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Short Story

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Die Short Story ist in den USA und in England eine weit verbreitete Kurzform der erzählenden Prosa. Sie kam um 1820 in den USA auf und fand ihren wohl größten Meister in Edgar Allan Poe.

In der Gegenwart hat die Short Story durch das Aufkommen einer neuen Zeitschriftenkultur an Popularität eingebüßt. Heute dient sie vorwiegend als Experimentierfeld für ambitionierte junge Autoren.

Foto: Jerzy / pixelio.de

Definition

Die Short Story (engl. = Kurzgeschichte; wobei der englische Begriff Short Story nicht ganz mit der deutschen Gattungsbezeichnung Kurzgeschichte identisch ist) ist in der englischen und amerikanischen Literatur eine weit verbreitete Kurzform der erzählenden Prosa. Die Short Story kam um 1820 in den USA auf und griff auf in Europa entstandene Gattungen wie Novelle, Erzählung, Kurzroman, Anekdote und Essay zurück.

Heute versteht man unter Short Story eine kurze und prägnante Erzählung, in der unspektakuläre oder außergewöhnliche Ereignisse gedrängt und realistisch geschildert werden. Aus dieser Perspektive weist sie vor allem mit der europäischen Novelle eine enge Verwandtschaft auf. Wichtige Impulse empfing die angloamerikanische? Short Story von europäischen Autoren wie Giovanni Boccaccio, Heinrich von Kleist, E.T.A. Hoffmann? und Nikolai Gogol?.

Die Short Story war im Lauf ihrer Entwicklung starken formalen und inhaltlichen Wandlungsprozessen unterworfen, die übrigens bis heute fortdauern. Aus diesem Grund existiert auch keine einheitliche Definition, die allen Spielarten der Short Story gleichermaßen gerecht wird. Es gibt jedoch einige charakteristische Merkmale, die fast jede Short Story – in mehr oder minder starker Ausprägung – im Kern aufweist.

Charakteristische Merkmale der Short Story
  • Charakteristisch ist vor allem ein geradliniger Handlungsverlauf, in dessen Mittelpunkt eine einzige Hauptfigur steht, die von unterschiedlichen, meist gröber gezeichneten Nebenfiguren flankiert wird.
  • Die Exposition? (Einleitung) ist sehr kurz oder fällt ganz weg. Der Leser steigt also sofort in die Geschichte ein und wird in kurzen, pointierten Sätzen mit der Ausgangslage vertraut gemacht.
  • Der Leser muss in der Lage sein, die Short Story in einem Zuge zu lesen. Nur so entfaltet die Short Story ihre ganze künstlerische Wirkung.
  • Der Sprachstil ist einfach und gut verständlich, häufig gibt es Anleihen bei der Umgangssprache? und dem Dialekt?.
  • Viele Short Storys haben einen offenen Schluss, der den Leser zum Nach- und Weiterdenken anregen soll.
  • Trotz der Einfachheit der Erzählweise und der Kürze des Textes soll die Short Story den Kern des menschlichen Lebens und verschiedenartige Probleme der menschlichen Existenz effektvoll und prägnant beschreiben. Ausformulierte Lösungsvorschläge hält sie jedoch nur in den seltensten Fällen für den Leser parat.
Short Story vs. Kurzgeschichte?

Die Kurzgeschichte ist aus der Short Story hervorgegangen und in dieser Hinsicht ein Kind der Nachkriegszeit. Nach 1945 waren viele junge deutsche Autoren auf der Suche nach einer alternativen literarischen Ausdrucksform, um ihre Gefühle, Ängste und Sehnsüchte zu formulieren. Diese Alternative fanden sie vor allem in der angloamerikanischen Short Story, die als ideologisch unbelastet galt. Der berühmteste Verfasser von Short Storys in der damaligen Zeit war Ernest Hemingway, an den viele deutsche Autoren anknüpften.

Der bedeutsamste Unterschied zwischen beiden Gattungen liegt nicht auf formaler oder inhaltlicher Ebene, sondern in den verschiedenartigen Bedingungen ihrer Entwicklung. Während die Short Story, abgesehen von Impulsen aus Europa, in einem autonomen literarischen Raum entstand und sich frei entwickeln konnte, befand sich die Kurzgeschichte von Anfang an in einer direkten Gattungskonkurrenz mit traditionellen literarischen Kurzformen wie Novelle, Erzählung und Kalendergeschichte.

Entstehung

Die Short Story war zunächst ein rein amerikanisches? Phänomen. Ihre Entstehung wurde durch die in den USA beliebten und in sehr hohen Auflagen? verbreiteten Magazine?, Wochenschriften? und Almanache? begünstigt und entscheidend gefördert. Der moderne, gebildete Leser, der nicht mehr nur abends in den eigenen vier Wänden einen Roman las, sondern z. B. auch nebenbei in der Freizeit oder auf dem Weg zur Arbeit, verlangte nach einer schneller und leichter konsumierbaren Form der Lektüre. Diesem Trend kamen vor allem viele junge Autoren mit einer gesteigerten Produktion von kurzer Erzählprosa nach. Die Zeitungsmacher waren bereit, viel Geld für erfolgreiche Short Storys zu bezahlen. Innerhalb weniger Jahre stieg die Short Story zur beliebtesten literarischen Gattung in den USA und in England auf.

Poe fordert: Präzision und Kürze!

Als Begründer der Short Story gilt Washington Irving? mit „Gottfried Crayon’s Skizzenbuch“ (1819/20) – ein Sammelband, der mit „Rip Van Winkle“, „Legende von Sleepy Hollow“ und „Der Geisterbräutigam“ drei Short Storys enthält, die auch heute noch an amerikanischen Schulen gelesen werden. Zur Kunstform erhoben wurde die Short Story von Edgar Allan Poe („Tales of the Grotesque and Arabesque“, 1840), der auch die erste Theorie der neuen Gattung entwickelte. Poe, der seine Geschichten nicht Short Storys, sondern „tales“ und „sketches“ nannte, forderte von der neuen Gattung: Präzision, Geschlossenheit und Kürze und vor allen Dingen, dass das Spektakuläre und Ungewöhnliche im Alltäglichen beleuchtet werde sollte. Alles Forderungen, die auch heute noch eine gute Short Story im Kern ausmachen.

In der Folge gab es wohl kaum einen amerikanischen Autor, der sich nicht in der Gattung Short Story versucht hätte, darunter befinden sich so bekannte Namen wie Herman Melville? und Mark Twain und aus heutiger Zeit z. B. Philip Roth. Als wahre Meister der Gattung gelten Henry James? („Transatlantic Sketches“, 1875) und O. Henry? („The Four Million“, 1906), die, obwohl in der Tradition von Poe stehend, in ihren Geschichten zu einem eigenen und unverwechselbaren Ton? fanden. Wichtige Autoren von Short Storys in Europa waren Alphonse Daudet? („Contes du Lundi“, 1873), Robert Louis Stevenson? („The New Arabian Nights“, 1882) und Anton Tschechow? („Die Steppe“, 1888).

Die Short Story im 20. Jahrhundert

Während die Short Story im 19. Jahrhundert noch stark von der Romantik beeinflusst war und daher mit Vorliebe Ungewöhnliches, Groteskes und Spektakuläres schilderte, fand sie ihre Themen im 20. Jahrhundert vor allen Dingen im Alltäglichen und Gewöhnlichen. Als wichtigster Vertreter dieser Generation von Schriftstellern gilt Ernest Hemingway („In Our Time“, 1925; „The Fifth Column and the First 49 Stories“, 1938), der mit seinen nüchternen und doppelbödigen Geschichten auch erheblichen Einfluss auf die junge deutsche? Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg ausübte. In Deutschland wurden vor allem Heinrich Böll? und Wolfdietrich Schnurre? davon beeinflusst.

In jüngster Zeit hat die Short Story durch das Aufkommen neuer Medien? und einer veränderten Zeitschriftenkultur an Popularität eingebüßt. Vielen Autoren dient die Short Story vorwiegend als Experimentierfeld, auf dem sie ungezwungen mit neuen Schreib- und Ausdruckstechniken arbeiten können. Literarisch bedeutsame Short Storys stammen z. B. von Donald Barthelme?, daneben gibt es eine unübersehbare Fülle von schlichten Unterhaltungstexten?.

Literatur

  • Čechov, Anton: Meistererzählungen. Diogenes, Zürich 2000, ISBN: 978-3257217025
  • Hemingway, Ernest: Die Stories. Rowohlt, Reinbek 1986, ISBN: 978-3498091835
  • Poe, Edgar Allan: Erzählungen. Reclam, Ditzingen 1989, ISBN: 978-3150086193

Sekundärliteratur

  • Jeßing, Benedikt / Köhnen, Ralph: Einführung in die Neuere deutsche Literaturwissenschaft. Metzler Verlag, Stuttgart 2007, ISBN: 978-3476021427
  • Martinez, Matias / Scheffel, Michael: Einführung in die Erzähltheorie. C.H. Beck, München 2007, ISBN: 978-3406471308
  • Nayhauss, Hans-Christoph: Theorie der Kurzgeschichte. Reclam, Ditzingen 2003, ISBN: 978-3150150573

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