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Die Träumenden

von<br> Amanda Eyre Ward

Es ist heiß, sehr heiß, als Franny nach 10 Jahren nach Gatesville, Texas, zurückkehrt. Dort sitzt Karen im Todestrakt des ortsansässigen Frauenknastes ein, weil sie acht Männer getötet hat. Einer von ihnen war der Ehemann Celias, die im nicht weit entfernten Austin mit ihrer Trauer ringt. Die Ärztin, die Mörderin, die Witwe - drei Frauen, drei Schicksale, drei Erzählstränge?, die Amanda Eyre Wards? Debütroman? kunstvoll und fesselnd miteinander verknüpft.

Schuldig oder unschuldig?

In New York kommt Franny gerade von einer Beerdigung zurück. Sie hat eine Krebspatientin verloren, die kleine Anne. Deren Eltern hatte sie zu einer Knochenmarktransplantation überredet, obwohl keine Hoffnung mehr bestand. Anne starb voller Schmerzen. Wieder einmal nagen Schuldgefühle an Franny, als sie die Nachricht über Onkel Jacks Herzanfall ereilt, welcher Gefängnisarzt in Gatesville war. Als Franny im Krankenhaus der Stadt ankommt, ist ihr Onkel bereits tot. Franny sieht sich mit den verschiedenen Gesichtern des Todes konfrontiert, denn hier in Gatesville ist sie aufgewachsen, hier hat sie im Kindesalter ihre Eltern durch einen Autounfall verloren. Onkel Jack hat ihr Vater und Mutter ersetzt, sie auf das Internat geschickt und ihr Medizinstudium ermöglicht. Selbstvorwürfe plagen sie, weil sie ihren Onkel weder besucht noch angerufen hat. Schuldig oder unschuldig? Vor ihrem schlechten Gewissen kann sie nicht davonrennen. Sie übernimmt die Stelle des Onkels als Gefängnisärztin in Gatesville und lässt ihr oberflächliches New Yorker Leben mitsamt Verlobtem hinter sich.

Zufall oder Schicksal?

Die HIV-infizierte Karen subtrahiert die Minuten zu ihrer Hinrichtung: 89280 Minuten sind es noch bis zum 20sten August, dem Datum, an dem das Todesurteil vollstreckt werden soll. Wegen einer Serie von Morden erklärte sie die Jury vor fünf Jahren für schuldig. Dass die Straßenprostituierte schwer misshandelt worden war, bevor sie ihre Freier tötete und ausraubte, reicht nicht für juristisch mildernde Umstände. Mord oder Todschlag? Die letzten beiden Opfer erschoss das von der Presse so getaufte „Highwayliebchen“ in einem Supermarkt aus dem Affekt heraus. Henry, der mal eben um die Ecke für sich und Celia Bier holen wollte, war zur falschen Zeit am falschen Ort. Zufall oder Schicksal?

Rache oder Verzeihen?

Seit diesem Tag kämpf Celia, seine Witwe, mit ihrer Trauer und ihren Hass- und Rachegefühlen. Grundsätzlich ist sie gegen die Todesstrafe eingestellt und weiß, dass man Unrecht mit Unrecht nicht vergelten kann. Dennoch wartet sie auf den Tag, an dem Karen stirbt, und hofft, dass Karens Tod sie befreien wird. Rache oder Verzeihen?

Ein zutiefst humaner Roman

Amanda Eyre Ward hat einen mitreißenden und zutiefst humanen Roman über die Untiefen des menschlichen Handelns geschrieben. Ohne moralisierenden Zeigefinger und stilistisch ausgefeilt wechselt sie die Erzählperspektiven. Während das Leben Karens im Todestrakt, der so genannten Mountain View Unit, im Präsens? und lakonisch erzählt wird, ist die in der Vergangenheit angesiedelte Schilderung Frannys, die im Zentrum der Handlung steht, voll emotionaler Tiefe. Celias Part dagegen ist in der Ich-Perspektive verfasst. Ihr Zynismus kommt in bissigen Kommentaren zur vollen Geltung, wenn sie tagein tagaus ihrem Job in der Stadtbibliothek? nachgeht, mit ihrer Mutter telefoniert oder mit dem Hund unterwegs ist. Die brütende Hitze eines jenen Sommers in Texas kriecht in die Poren der Leser, wenn Franny Karen untersucht, wenn die Todeskandidatinnen schweißgebadet aus ihren Alpträumen erwachen, wenn Celia seit dem Tod Henrys zum ersten Mal wieder Sex hat oder ein passendes Paar leichter Schuhe für Karens Hinrichtung wählt …\\

Waren die Rollen zunächst eindeutig besetzt, verwischen im Laufe der Erzählung die Konturen zwischen Gut und Böse, Schuldig und Unschuldig. Die Kategorien der Opfer und Täter sind aufgehoben. Alle drei Frauen sind in ihren Emotionen gefangen und an ihre Vergangenheit gefesselt. Das Warten auf den Hinrichtungstag ist geprägt von Hoffen und Bangen. Für Karen ist Hoffnung wie ein Kieselstein im Schuh. „Lass es bleiben“- sagt sie zu ihren Mitinhaftierten, wenn diese Bauchmuskeln trainieren, sich Fingernägel lackieren oder sich hübsch machen für den Besuchstermin am Wochenende. Die „Schwarze Witwe“, die sieben Ehemänner vergiftete, die „Killerteufelin“, die Babys tötete und ihnen das Herz herausschnitt, die „Todesfriseuse“, die ihre Familie umbringen lies, Tiffany, die auf ihrer Unschuld am Tod ihrer Töchter beharrt. Für alle rückt der Hinrichtungstag immer näher. Letztlich entscheidet die zufällige Begegnung zwischen Celia und Franny über Karens Tod.\\

Eine Auseinandersetzung mit dem Tod an sich und der Frage, was danach kommt. Ein wunderbares, atemberaubendes Plädoyer gegen die Todesstrafe und für das Recht auf einen privaten Tod. Ein großer Roman über das Dasein, über Schuld und Sühne, über Rache und über das Verzeihen von Dingen, die nicht zu verzeihen sind. Der Roman „Die Träumenden“ ist ein Beweis dafür, dass gute Literatur auch abseits von Bestseller-Listen? zu finden ist.

Literaturangaben

  • Amanda Eyre Ward: Die Träumenden, Btb Verlag, München 2006, ISBN: 978-3442734870, 9 Euro

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