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Tod des Autors

Der Tod des Autors ist ein Schlagwort? für autorkritische Ansätze in der Narratologie, die sich im Poststrukturalismus? der 1960er-Jahre herausgebildet haben. In der Debatte um das Urheberrecht im Internetzeitalter geraten diese Ansätze in den 2010er-Jahren unter neuen Vorzeichen wieder ins Blickfeld.

Definition

Der Platz ist leer - (c) Karin Jung/Pixelio.de

Die autorkritischen Ansätze, die hinter dem Schlagwort vom Tod des Autors stehen, wollen das Konzept des individuellen, historischen Autors durch das eines multidimensionalen textuellen Raums ersetzen, in dem die Bedeutung? eines Textes immer neu entsteht, während dieser gelesen wird. Die verschiedenen Bestandteile eines Textes, die selber schon unterschiedlicher Herkunft sind (Stichworte Intertextualität?, Zitat ...), treffen sich im Leser. Damit rückt dieser als Träger der Bedeutungsentstehung an die Stelle des Autors.

Foto: Karin Jung / Pixelio.de

Entstehung und Entwicklung

Zusammenfassend gesagt, gilt traditionell der geistige Urheber und Verfasser eines Textes als dessen Autor. Das Verständnis der Autorschaft änderte sich jedoch im Lauf der Geschichte immer wieder. Und zunehmend geriet dabei auch der Beitrag der aufnehmenden Seite, also des Lesers, zur Erschaffung der jeweiligen Textbedeutung in den Fokus.

So sprach etwa Hans-Georg Gadamer?, der Begründer der philosophischen Hermeneutik, in "Wahrheit und Methode" (1960) von der Verschmelzung? zweier Horizonte: dem des Textes und dem des Lesers. Und dass die Aneigung eines Textes immer auch von historischen und gesellschaftlichen Bedingungen mitbestimmt wird, davon geht der in den 1960er und 1970er-Jahren entstandene literaturwissenschaftliche Forschungszweig der Rezeptionsästhetik aus.

Roland Barthes' "Der Tod des Autors" (1968)

Eine entscheidende Änderung vollzog sich um dieselbe Zeit in Frankreich: 1968 formulierte der französische Philosoph und Literaturtheoretiker Roland Barthes? in einer Untersuchung zu Honoré de Balzacs? "Sarrasine" (1831) das Schlagwort vom Tod des Autors. Es richtete sich gegen die Vorstellung, dass der jeweilige Autor als Urheber eines Werkes dessen Bedeutung? vorgeben und kontrollieren könne - und damit gegen jede psychologisierende? oder gar autoren-biografisch deutende Rezeption und Interpretation literarischer Werke.

Barthes bestreitet natürlich nicht, dass es jeweils jemanden gab, der einen bestimmten Text geschrieben hat. Er bestreitet aber den Stellenwert, den die traditionelle Interpretation diesem einen Menschen zugemessen hat, indem sie ihn als Subjekt der Textentstehung gesehen hat. Die Bedeutung oder der Sinn eines Textes, so Barthes, konstituiert sich vielmehr in jedem Akt des Lesens? immer wieder neu und anders, indem die Zeichen und Zitate, die als Bestandteile eines Textes? selber in einem dialogischen Verhältnis zueinander stehen, im realen historischen Leser aufeinander treffen. In dieser Begegnung wird jeweils eine Bedeutung, eine Einheit des Textes, erzeugt. Damit rückt der Leser als Träger der Bedeutungsentstehung an die Stelle des Autors. "Die Geburt des Lesers wird mit dem Tod des Autors bezahlt", heißt es denn auch in "La mort de l'auteur" ("Der Tod des Autors"), dem Aufsatz? von Barthes aus dem Jahr 1968.

Roland Barthes' "Der Tod des Autors" gehört zu den grundlegenden Texten des Poststrukturalismus?. Der Strukturalismus? war bereits davon ausgegangen, dass man einen Text statt auf seinen Inhalt auf den Zusammenhang zwischen den Zeichen befragen kann. Auch er bestritt also die alles überragende Rolle des individuellen Autors bei der Konstitution von Bedeutung. Die Poststrukturalisten warfen dem Strukturalismus jedoch vor, das historische und gesellschaftliche Umfeld von Text und Rezipienten völlig auszublenden, ganz so, als ob ein Text nach außen gänzlich abgeschlossen und ein hermetisches Gebilde sei.

Michel Foucaults "Was ist ein Autor?" (1969)

Der Poststrukturalist Michel Foucault? brachte 1969 unter dem Titel "Qu'est-ce qu'un auteur?" ("Was ist ein Autor?") eine Erwiderung auf Barthes heraus. Er milderte dessen totale Anonymisierung des Autorbegriffs, indem er diesen Begriff zumindest für Urheber von Schriften gelten lassen wollte, die den gesellschaftlichen Diskurs? beeinflussen. Solche Schriften werden nach Foucault durch die Zuordnung zu einem Autorennamen unsterblich, weshalb der Autor als historische Person dahinter verschwindet. Auch dies ist dann wieder ein Tod des Autors, aber anders als bei Barthes. "Wen kümmert’s, wer spricht?", so Foucault. "Das Kennzeichen des Autors ist seine Abwesenheit."

Der Tod des Autors im Internetzeitalter

In der Debatte um das Urheberrecht, die vor allem durch die Piratenpartei seit Beginn der 2010er-Jahre angefacht wurde, erfolgt ein Rückgriff auf das Schlagwort vom Tod des Autors. Die Piraten argumentieren mit dem Verweis auf Intertextualität?: Ein Künstler greife lediglich auf einen öffentlichen Schatz an Schöpfungen zurück, aus dem er Teile sample und mixe. Der Künstler sei damit nur ein Filter und sein Erzeugnis kein geistiges Eigentum?, sondern das Eigentum aller. Freilich, so lautet ein Gegenargument, sollten Künstler trotzdem von ihrer Arbeit leben können. Nicht der Künstler selbst, sondern die Verwerter seiner Werke stünden bei ihnen in der Kritik, so erwidern darauf die Piraten.

Literatur

  • Barthes, Roland: Der Tod des Autors. In: Jannidis, Fotis u.a. (Hg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Reclam, Stuttgart 2000, ISBN: 978-3150180587
  • Foucault, Michel: Was ist ein Autor? EA 1968. In: Jannidis, Fotis u.a. (Hg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Reclam, Stuttgart 2000, S. 198–229, ISBN: 978-3150180587

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