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Lacan, Jacques

Jacques Lacan auf einem Buchcover - (c) Kiepenheuer & Witsch

Jacques Lacan (geb. 13. April 1901 in Paris; gest. 9. Sept. 1981 in Paris) war ein französischer Psychoanalytiker. Er arbeitete besonders über die Verbindung von Unbewusstem und Sprache. Mit seiner Theorie, dass das Unbewusste wie eine Sprache konstituiert ist und von Sprache hervorgebracht wird, beeinflusste er die Philosophie? und die poststrukturalistische? Literaturtheorie.

Leben und Schreiben

Der Mann, der in Frankreich die Schriften Sigmund Freuds durch seine Interpretation radikalisiert, stammte aus einer katholischen Familie. Jacques-Marie Émile Lacan wurde 1901 in Paris geboren. Er besuchte eine Jesuitenschule, studierte Medizin und später Psychiatrie und begann 1927 seine klinische Ausbildung zum Psychiater. 1932 wurde er mit einer Arbeit zum Thema Paranoia promoviert.

Zunächst war Lacan als Neurologe und Psychiater in verschiedenen Kliniken tätig. In den 1930er-Jahren unterzog er sich einer Lehranalyse. 1936 hielt er auf dem Internationalen Psychoanalyse-Kongress in Marienbad einen Vortrag über das so genannte Spiegelstadium. Darin beschreibt er, wie das Kind zwischen dem sechsten und dem 18. Lebensmonat erstmals im Spiegel ein vollständiges Bild von sich selbst erkennt und was daraus für die psychische Entwicklung folgt.

1938 trat Lacan der Société Psychanalytique de Paris (SPP) bei. Während der Besetzung Frankreichs durch die Nationalsozialisten arbeitet er an einem Militärkrankenhaus. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er neben seiner wissenschaftlichen und therapeutischen Tätigkeit Lehranalytiker und Supervisor bei der SSP. Zu seinen Analysanden gehören zahlreiche französische Intellektuelle.

Innerhalb der SSP war Lacan allerdings bald umstritten, weil er in der Praxis zunehmend unkonventionelle Methoden anwendet. Zum Beispiel variierte er die Sitzungsdauer nach eigenen Vorstellungen und blieb dabei zuweilen deutlich unter der vorgeschriebenen Stunde oder Dreiviertelstunde. Auch mit der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung sollte es später langwierige Auseinandersetzungen über Lacans Stil geben.

1953 wurde Lacan Präsident der SSP, trat jedoch wenige Monate später mit mehreren Kollegen aus der Organisation aus und gründete eine eigene Vereinigung, die sich später noch einmal aufspaltete: [[1964[[ gründete er die École Française de Psychanalyse, die kurz darauf in École Freudienne de Paris (EFP) umbenannt und zur maßgeblichen psychoanalytischen Organisation in Frankreich wurde.

Freud?. Die Reihe wurde 27 Jahre lang vor stetig wachsendem Publikum fortgesetzt. 1966 erschien eine Sammlung von Lacans wichtigsten Aufsätzen? und Vorträgen. Ihr Verfasser selbst ging jedoch davon aus, dass sie kaum lesbar seien.

Bis in seine letzten Jahre hinein war Lacan wissenschaftlich und praktisch tätig. Im Januar 1980 verkündete er schließlich brieflich? und durch eine von ihm unterzeichnete Mitteilung in der Tageszeitung „Le Monde“ die Auflösung der EFP und fragte deren Mitglieder, wer mit ihm weiterarbeiten wolle. Er bekam daraufhin innerhalb einer Woche über tausend Zuschriften und gründete im Februar die Organisation „La Cause Freudienne“. 1981 starb Jacques Lacan in Paris.

Lacan und die Literaturwissenschaft

Borromäische Ringe - (c) Wikimedia

Nach Jacques Lacan ist die Psyche des Menschen dreifach konstituiert, nämlich durch das Imaginäre, das Symbolische/Sprachliche und das Reale. Diese drei sieht Lacan ineinander verschlungen wie die drei Ringe des Borromäischen Knotens. Die Ringe haben ihren Namen von der italienischen Familie der Borromäer, die sie in ihrem Wappen tragen. Borromäische Ringe sind so ineinander verschlungen, dass das Gebilde auseinanderfällt, wenn nur einer von ihnen herausgelöst wird.

Foto: Wikimedia.org

Erstens: Das Imaginäre

Das Imaginäre entsteht zwischen zwischen dem sechsten und dem 18. Lebensmonat. Konnte das Kind bis dahin nur Teile von sich selbst erblicken, so erfährt es sich nun erstmals als vollständig – aber nur im Spiegel, das heißt in Gestalt eines anderen. Das Begehren (désir) nach diesem anderen wird zum Grundthema des Ich, das erst durch diese Begegnung im Spiegel entsteht.

Die imaginierte, also vorgestellte Identifizierung mit dem anderen ist zeitlebens unerreichbar. Das Imaginäre ist also ein mit dem Entstehen des Ichs entstehender Mangel und ebenso das aus diesem erwachsende, aber nie erfüllte Begehren.

Zweitens: Das Symbolische bzw. die Sprache

Dieser zweite Bereich entsteht durch den Spracherwerb. Wenn das Kind lernt, sich verbal auszudrücken, unterwirft es sich der Sprache, die als Ordnung aufeinander bezogener Zeichen eine eigene, ursprüngliche Realität bildet. Die Sprache ist die einzige Art von Wirklichkeit, die der Mensch überhaupt erfährt. Er tritt in sie ein, indem er sprechen lernt.

Der Sprache können wir nicht entkommen, sie ist nicht etwa nur unser Schlüssel zur Welt, vielmehr besteht daraus unsere innere und äußere Realität. „Das Unbewusste ist wie eine Sprache strukturiert“ – diese Aussage gehört zu den bekanntesten von Lacan. Unter Sprache ist aber mehr zu verstehen als nur der verbale Bereich. Zur Ordnung des Symbolischen gehört auch die Konfrontation mit dem Willen des Anderen. Zuerst mit den Wünschen der Mutter, dann auch mit denen des Vaters – hier begegnen wir dem Freudschen Ödipuskonflikt.

Drittens: Das Reale

Darunter ist alles zu verstehen, was nicht imaginär und auch nicht sprachlich ist. Hierzu gehören befremdliche Träume und Abgründe der Sexualität, der Gewalt und des Todes, die nicht in die Ordnung des Symbolischen überführt werden können. Das Reale ist sozusagen der unfassbare Grund, der unter der Sprache liegt.

Rückgriff auf die strukturale Linguistik

Für sein Verständnis von Sprache griff Lacan auf die strukturale? Linguistik des Sprachwissenschaftlers Ferdinand de Saussure? zurück. De Saussure unterscheidet zwischen den miteinander zu einer Struktur verknüpften sprachlichen Zeichen (Signifikanten?) und dem, was diese Zeichen besagen (Signifikate?). Für ihn erhalten die Zeichen ihre Bedeutung durch die Beziehungen, die sie innerhalb des sprachlichen Systems zueinander haben.

Lacan geht noch weiter: Für ihn ist es prinzipiell unmöglich, die Signifikanten als Vermittler zu den Signifikaten zu nutzen. Wir gelangen nicht durch Worte zu den dahinter liegenden Bedeutungen, sondern wir bleiben an die verbale Ebene gebunden. Die Signifikanten stellen ein in sich geschlossenes System dar, sie bilden die einzig zugängliche Oberfläche des Textes, der Sprache, ja unserer ganzen Wirklichkeit.

Bedeutung

Auf die Literaturwissenschaft hat er durch sein Verständnis von Sprache und Text großen Einfluss ausgeübt: Wenn die Sprache etwas Autonomes ist, das sich dem Autor nicht unterwirft, dann erübrigen sich alle Interpretationen, die nach dem Urheber? des Textes fragen und nach dem, was er sagen wollte. Der Poststrukturalismus?, eine Richtung, die auf jegliche Suche nach Sinn und Wahrheit zugunsten eines spielerisch-pluralistischen Umgangs mit Bedeutungen verzichtet, ist ohne Jacques Lacan nicht denkbar.

Werke (Auswahl)

  • Bücher von Jacques Lacan bei Jokers
  • Schriften. Ausgew. u. hg. v. Norbert Haas. 3 Bde., Walter Verlag, Olten/Freiburg 1973–1980

Sekundärliteratur

  • Lang, Hermann: Die Sprache und das Unbewußte: Jacques Lacans Grundlegung der Psychoanalyse. Suhrkamp Taschenbuch, Frankfurt am Main, 4. Aufl. 1986, ISBN: 978-3518282267
  • Roudinesco, Elisabeth: Jacques Lacan. Bericht über ein Leben. Geschichte eines Denksystems. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1996, ISBN: 978-3462025743
  • Žižek, Slavoj: Lacan. Eine Einführung. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main, 4. Aufl. 2008, ISBN: 978-3596176267

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