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Was in zwei Koffer passt. Klosterjahre

von<br> Veronika Peters

Veronika Peters macht es einem nicht leicht, sie zu mögen. Häufig wird sie als zu sperrig empfunden, „zu vital, oft kratzbürstig, unnahbar, aufsässig, mangelnde Fähigkeit, sich anzupassen…“. Man fragt sich von Anfang an, was zum Teufel(!) hat sie bloß bewogen, mit zwei Koffern, so der Titel, in ein Kloster zu gehen.

Sie trauert ihren Zigaretten nach, sehnt sich nach Peter Gabriels „Red Rain“, mäkelt, dass die Schwestern die „Frankfurter Allgemeine“ lesen und nicht die „Frankfurter Rundschau“. Liefert sich Schaukämpfe mit der Magistra, die eingesetzt ist, sie auch theoretisch in das Leben eines katholischen Nonnenklosters einzuführen.

Vor ihrem Eintritt, der erst nach fünfeinhalb Jahren mit dem Gelübde beendet sein wird, hat sie das alles gewusst. Sie war bereits mehrmals als Gast in dem Kloster. Sie ist zuvor zum katholischen Glauben übergetreten. Das, so muss man ja annehmen, hat sie sich lange überlegt. Es ist ja nicht mehr so wie früher, wo man teilweise aus Gründen der Familienraison gezwungen wurde. Alle Nonnen sind freiwillig in dem Benediktinerinnenkloster. Alle haben sich auf die Regula Benedicti, die Ordensregel, die im 6. Jahrhundert entstanden ist und auf Benedikt von Nursia zurückgeht, eingeschworen. Sie hätte auch Franziskanerin werden oder in ein anderes Kloster gehen können. Nein, dieses musste es sein, weil sie bei einem Musikseminar die Chorleiterin Schwester Hedwig kennengelernt hatte.

„Sie wirkte nicht wunschlos glücklich, strahlte nicht die unerträglich erlöste Selbstzufriedenheit frommer Leute aus. Sie war einfach anders. Ich wollte mehr darüber wissen.

‚Besuchen Sie mich im Kloster, wenn Sie möchten; dann können wir uns weiter unterhalten, und Sie schauen sich das selbst an. Aber erwarten Sie keine fromme Romantik, die gibt es bei uns nicht.’

Hedwig, die Musikerin mit ihren Melismatischen Gesängen; die Nonne mit den antikapitalistischen Ideen; eine Frau, die von Gott reden konnte, ohne dass es peinlich war. So hat das angefangen.“

Aber von Anfang an hat auch das Gros der Schwestern Probleme mit der Novizin Veronika. Bei der Einkleidung nach einem halben Jahr und der Profess (Gelübde) fünf Jahre danach erreicht sie gerade mal die knappe notwendige Mehrheit. Es hat gereicht, „immerhin“, pflegt sie dann zu sagen. Dass es auch ihr an ihr liegen könnte, dass das Schwesternparlament nicht so unbedingt überzeugt ist, dass sie ernsthaft ein monastisches Leben führen möchte, ist ihr nicht so richtig bewusst.

Einmal sagt sie nach einem missglückten Beichtversuch bei Pater Rhabanus: „Die Tür ist hinter mir zu, bevor er etwas erwidern kann. Manchmal hasse ich mich!“ Da sie bereits zum Lernen drei Wochen im Gästehaus verbracht und im vorigen Jahr bei der Apfelernte geholfen hatte, ist sie hoch erfreut, als die Klosterleiterin sie zu Paula, der „originellste(n) alte(n) Frau“ einteilt, „die mir je begegnet ist: klug, kauzig, komisch“.

Schwester Paula ist die Obst-Bäuerin und Imkerin der Schwesternschaft, die im Land begehrte Äpfel und Honig produziert. Sie fährt den Traktor, so dass ungeübte Äbtissinnen, die als Gast das Kloster und Obstgut besuchen wollen, beim bergigen Ansturm vom Beifahrersitz geschleudert werden.

Als Paula stirbt, gelingt Veronika Peters die schönste Liebeserklärung. Da mag man sich anschließen an ihren Satz, den sie in einem anderen Zusammenhang gesagt hat: „Für die Dauer einer Stunde liebte ich sie alle.“ Hier zeigt die Nonne Veronika wirklich mal echte Gefühle.

Was auch zu kurz kommt, ist die Gottsuche. Wer Gutes tun will, kann auch in Bürgerinitiativen bleiben, in denen Veronika Peters vor ihrem Nonnendasein als junge Frau und Erzieherin gearbeitet hat. Ihren Freund Max hat sie verlassen, als sie sich für das Kloster entschied. Erst danach hat ihre Freundin Lina sich mit ihm eingelassen und eine Familie mit ihm gegründet.

Also Liebeskummer ist auch nicht der Grund, warum sie ins Kloster geht. Sie wird, da die neue Äbtissin Raphaela ihre Neugier und ihren Lerneifer fördern will, zum Theologiestudium geschickt. Auch darüber erfahren wir nur Äußerlichkeiten, wie interessant Wien und Linz und so weiter waren, nicht aber – bis auf einige theologische Schlagwörter – die wirklichen Inhalte des Studiums und was sie ihr gebracht haben. Nun gut, ihr Latein hat sie auffrischen können.

Bei einem Urlaub mit Schwester Maria bei Tiroler Benediktinern freut sie sich über deren Linkskatholizismus, dass die Patres rauchen und ordentlich dem Wein des Landes zusprechen. Dazu muss man allerdings nicht linkskatholisch sein, dieses Image hatten die Mönche all die Jahrhunderte vorher auch schon, als es noch keinen Linkskatholizismus gab.

Bruder Benedikt greift die Gitarre und beginnt das Bob-Dylan-Lied zu singen: „Knock, knock, knocking on heavens door…“ Dann nimmt sie die Gitarre, spielt drei Akkorde und singt:

„Go ’way from my window;

Leave at your own chosen speed.

I’m not the one you want, Babe;

I’m not the one you need...”

Die fromme Runde wundert sich, dass sie in ihrer Generation noch Hippie-Lieder kennt:

„‚Noch ein OSB-Mitglied mit linker Vergangenheit?’

Ich grinse zurück.

‚Hausbesetzer, Wackersdorf und Anti-Startbahn-West.’

‚Respekt.’

Maria wirkt erleichtert, als Abt Thomas zu lachen anfängt und ausruft, mit den Deutschen lande man zwangsläufig irgendwann bei der Politik, ihm aber sei nach Singen zumute.“

Das ist der Fehler des Buches bzw. von Veronika Peters. Sie versucht, ihre linke Bürgerinitiativenbefindlichkeit in eine Nonnenkommunität hinüberzuretten und wundert sich, dass jede Nonne ein eigenes mitunter sehr individualistisch ausgeprägtes Wesen ist und doch unter der Regula Benedicti sich auch der Gehorsamkeit fähig erweisen kann.

Die Suche nach Gott und einem gottgefälligen Leben hat schon größere Geister zum Verzweifeln und Scheitern gebracht.

Auch die ‚kleine’ Veronika („Es könnte gut sein, daß dies hier mehr als eine Nummer zu groß für mich ist.“) wird ‚hier drinnen’ scheitern. Aber ‚dort draußen’ wird es für sie gut enden.

Das gute Ende heißt Vince, will sich scheiden lassen und mit ihr in Berlin leben …

Literaturangaben

  • Was in zwei Koffer passt. Klosterjahre. Goldmann, München 2007. 255 S., 18 €, ISBN: 978-3442311163

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