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Munro, Alice

Alice Munro (geb. 10. Juli 1931 in Wingham/Ontario) ist eine kanadische Schriftstellerin. Sie erhält den Literatur-Nobelpreis 2013.

Leben und Schreiben

Alice Munro - (c) Jerry Bauer

Alice Munro wurde am 10. Juli 1931 als Alice Ann Laidlaw in Wingham/Ontario geboren. Dort bewirtschafteten ihre Eltern eine Zuchtfarm für Silberfüchse, die in der Wirtschaftsdepression der 1930er Jahre den Betrieb einstellen musste. Alice war das älteste von drei Kindern. Ihr Vater Robert Eric? hatte neben seiner Tätigkeit als Farmer den wenig gelesenen Roman „The Mc Gregors?“ veröffentlicht. Ihre Mutter Ann, die vor der Ehe als Lehrerin tätig gewesen war, erkrankte 1941 an einer seltenen Variante der Parkinson-Krankheit, der sie 1959 erlag. Die Beziehung zur Mutter war von intensiven Konflikten geprägt. Die Mutter hatte die Absicht, Alice zu einer Dame der feinen Gesellschaft zu erziehen – was jedoch nicht dem Lebensplan ihrer frühreifen und mit einer sprühenden Phantasie begabten Tochter entsprach. Bereits in jungen Jahren flüchtete sich Alice in die Welt der Bücher. Dort empfing sie die intellektuellen und atmosphärischen Eindrücke, die sie im Elternhaus vermisste. Später teilte sie mit, dass sie bereits in dieser Zeit den Wunsch gehabt habe, Schriftstellerin zu werden und eigene Bücher zu schreiben.

1949 erhielt Alice ein Stipendium für die University of Western Ontario. Dort studierte sie ab 1949 Journalismus. 1951 brach sie das Studium ab – teils aus Geldmangel, teils aus Unlust am akademischen Betrieb. Bereits während des Studiums war es ihr gelungen, eine ihrer Short Storys an einen lokalen Radiosender zu verkaufen.

„Dance of the Happy Shades“ (1968)

1951 zog sie mit ihrem Mann Jim Munro nach Vancouver. Aus der Ehe gingen vier Töchter hervor, von denen eine noch im Kindbett starb. 2002 veröffentlichte ihre Tochter Sheila Munro? unter dem Titel „Lives of Mothers and Daughters. Growing Up With Alice Munro” ihre Kindheitserinnerungen. Neben der Erziehung ihrer Kinder widmete sich Alice Munro weiterhin dem Schreiben. Es verging kaum ein Tag, an dem sie nicht am Schreibtisch saß und Szenen, Dialoge? und Expositionen? zu Papier brachte – den Großteil ihrer Manuskripte aus der damaligen Zeit hat sie später vernichtet. Der ersehnte Erfolg als Schriftstellerin sollte jedoch noch etliche Jahre auf sich warten lassen.

1963 zog die Familie nach Victoria in British Columbia, wo Alice Munro im Buchladen ihres Mannes tätig war. Der Buchladen und ihr Schreibtisch waren die liebsten Orte in ihrem Leben, erklärte sie später in einem Interview. Mit Eifer arbeitete sie weiter an ihrer Karriere als Schriftstellerin. 1968 war es endlich soweit – unter dem Titel „Dance of the Happy Shades“ legte Alice Munro eine Sammlung von Short Storys vor. Die meisten der Geschichten spielen in Ontario. Einer Provinz im Südosten Kanadas: Sümpfe, Seen, Landwirtschaft. Dort war Alice Munro aufgewachsen. Dort hatte sie ihre ersten Konflikte mit sich selbst und ihrer Umwelt ausgestanden. Sie erzählt davon, wie Kinder und Jugendliche ihre eigene Identität entdecken und dabei mit Gefühlen wie Liebe und Angst konfrontiert werden. Der Mutter-Tochter-Konflikt, das provinzielle Milieu und zwischenmenschliche Sprachlosigkeit sind häufig wiederkehrende Themen.

Bereits in diesen frühen Prosastücken war Alice Munros zurückhaltender und sensibler Erzählstil voll ausgeprägt. Im Feuilleton? wurde der Band mit viel Lob bedacht. Insbesondere die realistischen Milieuschilderungen rissen die Kritiker zu begeisterten Rezensionen hin. 1969 wurde Alice Munro mit dem mit dem Governor General’s Literary Award geehrt. 1978 und 1987 wurde sie erneut mit dem bedeutendsten kanadischen Literaturpreis ausgezeichnet

„Kleine Aussichten“ - der einzige Roman

Von dem außergewöhnlichen Erfolg ihres Debüts? angetrieben, legte Alice Munro 1971 den Roman „Lives of Girls and Women“ (1971; dt. Kleine Aussichten) vor. Trotz der positiven Resonanz auf ihren ersten – und bis heute einzigen – Roman war sie mit ihrer Arbeit unzufrieden. Diese Enttäuschung hatte formale Gründe. In einem Interview erklärte sie, dass die Abfassung des Romans eine Qual gewesen sei. Eine Qual aber, die letztendlich zu einer wertvollen Einsicht geführt habe: dass nämlich die Short Story die ihr gemäße Form des Schreibens sei.

In den folgenden Jahren wurde Alice Munro zu einer der populärsten Schriftstellerinnen Kanadas. Leser, Kollegen und Rezensenten waren gleichermaßen von ihrem literarischen Talent beeindruckt. Vergleiche mit Anton Tschechow? und Ernest Hemingway waren Ausdruck dieser Faszination. Das Feuilleton? verlieh ihr den Beinamen „Meisterin der Short Story“. 1978 wurde ihr Erzählband „Who Do You Think You Are?“ für den Booker Prize? nominiert. Darin erzählt sie in kurzen Episoden vom Leben einer jungen Frau, die ihre Heimatstadt und die dort herrschende Atmosphäre der Spießigkeit und provinziellen Enge hinter sich lassen möchte. Durch ein Universitätsstipendium bietet sich ihr plötzlich die Möglichkeit dazu. Doch dieser Schritt, der scheinbar in die Freiheit führt, hat nicht nur positive Folgen. Sie gerät in einen Sog von Ereignissen und zwischenmenschlichen Konflikten, von deren Tragweite sie sich nicht einmal im Traum eine Vorstellung gemacht hatte.

Munros Protagonistinnen

Alice Munros Helden sind zumeist einfache Menschen, die sie mithilfe vieler realistischer Details psychologisch komplex darstellt. Sie schreibt häufig aus der Perspektive eines Mädchens, dessen Träume von sexueller Freiheit und ungebundenem Künstlertum mit einer kruden und verständnislosen Wirklichkeit konfrontiert werden. Mit Blick auf ihren 1986 erschienenen Erzählband „The Progress of Love“ (dt. Der Mond über der Eisbahn) stellte die „New York Times“ begeistert fest, dass Alice Munro in ihren Short Storys detailreiche Lebenspanoramen entwerfe – andere Autoren benötigten dafür eine ganze Romantrilogie?.

1994 veröffentlichte sie den Sammelband „Open Secrets“ (dt. Offene Geheimnisse), in dem sie aus Erinnerungen, Bildern und Gesprächen die fiktiven Lebensläufe von Frauen rekonstruiert. Vor dem Leser entfaltet sich das Panorama eines ganzen Jahrhunderts. Dabei ist ihr Erzählton mal frech und kraftvoll, mal melancholisch und zurückhaltend. Mit den wechselvollen Beziehungen zwischen Müttern und Töchtern befasst sie sich in der Erzählsammlung „The Love of a Good Woman“ (1998), die in der „International Herald Tribune“ für ihre Feinheit, Eleganz und Subtilität gelobt wurde. In Deutschland wurde die Sammlung in zwei Teilen publiziert: 2000 erschien „Die Liebe einer Frau“, 2002 „Der Traum meiner Mutter“.

Nobelpreis für Literatur

Im Oktober 2001 musste sich Alice Munro einer Herzoperation unterziehen, von der sie sich nur langsam erholte. 2004 meldete sie sich mit dem Erzählband „Runaway“ (dt. Tricks) eindrucksvoll in der Literaturszene zurück. Manche Rezensenten glaubten, in den Geschichten intensive Anklänge an das Genre des Southern Gothic? zu erkennen. Zu dieser Einschätzung wurden sie durch die düstere Atmosphäre der Erzählungen veranlasst, in denen die Heldinnen mit geheimnisvollen und dunklen Bereichen ihrer Seele konfrontiert werden.

Der amerikanische Autor Jonathan Frantzen? sagte in einem Interview über seine Kollegin, dass sie mit ihren in den letzten Jahren veröffentlichten Short Storys den wirklich großen Sprung in die Weltklasse gemacht habe und zur Meisterin der Spannung geworden sei. Im Jahr 2013 geschieht dann, worauf viele Leser und Kritiker gewartet haben: Sie erhält den Literatur-Nobelpreis.

Alice Munro ist seit 1976 mit dem Geographen Gerald Fremlin verheiratet. Das Ehepaar lebt in Kanada.

Übrigens ...

Häufig wird Alice Munro als „kanadischer Tschechow?“ bezeichnet. Dazu bemerkte ein Rezensent augenzwinkernd, dass dieser Beiname zwar ein viel zitiertes Feuilleton-Klischee sei, aber ein treffendes. Denn wie Tschechow? habe sie ein scharfes Auge fürs Detail und eine erstaunliche Empathie für Menschen jeglicher Art.

Auszeichnungen

  • 1969, 1978 und 1987 Governor General’s Literary Award
  • 1974 Province of Ontario Council for the Arts Award
  • 1976 Ehrendoktor der University of Western Ontario
  • 1977 Canada-Australia Literary Prize
  • 1980 Marian Engel Award
  • 1991 Canada Council Molson Prize
  • 1991 Commonwealth Writers’ Prize
  • 1991 Trillium Book Award
  • 1994 Order of Ontario Medal
  • 1998 und 2004 Giller Prize for Fiction
  • 1999 National Book Critics Circle Award
  • 2005 Kulturpreis „Königreich von Redonda“
  • 2009 Man Booker International Prize
  • 2010 Ritter des Ordre des Arts et des Lettres?
  • 2013 Nobelpreis für Literatur

Werke (Auswahl)

  • Bücher von Alice Munro bei Jokers
  • Tanz der seligen Geister (OA: Dance of the Happy Shades, 1968). Dörlemann Verlag, Zürich 2010, ISBN 978-3908777557
  • Kleine Aussichten (OA: Lives of Girls and Women, 1971). Berlin, Berliner Taschenbuch Verlag 2005, ISBN: 978-3833300240
  • Das Bettlermädchen. Geschichten von Flo und Rose. EA 1978. Berlin, Berliner Taschenbuch Verlag 2003, ISBN: 978-3833302503
  • Die Jupitermonde (OA: The Moons of Jupiter, 1982). Berlin, Berliner Taschenbuch Verlag 2002, ISBN: 978-3833302527
  • Der Mond über der Eisbahn. Liebesgeschichten (OA: The Progress of Love, 1986). Berlin, Berliner Taschenbuch Verlag 2002, ISBN: 978-3833302510
  • Glaubst du, es war Liebe? (OA: Friend of My Youth, 1990). Berlin, Berliner Taschenbuch Verlag 2005, ISBN: 978-3833300035
  • Offene Geheimnisse. Erzählungen (OA: Open Secrets, 1994). Stuttgart, Klett-Cotta 1999, ISBN: 978-3608933710
  • Die Liebe einer Frau. Drei Erzählungen und ein kurzer Roman (OA: The Love of a Good Woman, 1998). Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch 2004, ISBN: 978-3596157082
  • Himmel und Hölle. Neun Erzählungen (OA: Hateship, Friendship, Courtship, Loveship, Marriage, 2001). Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch 2006, ISBN: 978-3596157075
  • Tricks. Acht Erzählungen (OA: Runaway, 2004). Frankfurt am Main, S. Fischer Verlag 2006, ISBN: 978-3100488268
  • Der Traum meiner Mutter. Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch 2005, ISBN: 978-3596161638
  • Wozu wollen Sie das wissen? Elf Geschichten aus meiner Familie (OA: The View from Castle Rock, 2006). Frankfurt am Main, S. Fischer Verlag 2008, ISBN 978-3100488275)
  • Zu viel Glück. Zehn Erzählungen (OA: Too much happiness, 2009). Frankfurt am Main, S. Fischer Verlag 2011, ISBN: 978-3100488336
  • Liebes Leben. Erzählungen (OA: Dear Life, 2012). S. Fischer Verlag 2013

Hörspiele

  • Himmel und Hölle. 2 CDs. Zürich, Kein & Aber 2005, ISBN: 978-3036911588
  • Tricks. 2 CDs. Hamburg, Parlando Edition Christian Brückner 2006, ISBN: 978-3935125604

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