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Mein letzter Versuch die Welt zu retten

von<br> Jo Lendle

Im April 1984 versammeln sich die AKW-Gegner im Wendland, um gegen den Castortransport nach Gorleben zu demonstrieren. Alle haben sie unterschiedliche Motivationen und Erwartungen, auch der siebzehnjährige Florian macht sich mit seiner Clique und dem geliehenen Bus der Gemeinde auf den Weg ins Wendland.

Alle sieben haben sich herausgeputzt: Die Jungen tragen Anzüge, die Mädchen Blusen. Im Falle einer Polizeikontrolle werden sie der Jugendkammerchor sein, der seine Partnergemeinde in Lüchow-Dannenberg besuchen will. Für mehr Authentizität üben sie im Wagen gar noch das Lied "Ich hatte viel Bekümmernis", um es im Notfall schnell anstimmen zu können. Im Wendland angekommen, bauen sie ihre Zelte auf. Abens dann führt die Gewaltfrage zu hitzigen Diskussionen unter den Demonstranten. Die Straßen werden schließlich aufgeteilt: die Frauen, die Bauern, die Autonomen und die Gewaltfreien, sie alle bekommen ihre eigene Bundesstraße zum Blockieren. Als aus einem Polizeiwagen eine Waffe gestohlen wird, gerät die Polizei in Aufruhr und was eben noch den Eindruck eines Feriencamps machte, wird nun mitten in der Nacht von der Polizei geräumt. Schon bald wird die Realität surrealer und absurder, und am Ende ist Florian tot.

Jo Lendle?, dessen Debütroman? „Die Kosmonautin“ 2008 von der Presse sehr gelobt wurde, lässt in seinem zweiten Roman "Mein letzter Versuch die Welt zu retten" den toten Florian von seiner Reise ins Wendland berichten: Sieben Freunde brechen auf, um die Welt zu retten, doch nur sechs kehren lebend zurück. Dass der Ich-Erzähler Florian tot ist und die Geschichte einen Tag vor seinem Tod einsetzt, erfährt der Leser bereits auf der ersten Seite. Doch es geht in dem Roman nicht darum, Ereignisse zu schildern, die zum Tod Florians geführt haben, und es geht auch nicht darum einen Staat anzuklagen oder die Polizei.

Es sind es vor allem die Demonstranten, die kritisch betrachtet werden und die sich in Form von Florian selbst hinterfragen. Florian kommt beispielsweise nie recht im Wendland an, fühlt sich als Gast und vermisst bei sich die Selbstverständlichkeit, die die Bauern der Region bei ihrem Protest zeigen. Die Rolle, die er spielt, sitzt wie sein zu klein geratener Konfirmandenanzug, den er vergebens versucht loszuwerden. Während Florian von der Vergangenheit erzählt, vor allem vom Verlauf seiner unglücklichen Beziehung zu Antonia, genannt Anton, vor Polizisten davonläuft oder Straßen blockiert, fällt die Gruppe nach und nach auseinander, eine Person nach der anderen geht der Gruppe verloren, bis am Ende nur noch Florian und Anton übrig bleiben.

Dieses Aufbrechen der Gruppe, dieses Nach-und-Nach-Verlorengehen ihrer Mitglieder wirkt am Ende dann ein wenig überkonstruiert, aber abgesehen davon hat Jo Lendle einen schönen Roman geschrieben, der unprätentiös und ohne Zeigefinger Überzeugungen und die auf ihnen fußenden Handlungen hinterfragt, ein bisschen melancholisch ist und ein bisschen witzig, ein bisschen Pubertät beschreibt und ein bisschen linke Mentalität der 1980er Jahre. Wer immer das Wendland zu Zeiten der Castortransporte kennt, wird es hier wiedererkennen. Was vielleicht auch daran liegt, dass Lendle wie sein Protagonist Florian ebenfalls 1984 zugegen war, um zu protestieren.

Ein nachdenklich stimmender Roman, an dessen Ende man sich vor allem fragt, wie viele der Demonstranten genauso plan- und ziellos sind wie Florian und ob dies eine Stärke ist oder eine Schwäche.

Originalbeitrag unter www.Media-Mania.de

Literaturangaben

  • Lendle, Jo: Mein letzter Versuch die Welt zu retten. DVA, München 2009. 256 S., 19,95 €, ISBN: 978-3421043917

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