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Zum ersten Mal tot. 18 Premieren

von<br> Christian Y. Schmidt

Autobiographische Bücher leiden oft darunter, dass, obschon der Autor schreiben kann, er nicht allzu viel erlebt hat, was auch andere kurios, komisch oder einfach lesenswert finden. Der Mittfünfziger Christian Y. Schmidt jedoch weiß in „achtzehn Premieren“ unter dem Titel „Zum ersten Mal tot“ einiges zu berichten, was man sonst nicht erfährt. Etwa über die evangelische Parallelgesellschaft Bethel in Bielefeld, in der er groß geworden ist, warum der Riesenkinoerfolg „7 Zwerge - Männer allein im Wald“ ein lustiger Film hätte werden können (das ursprüngliche Drehbuch stammte von Schmidt und zwei Kollegen) oder wie eine peinlich verunglückte Kulturveranstaltung als gelungene Satire missverstanden wird. Und literaturaffine Menschen erfahren, was Martin Walser im Speisewagen der Bahn jüngeren Frauen für Geschichten auftischt, um diese zu beeindrucken.

Die „achtzehn Premieren“ im Leben Christian Y. Schmidts als verbindendes Motto der Textsammlung sind ein wenig bemüht, z.B. weil Schmidt in „Zum ersten Mal auf Drogen“ natürlich nicht nur sein erstes Rauscherlebnis beschreibt, sondern auch die kurioseren, die folgten. Aus diesem Umstand macht der Satiriker und langjährige „Titanic“-Redakteur freilich ein lustiges Vorwort?. Über den Nutzen seines Buches meint er: „Ich jedenfalls habe einiges gelernt, als ich dieses Buch nach dem Schreiben zum ersten Mal las.“ Um nach Aufzählung von Buchthemen wie „Joseph Beuys, Novalis, Verona F.“ bzw. „Bundeswehr, Star Trek, Epileptiker, prügelnde Polizisten…“ die Sache raffiniert umzudrehen: „Es ist also die Frage, ob sich dieses Buch wirklich nur um mich dreht. Vielleicht handelt es ja auch von Ihnen.“

So ist es - jedenfalls wenn man sich dafür interessiert, wie man einem geregelten Beruf und Einkommen erfolgreich aus dem Weg geht und stattdessen als „Schlunz“ tut, worauf man Lust hat, und als Satireautor obendrein all die Sinnlosigkeit, die mit dem Mitschwimmen wie dem Dagegensein zusammenhängt, kreativ verarbeitet. Dabei ironisiert Schmidt freilich sein Anliegen der Normalitätsverweigerung und stellt sein Licht fernab des Scheffels. Offenbare Erinnerungslücken, ein weiterer Trick seines Werks?, münzt er in die Tugend um, die Vergangenheit mit über fünfzig - vorgeblich - besser deuten zu können.

In der Brisanz und erzählerischen Qualität der achtzehn Texte gibt es durchaus Variation, und „Zum ersten Mal tot“ hat auch nicht die sprachliche Brillanz von Thomas Kapielskis? genreähnlichen„ Gottesbeweisen“. Dennoch ist das Buch eine vergnügliche Lektüre. Und obendrein liefert es ein paar originelle Einsichten wie die, dass bei einem Rotweineinlauf im Bordell Vorsicht geboten ist. Solche Erkenntnisse sind freilich völlig nutzlos - wie die meisten ernstgemeinten anderer Autoren aber auch.

Autor: Michael Höfler

Literaturangaben

  • Schmidt, Christian Y.: Zum ersten Mal tot. 18 Premieren. Edition Tiamat, Berlin 2010, ISBN: 978-3893201471

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