über eine mysteriöse Gabe – er trägt das so genannte zweite Gesicht in sich. Er kann sehen, wie ein Mensch sich in der Zukunft verhalten wird, er kann erkennen, ob er zum Verräter oder zum Bundesgenossen wird… Viele Figuren der Trilogie? sind dem Leser bereits aus früheren Büchern Javier Marías’ bekannt. Die Reaktionen im Feuilleton? waren überwiegend positiv. Gelobt wurde vor allem die leichte Sprache.

Javier Marías lebt im Madrider Stadtteil Chamberi.

Übrigens ...

ist Javier Marías begeisterter Anhänger des spanischen Fußballvereins Real Madrid. Über die elektrisierenden Berg-und-Talfahrt-Emotionen eines wahren Fußballfans berichtet er in dem Auswahlband „Alle unsere frühen Schlachten“ (2000).

Auszeichnungen

Werke (Auswahl)

  • Bücher von Javier Marías bei Jokers
  • Alle Seelen. EA 1989. München, dtv 1998, ISBN: 978-3423125758
  • Mein Herz so weiß. EA 1992. München, dtv 1998, ISBN: 978-3423125079
  • Morgen in der Schlacht denk an mich. EA 1994. München, dtv 1999, ISBN: 978-3423126373
  • Das Leben der Gespenster. EA 1995. München, dtv 2003, ISBN: 978-3423130547
  • Als ich sterblich war. EA 1996. München, dtv 2000, ISBN: 978-3423127790
  • Schwarzer Rücken der Zeit. EA 1998. Klett-Cotta, Stuttgart 2000, ISBN: 978-3608935080
  • Alle unsere frühen Schlachten. Fußball-Stücke. EA 2000. München, dtv 2002, ISBN: 978-3423130103
  • Dein Gesicht morgen. Band 1. Fieber und Lanze. EA 2002. Stuttgart, Klett-Cotta Verlag 2004, ISBN: 978-3608936360
  • Dein Gesicht morgen. Band 2. Tanz und Traum. EA 2004. Stuttgart, Klett-Cotta Verlag 2006, ISBN: 978-3608937152

Hörbücher

  • Morgen in der Schlacht denk an mich. 2 CDs. München, Dhv der Hörverlag 1998, ISBN: 978-3895845710
  • Während die Frauen schlafen. CD. Berlin, Wagenbach Verlag 2000, ISBN: 978-3803140456

Sekundärliteratur

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