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Pessoa, Fernando

F. Pessoa auf einem Buchcover - (c) S. Fischer Verlag

Fernando Antonio Nogueira de Seabra Pessoa (geb. 13. Juni 1888 in Lissabon; gest. 30. November 1935 ebendort) war ein portugiesischer Dichter und Schriftsteller. Er war als vor allem als Lyriker tätig. Auch hat er ein Theaterstück, Essays und selbstreflexive Prosa hinterlassen. Pessoa gilt als eine Portalfigur der literarischen Moderne? Europas. Er ist nach Luís de Camões? der bedeutendste Dichter portugiesischer Sprache und der bedeutendste moderne Dichter Portugals.

Leben und Schreiben

Fernando Pessoa wurde 1888 in eine Lissaboner Bürgerfamilie hineingeboren. Sein Vater, Joaquim de Seabra Pessoa, war Ministerialdirigent im Justizministerium und Musikjournalist. Seine Mutter war Dona Maria Magdalena Pinheiro Nogueira. Als Pessoa fünf Jahre alt war, starben sein Vater und sein älterer Bruder. Ein Verlust, von dem er sich nie wirklich erholte.

Kindheit und Jugend

Schon in der Kindheit und Jugend zeigte sich die literarische Neigung des späteren Dichters. Mit fünf Jahren schrieb er in gestochener Handschrift? und orthographisch? fehlerfrei ein Gedicht an die "Liebe Frau Mama"; als Jugendlicher zeigte er erstmals, was für ihn später tendenziell bedeutend sein würde: das Verschwinden hinter einem Heteronym?. Charles Robert Annon, Jacob Satan und Alexander Search - das Höchste erstrebend und noch auf der Suche nach sich selbst - waren die ersten fiktiven Begleiter des einsamen Jugendlichen.

Seine Mutter heiratete erneut, den portugiesischen Diplomaten und Konsul in Durban, Südafrika, Joao Miguel Rosa. Die Familie zog nach Durban, das für Pessoa nun zu seiner zweiten Heimat wurde. In diversen Internaten wurde er auf Englisch erzogen und schrieb viele Gedichte in dieser für ihn neuen Sprache. Ihm gelang es damit sogar, den Queen Victoria Memorial Price zu gewinnen.

Mit siebzehn Jahren zog es den jungen Dichter nun alleine nach Lissabon, wo er für ein Semester an der dortigen Universität Philosophie studierte, aber dem akademischen Betrieb nichts abgewinnen konnte und sich entschied, Lissabon, die Stadt selbst, zu seiner Universität zu machen.

Einsames Leben in Lissabon

Es folgte ein Leben ohne größere Ereignisse: Pessoa hatte diverse Anstellungen als Handelskorrespondent, der Briefe? und Korrespondenz ins Englische und Französische und umgekehrt aus diesen Sprachen ins Portugiesische übersetzte. Er lebte in möblierten Wohnungen, die er oft wechselte. Nachts und in seiner freien Zeit schrieb Pessoa immens viel. Nur wenig - in verstreuten Anthologien? und Magazinen - wurde veröffentlicht?. Zu Lebzeiten erschien lediglich ein Jahr vor seinem Tode der esoterische Gedichtband? "Mensagem".

Freundschaften zur künstlerischen Avantgarde von Portugal

In Portugals literarischen Kreisen war Pessoa dennoch bekannt. Er verkehrte mit zahlreichen Dichtern und Künstlern, so etwa Mario de Sa-Carneiro, Antonio Botto, Raul Leal, Almada-Negreiros (ein Maler und Universalkünstler), Vitor Braga (heute würde man "Starphotograph") sagen, Joao Gaspar Simoes, Elizir Kaminezky, Augusto Ferreira Gomes, Carlos Queiroz und viele andere. Außer Sa-Carneiro, dessen Selbstmord 1916 Pessoa in eine tiefe Krise stürzte, waren die Künstler und Literaten aber doch eher gute Bekannte. Pessoa ließ niemanden nahe an sich heran, was es späteren Biographen schwer machte, ein klares Bild des Dichters zu zeichnen.

Mit Sa-Carneiro begründete Pessoa die legendäre Zeitschrift? "Orpheu" (Orpheus), die es nur auf zwei Ausgaben? brachte, aber in ganz Portugal als Werk von Wahnsinnigen diskutiert und sogar konfisziert wurde. Mit diesem Magazin begann endgültig die literarische und künstlerische Moderne? Portugals.

Ein kompliziertes Liebesleben

Eine einzige Liebschaft hatte der Dichter im Lauf seines Lebens - die zu der 19-jährigen Ophélia Queiroz. Die Beziehung dauerte einige Monate, während denen Liebesbriefe hin und hergingen, sehr verspielte, teilweise sogar kindlich-alberne Briefe. Dann brach der Kontakt ab. Erst Anfang der 1930er-Jahre nahm Ophélia nochmals Kontakt mit Pessoa auf: Ihr Neffe Carlos Queiroz, ebenfalls ein Dichter und mit Pessoa befreundet, zeigte ihr ein Foto, auf dem der Dichter trinkend zu sehen war. Doch die Beziehung hielt auch diesmal nicht. Viele Wissenschaftler vermuten, dass Pessoa auf platonische Weise homosexuell gewesen sei. In diversen Gedichten hat er die Homophilie jedenfalls besungen.

Fernando Pessoa starb am 30. November 1935 an den Folgen einer Leberzirrhose in einem Lissaboner Krankenhaus. In drei Zeitungen erschienen Nachrufe?. Heute ist Pessoa in Lissabon allgegenwärtig. Straßen sind nach ihm benannt, und vor einem der berühmten Cafés, in denen er verkehrte, befindet sich eine Skulptur: eine sitzende Figur, die den Dichter darstellt.

Politischer und künstlerischer Außenseiter

Pessoas Werk? ist einzigartig in der Literaturgeschichte Europas. Er schrieb hauptsächlich Gedichte? und veröffentlichte diese unter diversen Heteronymen?. Ein Heteronym unterscheidet sich von einem Pseudonym, da nicht nur der Name geändert ist, sondern die gesamte Biographie bis zur Physiognomie eine eigenständig, erfundene Figur ausmachen, hinter der sich der Dichter versteckt. Die bekanntesten von über siebzig Heteronymen waren Alberto Caeiro, Alvaro de Campos, Ricardo Reis und Bernardo Soares. Weitere lauteten etwa Antonio Mora, der Baron von Teive und Vincente Guedes.

Die wichtigsten Heteronyme

Briefe?, Leserbriefe, Gedichte, Essays - alles wurde mit diesen Heteronymen unterschrieben. Der Mensch Pessoa verschwand hinter diesen fiktiven Existenzen. Alberto Caeiro etwa ist ein einsamer Dichter, der in den Tiefen Portugals als Hirte lebt und tautologische Gedichte schreibt (Die Blume ist eine Blume, der Fluss ist ein Fluss). Ohne Frau und Kinder, ja ohne Mitmenschen wirkt der Jungverstorbene wie ein Adam ohne Eva in einem verlorenen Paradies.

Caeiro ist der "Meister" für Alvaro de Campos, den bisexuellen Schiffsbauingenieur, der in Glasgow arbeitete und den Außenseitern der Gesellschaft in seinen Versen besondere Aufmerksamkeit schenkte: Behinderte, Obdachlose, Schwule, Bettler, Bohemiens der Ober- wie der Unterschicht, Alkoholiker, Kleinkriminelle sind sein Milieu, das er besingt.

Ihm zur Seite steht Ricardo Reis, Arzt in Brasilien, der, angelehnt an die großen griechischen und römischen Klassiker, Oden? und neoklassizistische? Lyrik schreibt.

Der Letzte im Bunde, das Alter Ego von Pessoa, der Hilfsbuchhalter Bernardo Soares, ist der einzige Prosaist unter den bedeutenden Heteronymen Pessoas. Er schreibt das Buch, dass Pessoa weltbekannt und zur Legende macht: "Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares". Dieses Buch enthält vor allem philosophisch-didaktische und soziologische Selbstreflexionen. Pessoa lässt den Leser an seiner gesamten Erfahrungswelt und seinem Inneren teilhaben. Eine Welt der Trauer, der Einsamkeit, des Beobachtens, der Feier des Dunklen öffnet sich dem Leser.

Pessoa hat jedoch durchaus auch unter eigenem Namen geschrieben. Insgesamt wurden über siebenundzwanzigtausend Seiten? in zwei Truhen gefunden. Bis heute ist sein Nachlass? nicht vollständig bearbeitet. So harren etwa die Tagebücher der Veröffentlichung?.

Literarische Einordnung

Das Schreiben Pessoas ist geprägt von der englischen und französischen Literatur. Als portugiesische Vorbilder gelten oftmals António Duarte Gomes Leal? (der "portugiesische Baudelaire") oder der jung verstorbene Dichter Cesário Verde?. Pessoa wusste um seine eigene Bedeutung für die portugiesische Literatur: Er sprach von der Ankunft eines "Super-Camões", in Anlehnung an Portugals großen Nationaldichter der Renaissance?, Luís de Camões?, (1524-1580), den bedeutendsten Dichter portugiesischer Zunge.

Erst nach seinem Tode erlangte Pessoa eine in Portugal und im Ausland ihm gebührende Bekanntheit. Einige bedeutende ausländische Autoren wie Octavio Paz, Jorge Luis Borges oder Antonio Tabucchi haben sich mit ihm eingehend beschäftigt. Zahlreiche Bücher Pessoas wurden bereits in Deutsche übertragen.

Politik und Weltanschauung

Politisch war Pessoa strikt konservativ. Er verehrte den portugiesischen Militärdiktator Sidonio Pais und forderte einen starken und autoritären Staat, der für ihn nur in der Monarchie verwirklicht werden konnte. Kommunismus, Faschismus und Demokratie lehnte er entschieden ab. Dass Pessoa kein Faschist war, zeigt schon die Tatsache, dass er zur Verteidigung der beiden verfolgten homosexuellen Dichter António Botto? und Raul Leal? einen Essay schrieb. Und eines seiner Heteronyme?, Alvaro de Campos, ist als Jude gezeichnet. Pessoa hatte mütterlicherseits jüdische Vorfahren.

Eine Neigung zu Okkultismus und Esoterik kann dem Dichter nicht abgesprochen werden. Er sprach von Astralreisen, legte regelmäßig für alles und jeden Horoskope an und traf sich sogar mit dem weltbekannten Okkultisten und Satanisten Aleister Crowley. Pessoa sah sich selbst als Agnostiker, der die Kirche ablehnte, nicht aber die Möglichkeit von Gottes Existenz.

Literarische Arbeiten

„Mensagem“ (Botschaft) Gedichtband, 1934

Dieser Gedichtband ist das einzige Werk, das Pessoa eigenständig publiziert hat. Es ist ein Jahr vor seinem Tode erschienen. Darin befindet sich das legendäre Gedicht „Portugiesisches Meer“, weitere bekannte Gedichte sind „Abdankung“ und „Antinous“, ein Gedicht über den Liebhaber Kaiser Hadrians. Auch einige der englischsprachigen Gedichte Pessoas sind hier abgedruckt.

Der eigentliche Zyklus? aber umfasst die in zwei Teile gruppierten Gedichte unter dem Titel „Mensagem“. Darin besingt Pessoa, ähnlich den Luisiaden von Camões, die ruhmreiche und heldenhafte Geschichte Portugals als Land der Entdecker und Weltenfahrer. Einige Gedichte freilich erschließen sich dem Leser nicht, sie sind vor allem in freimaurerischen und rosenkreuzerischen Zusammenhängen zu verstehen. Auch kleine Texte über den Sebastianismus und das sogenannte Fünfte Reich, als dessen Anwärter unter anderem Portugal bis heute gesehen wird, sind darin zu finden.

„Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares“

Dieses Buch, an dem Pessoa von etwa 1913 bis zu seinem Tode schrieb, gilt als sein bekanntestes Werk? und ist auch sein bedeutendstes Prosawerk. In rund 480 kleinen Texten, die dem Heteronym Bernardo Soares, einen bedeutungslosen Hilfsbuchhalter,zugeschrieben werden, wird die metaphysische Unruhe des Dichters (daher der Titel des Buches) spürbar. Soares reflektiert über alles und jeden: Regen, Spaziergänge, die Nacht, Portugal, Schlaflosigkeit. Man geht davon aus, dass die Aussagen in dem Buch durchaus Ansichten von Pessoa wiedergeben.

Werke (Auswahl)

Sekundärliteratur (Auswahl)

  • Crespo, Angel: Fernando Pessoa. Das vervielfältigte Leben. Eine Biographie. EA 1996. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1998, ISBN: 978-3596139675
  • Dix, Steffen: Heteronymie und Neopaganismus bei Fernando Pessoa. Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2005, ISBN: 978-3826030390

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