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Die Straßburger Handschrift

Die vermutlich vor 1461 entstandene Straßburger Handschrift ist eine Abschrift verschiedener Originale, neu vereint zu einem Werk. Die Schrift schlägt inhaltlich einen Bogen vom Anfang der Welt bis zur damaligen Gegenwart und noch darüber hinaus.

Zeitliche Einordnung

Das Straßburger Münster - (c) Inessa Podushko/pixelio.de

Entstanden ist die Handschrift? im 15. Jahrhundert, vermutlich vor 1461. Auf einen Entstehungszeitraum um 1450 deuten die vielen verschiedenen Wasserzeichen? hin: das Kreuz, die Blume, ein Ochsenkopf mit einkonturiger Stange mit Blume (2x) und ein Ochsenkopf mit zweikonturiger Stange mit zweikonturigem Kreuz und Blume. Der Entstehungsraum wird aufgrund des bayrischen und mitteldeutschen Schreibdialekts? auf den Nürnberger Raum festgelegt. Allerdings wäre auch Augsburg denkbar, da dort der Wohnort Volk Landspergers? von 1455 bis 1462 war. Die Straßburger Handschrift Ms. 2119 wird heute in Straßburg in der National- und Universitätsbibliothek aufbewahrt.

Foto: Inessa Podushko / pixelio.de.

Die äußere Form

Der Codex setzt sich aus 299 Papierblättern zusammen, wobei die Blattgröße jeweils 290 x 197 mm misst. Der Schriftraum auf den einzelnen Seiten nimmt circa 21 x 150 mm ein. Pro Seite? befinden sich 2 (Text)Spalten mit jeweils 39 bis 45 Zeilen. Der Redaktor? und zumindest auch teilweise Schreiber der Handschrift ist Volk Landsperger?. Nach einem Vergleich der restlichen Schriften wurde herausgefunden, dass neben Landsperger? noch mindestens ein anderer Schreiber? beteiligt gewesen sein muss. Das gleiche gilt auch bei den Randbemerkungen.

Es gibt wenige Ausschmückungen und Verzierungen?: Außer einfachen roten Initialen, 1-3zeiligen roten Lombarden? und roten Kapitelüberschriften? in einigen der Texte finden sich keinerlei Verzierungen. Daher spricht man statt von einer prunkvollen Handschrift? besser von einer Gebrauchshandschrift. Auf dem Vorsatzblatt? 3 findet sich das einzige Bild des Codex?, welches zu einem späteren Zeitpunkt eingeklebt wurde. Diese Miniatur hat eine Größe von 172 x 92 mm und ist ein Widmungsbild, welches einen Reichsfürsten auf seinem Thron sitzend zeigt (in den Farben Gold, Rot, Blau, Lila, Grün und Weiß auf schwarzem Grund). Zu seinen Füßen befindet sich ein Wappenschild auf dem ein Doppeladler abgebildet ist. Rechts vom Herrn steht ein Insignienträger und links stehen zwei Männer mit Büchern, wovon der eine ihm ein Buch überreicht.

Der Inhalt

1. Vinzenz von Beauvais „Speculum historiale“ (Blatt 1-70)
2. „Sächsische Weltchronik“ (Blatt 71-108)
3. Fortsetzung bis Karl der 4. (Blatt 108-109)
4. Guido de Columna „ Historia Troyana”, in der deutschen Übersetzung von Hans Mair von Nördlingen (Blatt 116-184)
5. Meister Babiloth, „Alexanderchronik“ (Blatt 184-210)
6. Johannes von Hildesheim, „Historia Trium Regum“, Kap. 3-45 (Blatt 212-235)
7. Jean de Mandeville, „Reisen“, in der deutschen Übersetzung von Otto von Diemeringen, mit eigenständigem Prolog (Blatt 236-276)
8. Hans Schiltberger, „Reisebuch“, Kap. 1-28 (Blatt 280-291)
9. Johannes de Rupescissa, „Vade mecum in tribulatione“ (Blatt 292-291)
10. Gebete von einer Hand des 16. oder 17. Jh.

Inhaltlich schlägt die Straßburger Handschrift einen Bogen vom Anfang der Welt bis zur damaligen Gegenwart und noch darüber hinaus. Auf den ersten siebzig Seiten? (1r-70v) findet sich das „Speculum historiale?“ des Vinzenz von Beauvais?, allerdings nur in Teilübersetzungen. Inhaltlich behandelt dies die Zeit des Sündenfalls bis zu Christi Geburt und dem bethlehemischen Kindermord. Die Teile des „Speculum historiale“ liefert der Schreiber? in deutscher Übersetzung.

Daran schließt sich direkt die „Sächsische Weltchronik?“ an (71r-108r), welche die Zeit ab Christi Geburt bis zum Nürnberger Reichstag 1225 darstellt. Ab Blatt 108 findet sich die Schilderung der Ereignisse bis zur Absetzung Wenzels im Jahr 1400/1411. Somit bietet dieser erste Teil bereits eine Darstellung und Übersicht der Geschichte der (bekannten) Welt bis zum Zeitpunkt der Entstehung der Handschrift?.

Danach wird dem Leser die Geschichte Trojas dargestellt und zwar durch die Abschrift des Werkes „Buch von Troja?“ von Hans Mair von Nördlingen? (116r-184v). Das Werk von Nördlingen basiert auf der Vorlage von Guido de Columnas?Historia Troyana?“.

Ab 184r-210v wird im Anschluss daran die „Alexanderchronik?“ von Meister Babiloth? in deutscher Übertragung angefügt. Daran anknüpfend findet sich die „Historia trium regum?“ des Johannes von Hildesheim? (212r-135r), ebenfalls auf Deutsch. Allerdings übernimmt Landsperger? nicht das ganze Werk, sondern nur die Kapitel 1 bis 45.

236v bis 276v beinhalten die „Reisebeschreibungen“ des Jean de Mandeville? in der deutschen Übersetzung des Otto von Diemeringen?. Dieser Bearbeitung wurde ein vom Redaktor? Landsperger eigenständig verfasster Dialog vorangestellt, welcher später noch zu beachten ist. Daran anschließend findet man Hans Schiltbergers? „Reisebuch“ (280r-291r), allerdings, wie auch die Dreikönigslegende, nicht in vollständiger Form, sondern nur die ersten 28 Kapitel.

Ab Blatt 292r (-297r) ist dann Johannes de Rupescissas?Vade mecum in tribulatione?“ in Deutsch angefügt, eine Endzeitprophezeiung, die über die Darstellung der bis dahin geschehenen (und geschilderten) Ereignisse hinausweist. Den Abschluss bilden Gebete einer Hand aus dem 16. oder 17. Jahrhundert (297v). Auf den noch freigebliebenen Blättern am Schluss fügt Landsperger? eine eigene apokalyptische Vision an, bei der die Prophezeiung Johannes de Rupescissa als Vorlage dient, und in welcher er 20 Zukunftsweissagungen passend auf seine Zeit umdeutet.

Intention und Anspruch der Handschrift und ihres Schreibers

Der Zusammenträger der unterschiedlichen Schriften ist nicht bekannt, jedoch war Volk Landsperger? vermutlich der Auftraggeber und einer der Schreiber? der Handschrift?, was eine Selbstnennung auf Blatt 297r nahe legt:

Das hant geschrieben volk Landsperger von kaufbeiren. Amen.

Weiterhin stammen auch einige Marginalien? im Text von ihm, der Rest von einem oder zwei anderen Schreibern. Landsperger? war ein urkundlich belegter Schreiber? 1455-1462 in Augsburg und ist auch als Schreiber anderer Werke bekannt. Die Zusammenstellung und Bearbeitung der Einzelwerke zu einer gesammelten Handschrift? ist ein Gebiet, mit dem sich die Forschung? bisher nur wenig befasst hat. Allerdings gibt es die Annahme, dass es sich bei der Straßburger Handschrift um ein „Wissenskompendium“ und um ein „planvolles Ganzes“ handelt, das in dieser Weise zusammengestellt wurde im Hinblick auf die Intention des Autors und dem Erkenntnisinteresse des Adressatenkreises.

Landsperger? liefert in seinem eigenständigen Prolog? zum Mandeville-Teil seine Intention und sein Anliegen, welches darin besteht, das dem Menschen ureigene Verlangen nach Wissen zu stillen. Er rezipiert dabei ein Zitat Aristoteles? aus dessen Metaphysik:

Ein jglich mensch begert von natur vil zu wissen, als der weis man
spricht: das aug wirt nymmer erfult des sehends noch das or des
gehorns, wann durch die czwu ewssern synn mer weisheit oder
verstandenheit jn den menschen eingehet dann durch die andern. Ob
nu ymant mut hett, vil fremder sach zu erfaren, dem mocht nutz sein
daß buchle an zu sehen vnd fleissiglich mercken... (Blatt 236v)

Dem Schreiber? geht es um das Weltwissen und um die Vermittlung selbigen. Wenn die Menschen nicht in der Lage sind selbst zu reisen und ihre Erfahrungen zu sammeln, so sollen sie dieses Buch nehmen und daraus lernen. Dies spricht für die Annahme eines Wissenskompendiums, wonach auch die Handschrift? konzipiert ist. Eine populäre Wissensvermittlung steht im Vordergrund, in der die Fakten zwar wichtig sind, aber nicht den überwiegenden Teil darstellen sollen. Allzu komplexes Fachwissen wird ausgesondert und es wird sich eher einer erzählenden Historiographie zugewendet.

Viele Teile wurden aus dem „Speculum historiale“ herausgekürzt: beispielsweise Originalzitate, die verwendet werden. Sie interessieren den Schreiber? nicht und tragen aus seiner Sicht wahrscheinlich auch nichts zum eigentlichen Überblick über das Weltwissen bei. So werden auch die Abschnitte über Troja, Alexander und die Dreikönigslegende nicht übernommen, da er dafür interessantere Schriften weiß. Es wird sich um eine Vermittlung des historischen Stoffes in eher romanhafter Form bemüht, wobei es sich aber keinesfalls schon um Romanteile handelt: Es gelten immer noch die Regeln der Geschichtsschreibung, das Erzählte wird dabei nur in einer leserfreundlicheren Art vermittelt.

Um dem Wissensanspruch der Menschen gerecht zu werden, will Landsperger? einen Abriss? über das gesamte Weltwissen der damaligen Zeit liefern. Somit beginnt er auch mit den Abschnitten aus dem „Speculum historiale“ von Vinzenz von Beauvais. Damit werden zum einen die historischen Fakten, aber vor allem auch geographische Exkurse und ein relativ genaues Bild der Welt nach Isidor geliefert. Damit gibt er sich aber nicht zufrieden, da sich bei Isidor das Wissen über Asien, Palästina etc. nicht findet. Daher fügt er noch Orientwissen hinzu, beginnend mit der Alexanderchronik?, in der dessen Eroberungszüge nach u.a. Afrika, Jerusalem und Indien geschildert werden und in der man auch Beschreibungen von Wundervölkern findet.

In der Dreikönigslegende ist dementsprechend das darin vermittelte Indienwissen von großer Bedeutung und daraus erklärt sich auch das Hinzufügen der Reiseberichte Jean de Mandevilles und Hans Schiltbergers. Nachdem er mit diesen Exkursen auch das Orientwissen befriedigt hat liegt mit der Straßburger Handschrift ein Werk vor, dass dem Leser neben einem Überblick über die historischen Ereignisse der Geschichte Wissen über die verschiedenen Länder und Völker der Welt bietet.

Mit dem angefügten Kapitel über den (feststehenden) Weltuntergang und dessen Ablauf schließt sich der Kreis. Das Buch soll seinem Leser alle wichtigen Informationen auf angenehme und lehrreiche Art und Weise vermitteln und durch die Darstellung des gesammelten Weltwissens gleichsam als Bibliotheksersatz dienen.

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