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Poetik

Poetik ist die Lehre und Wissenschaft von der Dichtkunst - womit nicht nur die Verfertigung von Versen gemeint ist, sondern von Sprachkunstwerken insgesamt. Die Anfänge der Poetik liegen in der Antike, wobei die Schriften des griechischen Philosophen Aristoteles? für die Entwicklung der Dichtkunst von besonderer Bedeutung sind. In der modernen Literaturwissenschaft führt die klassische Poetik eine Schattenexistenz.

Definition

Schreibfeder - (c)Claudia Rothe, Pixelio.de

Poetik (lat. poetica, von griech. poietike techne = Dichtkunst) ist die Lehre und Wissenschaft von der Dichtkunst, von ihrem Wesen und ihrer Wirkung, ihren Gattungen und Gestaltungsmitteln. Die Poetik ist ein wichtiger Bestandteil verschiedener Fachgebiete: Als Theorie der Dichtkunst ist sie Teil der Literaturwissenschaft, als Reflexion über die Erscheinungsformen von literarischen Werken ist sie Teil der Ästhetik und in der Erforschung der literarischen Gestaltungsmittel ist sie Teil der Stilistik.

Bis heute ist die Entwicklung der Poetik einem ständigen Wandel unterworfen. Betrachtet man ihre Entwicklung von den Anfängen in der Antike bis ins 21. Jahrhundert, so fällt auf, dass sich der Charakter der Poetik im Lauf der Jahrhunderte grundlegend verändert hat. Bis ins 18. Jahrhundert gab die Poetik bestimmte normative Regeln vor, die für die Produktion und Bewertung von Literatur anerkannt waren. In diesem Zusammenhang kann man sich die Poetik als Lehrbuch? mit einer Gebrauchsanweisung für die Kunst des Dichtens und die Herausbildung eines allgemein-verbindlichen literarischen Geschmacks vorstellen.

Im 18. Jahrhundert kam es zum Bruch innerhalb der klassischen Form der Poetik, der ihren endgültigen Niedergang im frühen 20. Jahrhundert einleitete. Ausschlaggebend dafür war der Anbruch der literarischen Moderne? mit ihren vielfältigen Innovationen in fast allen literarischen Bereichen. Wichtigstes Merkmal der Veränderung ist ein radikaler Perspektivwechsel: Die Poetik verlor ihren programmatischen und regelsetzenden Charakter, den sie mehrere Jahrhunderte hindurch inne gehabt hatte und der auch weitgehend anerkannt worden war. Stattdessen richtete die Poetik nun ihren Fokus auf die Beobachtung und Untersuchung des Einzelwerks und seiner signifikanten Stellung im literarischen Kosmos.

Foto: Claudia Rothe / pixelio.de

Entstehung

Die Anfänge der Poetik liegen in der griechischen und römischen Antike. Den größten Einfluss auf die Entwicklung der Dichtkunst im Abendland übte Aristoteles? aus. Seine Poetik („Über die Dichtkunst“), die wir nur in Fragmenten? kennen, da große Teile verschollen sind, ist als Lehre von den Gattungen angelegt und enthält Reflexionen über das Verhältnis von Kunst und Wirklichkeit (Mimesis?). Aristoteles erkannte in der Nachahmung der Natur die Grundlage jeder Form von Kunst. Zu nennen sind aber auch die Schriften der römischen Gelehrten Theophrast?, Horaz? und Cicero?, die in der Harmonie und Ausgeglichenheit das Ideal der Dichtkunst sahen. Horaz? forderte außerdem, dass die Dichtkunst eine doppelte Aufgabe zu erfüllen habe: Sie sollte dem Leser gleichzeitig Vergnügen bereiten und von Nutzen sein.

Interessant ist, dass man in der Spätantike die Auffassung vertrat, dass das Dichten eine erlernbare Kunstfertigkeit sei – wie das Stricken. In vielen antiken Städten entstanden Schreibschulen?, die von berühmten Gelehrten geleitet wurden und in denen die Regeln des Dichtens und eines guten Literaturgeschmacks vermittelt wurden. Wer möchte, kann in diesen antiken Schreibschulen frühe Formen der heute beliebten Creative-Writing-Workshops sehen.

Entwicklung

In den folgenden Jahrhunderten griffen Dichter und Gelehrte immer wieder auf den antiken Ideen-Fundus und die überlieferten antiken Normen zurück. Auch im Mittelalter? entstanden poetologische Schriften, doch mit einem wesentlichen Unterschied zur Antike: Die Verfasser produzierten keine reinen poetologischen Schriften mehr, die sich ausschließlich den Regeln und Phänomenen der Dichtkunst widmeten, sondern reizvolle Mischformen aus Dichtung und Theorie. So tauchen in vielen Epen des Mittelalters? neben breiten erzählerischen Abschnitten auch immer wieder lehrhafte Stellen auf, in denen der Verfasser seine Auffassung von der Dichtkunst und ihren Grundlagen kundgibt.

Auffallend ist, dass die meisten der mittelalterlichen Dichter-Poetologen die individuelle Begabung und den persönlichen Anteil des Verfassers am literarischen Kunstwerk erstaunlich gering einschätzen. Darin kam eine Anschauung zum Ausdruck, deren Ursprung in der Antike liegt und die in der Dichtkunst eine für jedermann erlernbare Kunstfertigkeit sieht. Erst in späteren Jahrhunderten sollte sich an dieser normativen klassizistischen Poetik etwas ändern – am sichtbarsten im 18. Jahrhundert bei den Vertretern des Sturm und Drang im Geniegedanken.

Die Poetik im Wandel der Zeit

Die wohl bekannteste und einflussreichste deutsche Poetik stammt von Martin Opitz?, der 1624 sein „Buch von der Deutschen Poeterey“ veröffentlichte. Darin überträgt er unter anderem den antiken Poetik-Kanon? ins Deutsche, gibt praktische Anweisungen zur Dichtkunst und fordert die Einführung des Deutschen als Sprache der Dichtung. Im Unterschied zur Poetik der Antike und des Mittelalters? setzt Opitz jedoch eine angeborene Begabung des Dichters voraus. In der Zeit des Barock? fand Opitz? zahlreiche Nachahmer, die die traditionellen Anschauungen in Zweifel zogen und immer stärker die schöpferische Kraft des Dichters betonten. Der Sturm und Drang überwand im 18. Jahrhundert endgültig die überlieferten Regeln und setzte an die Stelle der normativen Poetik und der von Aristoteles? begründeten Nachahmungstheorie den Geniebegriff?. Damit war eine grundsätzliche Wende in der Theorie der Dichtkunst eingeleitet.

Einen Regelkanon gibt es nicht mehr

In der Folge dominierten praxisorientierte Stellungnahmen der Schriftsteller zu Aufbau und Entstehung ihrer Werke. Auch die Weimarer Klassik, allen voran Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller, stellte nunmehr ausschließlich Sonderbetrachtungen über einzelne Probleme der Dichtkunst und der Ästhetik an. Einen Regelkanon?, wie ihn die klassische Poetik herausgebildet hatte, gab es nicht mehr. Für die Autoren des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart hat eine Poetik im Sinne einer allgemeinen und verbindlichen Ordnung jede Bedeutung verloren. Die meisten modernen literarischen Strömungen wie z. B. Naturalismus, Impressionismus? oder Expressionismus schufen sich eigene Poetiken, die mit dem Aufkommen neuer literarischer Moden wieder von der Bildfläche verschwanden.

In der modernen Literaturwissenschaft führt die Poetik im klassischen Sinne eine Schattenexistenz. An den Universitäten dominiert eine Form der Poetik, die sich im Kern mit der Beobachtung und der Untersuchung des einzelnen literarischen Werks und dessen signifikanter Stellung im literarischen Kosmos befasst.

Literatur

  • Aristoteles: Poetik. Reclam Verlag, Ditzingen 1994, ISBN: 978-3150078280
  • Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Reclam Verlag, Ditzingen 2002, ISBN: 978-3150182147

Sekundärliteratur

  • Bollack, Jean: Paul Celan. Poetik der Fremdheit. Zsolnay Verlag, Wien 2000, ISBN: 978-3552049765
  • Jeßing, Benedikt / Köhnen, Ralph: Einführung in die Neuere deutsche Literaturwissenschaft. Metzler Verlag, Stuttgart 2007, ISBN: 978-3476021427
  • Jung, Werner: Poetik. Eine Einführung. UTB, Stuttgart 2007, ISBN: 978-3825229375

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