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Franzobels großer Fußballtest

von<br> Franzobel

Franzobels großer Fußballtest, Buchcover von Gerhard Haderer - (c) Picus Verlag

Wer die Kritik an Personen und Umständen des Fußballbetriebes für Majestätsbeleidigung hält, der sollte hier abbrechen. Denn das vorgestellte Buch ist wirklich eine Majestätsbeleidigung - auf eine sehr sympathische, österreichische Weise. Der Hintersinn beginnt bereits im Titel. Der Name des Autors ist ein Pseudonym, dessen Geschichte, wenn sie denn stimmt, abenteuerlich zu nennen ist: „Franzobel” - übrigens Bachmann-Preisträger des Jahres 1995 - ist eine Verballhornung eines Spielergebnisses, Frankreich gegen Belgien, mit dem sprechenden Ergebnis Fran2:0Bel.

Dieser Franzobel also, dem die praktische Fußballerfahrung in Foto und Haderer-Zeichnung schon aus allen Knopflöchern schaut, nimmt den Fußball und die EM 2008 zum Anlass zu einer Generalabrechnung mit diesem Sport, seinen Akteuren, Funktionären und Konsumenten, mit dem Geschäft, das damit gemacht wird und mit den Höhen und vor allem Tiefen, die der Sport dem Gefühlsleben beschert. Er tut dies in Form von unabhängigen Artikeln, ehemals wohl Zeitungskolumnen?, die treffsicher aufspießen, was den Autor zum Thema bewegt. Meist spricht er dabei mit sich selbst, manchmal auch im „Doppelpass” mit Richard Reich, wobei sich unwillkürlich das Bild der grantelnden „Muppet”-Greise Waldorf und Statler vor das geistige Auge schiebt (die altersmäßig weit entfernt sind!).

Es ist also keine Hymne auf sportliche Höchstleistungen, kein Loblied auf die völker-verbindende olympische Sportidee, auch alles andere als ein Sachbuch. Denn wenn Franzobel spricht, dann aus dem Blickwinkel des liebenden, aber enttäuschten Verehrers, des kenntnisreichen Zynikers und gleichzeitig des typischen Stammtischphilosophen, der sich in diesen menschlichen „Niederungen” die Lufthoheit erobert.

Viele Faktendetails werden dem deutschen Leser nur bedingt vertraut sein, weil sie sich stark auf das Sportgeschehen in Österreich und der Schweiz fokussieren, aber selbst wer Namen, Vereine und Ergebnisse nicht perfekt einordnen kann, wird überrascht sein, dass die Gemeinsamkeiten der drei deutschsprachigen Länder doch weiter über phonetische Ähnlichkeiten hinausgehen als vermutet. Und wenn der deutsche Leser versucht ist, von einem Erfolgspolster „seiner” Mannschaften aus das hohe Ross zu besteigen, so erkennt er rasch, dass Wille und Einbildungskraft überall die Neigung fördern, sich die unschönen Realitäten untertan zu machen.

Doch man muss gar nicht zu ernsthaft und beckmesserisch an das euphemistisch „Spiel” genannte Geschäft des Fußballs herangehen, um Freude an diesem Buch zu haben. Allein die auch sprachlichen und gedanklichen Fehlleistungen der Akteure ähneln sich doch in erstaunlicher Weise und reizen zu Schadenfreude und Überheblichkeit, beides sehr frohmachende Wesenszüge aller Menschen.

Und damit diese Gefühlsregung nicht zu einseitig verteilt ist, gestattet Franzobel sie sich auch gerne selbst, vor allem beim Blick über die nördliche Grenze zu den „korrekten und fleißigen” Ballacks, Lahms und Schweinsteigers. Der Verzicht auf jegliche „politische Korrektheit” erfrischt dabei ebenso wie die boshaft karikierenden Blei- und Farbstiftzeichnungen des treffsicheren Gerhard Haderer?, der seine Qualitäten ja auch schon oft genug bewiesen hat und hier in der kleinen Form der hingeworfen wirkenden Skizze glänzt.

Danke für ein wunderschön böses Buch, auch für Nichtfans.

Originalbeitrag unter www.alliteratus.com

Literaturangaben

  • Franzobel: Franzobels großer Fußballtest, mit Illustrationen von Gerhard Haderer, Picus Verlag, Wien 2008, 239 S, 16,90 €, ISBN: 978-3854526315 (ab 12 Jahren)

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