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Die Offene Bibliothek
Die in den USA lebenden Künstler Michael Clegg (geb. 1957 in Dublin) und Martin Guttmann (geb. 1957 in Jerusalem) wurde vor allem durch ihre Portraits von autoritär posierenden Geschäftsleuten und Kunstsammlern aus den 1980er Jahren bekannt.
Bücher als Wissens- und Kommunikationsträger wurden seit Beginn der 1990er Jahre das vorherrschende Thema ihrer Arbeit. Eines der bekanntesten Projekte von Clegg & Guttmann war hierbei „Die Offene Bibliothek“. Zunächst in Graz, dann in Hamburg und später in Mainz wurden wetterfeste Bücherschränke, teilweise aus umgebauten Schaltschränken, in verschiedenen Stadtteilen aufgestellt. Dort konnte man nach Belieben Bücher entnehmen oder austauschen, wodurch das Lese- und Kommunikationsverhalten der Bewohner eines Stadtteils erkennbar werden sollte. Parallel dazu wurde das jeweilige Projekt mit einer Innenausstellung dokumentiert.
Ablesbar war die ganze Bandbreite unreglementierter sozialer Interaktion. Sie reichte von völliger Zerstörung über begeisterte Annahme bis hin zu Bürgerinitiativen zur Fortsetzung des Projekts.
Genutzt wurden die Installationen dann auch für die aufkommende Bewegung des Bookcrossings. Die Vorbesitzer eines Buches registrierten das eingestellte Buch zuvor im Internet und versahen es mit einer Registriernummer. Fortan konnte der Weg des Buches weltweit nachverfolgt werden.
1991 Graz
1991 wurden einfache Bücherschränke an drei verschiedenen Orten der Stadt Graz aufgestellt. Angebracht wurden Aufforderungen, sich ein Buch auszuborgen, es nach einiger Zeit wieder zurückzustellen und die Auswahl durch eventuelle Bücherspenden zu erweitern. Es gab dabei keinerlei Hinweise, dass es sich hier um ein Kunstwerk handelte. Bereits im Konzept der Bibliotheken wurde festgelegt, dass diese ohne Sicherheits- oder Kontrollmaßnahmen auskommen müssen.
Die Schränke wurden an teilweise schwer zugänglichen Orten, wie beispielsweise auf der Verkehrsinsel eines Autobahnstumpfes, aufgestellt und sollten diese Räume für neues Leben erschließen. Von den drei Grazer Schränken wurden einer über drei Monate genutzt, ein zweiter war nach sechs Wochen leer geräumt und der dritte wurde mutwillig zerstört.
1993 Hamburg
Im Herbst 1993 realisierten Clegg & Guttmann ihr Projekt "Die Offene Bibliothek" in Hamburg. Benutzt wurden dafür ehemalige Schaltschränke der Hamburger Elektrizitätswerke. Auch in Hamburg wurden drei Stadtteile ausgewählt, Kirchdorf-Süd, Barmbek und Volksdorf.
Unterstützt und dokumentiert wurde „Die Offene Bibliothek“ von einer Studentengruppe der Universität Lüneburg, Fachbereich Angewandte Kulturwissenschaften unter der Leitung des Soziologen Dr. Ulf Wuggenig.
Und wieder funktionierte "Die Offene Bibliothek" rund um die Uhr und ohne jegliche Kontrolle bzw. Reglementierung. Im Ergebnis wurde der Bibliotheksteil in Kirchdorf-Süd mehrmals komplett beräumt und letztlich zerstört. Der Barmbeker Teil wurde indes sehr gut angenommen und für den Volksdorfer Ableger setzte sich sogar eine Bürgerinitiative für den weiteren Erhalt ein.
1994 Mainz
Im Rahmen des Mainzer Kultursommers 1994 wurde "Die Offene Bibliothek" nun auch in zwei Mainzer Stadtteilen realisiert, in Neustadt an der Ecke Tanusstraße/Feldbergplatz und auf einer grünen Wiese am Rande der Berliner Siedlung am Ende des Fußwegs von der Berliner Straße zum Dampfbahnweg. Zwei ehemalige Stromverteilerkästen wurden zum Start jeweils mit rund 450 Büchern bestückt, auch hier ohne Aufsicht und feste Rückgabefristen. In Mainz wurde „Die Offene Bibliothek“ über den Sommer 1994 hinaus zu einer festen Instanz. Nach Rückmeldung zum Bücher-Wiki war im Juli 2008 zumindest der Bücherkasten an der Ecke Tanusstraße/Feldbergplatz auf jeden Fall noch aktiv in Gebrauch, gut gefüllt und unbeschädigt.
Ähnliche Projekte
2010 Wien
Der am 5. Februar 2010 seiner Bestimmung übergebene offene Bücherschrank befindet sich Ecke Zieglergasse-Westbahnstraße, im 7ten Wiener Bezirk. Er ist von zwei Seiten zu öffnen, besitzt drei Ebenen und schafft Stauraum für ca. 250 Bücher. Als Material für den Korpus wurden zementgebundenen Holzfaserplatten gewählt, die Türen bestehen aus kalt brünierten und lackierten Stahlprofilen mit einer Füllung aus bruchsicherem Kunststoffglas.
Das Projekt wurde organisatorisch sowie finanziell von Frank Gassner realisiert und ist vorerst bis zum 11. Juni 2010 genehmigt. Gebaut wurde der Schrank mit Hilfe des Vereins WERKIMPULS, einer selbstverwalteten Werkstatt, die ebenfalls auf eine Initiative von Frank Gassner zurückgeht.
Sonstige
Inzwischen findet die Idee frei zugänglicher Bücherregale immer mehr Nachahmer (Auswahl):
- Frankenberg (Eder)
- Wiesloch
- Bonn-Poppelsdorf
- Bonn-Duisdorf
- Bonn-Beuel
- Bonn-Ramersdorf
- Frankfurt-Nordend
- Berlin
- Leibniz
- Hannover
Links
Umfangreiche Liste und Karte offener Bücherschränke in Deutschland
Homepage zur Offenen Bibliothek Graz
Homepage zur Offenen Bibliothek Hamburg
Homepage zur Offenen Bibliothek Mainz
Homepage zum Offenen Bücherschrank Wien
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