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So viel Zeit

von<br> Frank Goosen

Das Großartige an Büchern von Frank Goosen? ist ihre Zitierfähigkeit. Sie sind wie die Art Filme aus den [1990er | [1990ern]], die voll waren von unbeschreiblich genialen Sprüchen. Anstelle der kruden Filmstories? stehen bei Goosen jedoch stets fein gearbeitete Geschichten, denen es weder an Tiefe noch an Unterhaltung fehlt. Es heißt, Lesen sei Kino für den Kopf. Wenn das zutrifft, ist Frank Goosen einer der größten lebenden deutschen Regisseure.

Fünf Männer Anfang 40

In seinem neuesten Roman „So viel Zeit“ geht es um fünf Männer Anfang Vierzig, die vor fünfundzwanzig Jahren mal beste Freunde waren, diese Freundschaft heute jedoch nur noch von der monatlichen Doppelkopfrunde zusammengehalten wird. Sie haben keine Midlife-Crisis, kämpfen aber doch alle gegen den Dämon Zeit: Lehrer Konni wurde von seiner langjährigen Freundin Michaela verlassen und sitzt im halbfertigen Eigenheim, Steuerprüfer und zweifacher Vater Rainer wird von seiner Frau verdächtigt, sie zu betrügen, Onkologe, Witwer und ebenfalls zweifacher Vater Bulle bleibt allein, weil er seine tote Frau, die er über den Tod hinaus liebt, nicht betrügen will, und Thomas, früher mal gefeierter Autor, fragt sich stetig, ob seine Beziehung mit der 23-jährigen Studentin Corinna Zukunft hat. Alle scheinen ihre beste Zeit hinter sich zu haben.

Da kommt Thomas die Idee, eine Band zu gründen. Konni kommentiert: „Manchmal denke ich, wir produzieren gar keine neuen Erinnerungen mehr, leben nur noch von den alten. Vielleicht sollten wir einfach da rausgehen und noch ein paar Erinnerungen produzieren, bevor es zu spät ist.“ An dieser Stelle kommt Freund Nummer fünf ins Spiel: Ole, der keinen Job, dafür aber umso mehr Seele und Qualitäten als Frontmann hat. Die vier Freunde fahren schließlich nach Berlin, um Ole nach Hause in den Ruhrpott zu holen. Die Band „Mountain of Thunder“ hat schließlich ihre ersten Auftritte und auch im übrigen Leben der vier beginnt sich etwas zu bewegen, zum Positiven wie zum Negativen. Letztlich aber wird ihnen klar, dass sie, wie Konni richtig feststellte, neue Erinnerungen brauchen, um das Älter- und schließlich das Altwerden zu ertragen: „Bulle war klar, dass ‚Mountain of Thunder’ gebraucht wurde, und zwar dringend. Es musste diese kleinen Bands geben, die nicht berühmt werden wollten, sondern nur ihr eigenes Leben und vielleicht ein paar andere Leben für ein oder zwei Stunden retten wollten.“

Tiefgründige, wunderbare Zitate

Tiefgründige, wunderbare Zitate wie dieses sind es, die zuhauf in „So viel Zeit“ vorkommen. Sie sind aber nicht – wie in den erwähnten Filmen – bloße Staffage. Goosen vermag es vielmehr, mit ihrer Hilfe eine wunderschöne Geschichte von Freundschaft, Liebe und Verzweiflung, sprich: vom Älterwerden auszukleiden. Stereotype Fragen wie „Was habe ich erreicht?“ und „War es das schon?“ tauchen immer wieder auf, sind aber in diesem Goosenschen Gewand nachvollziehbar und unaufdringlich. Im Leben der Protagonisten von „So viel Zeit“ ist schon so viel Zeit vergangen, es kommt ihnen aber so vor, als sei es erst gestern gewesen, dass sie zusammen auf der Abiparty waren. Sie fühlen sich alt und verbraucht, und die Band und deren Auftritte sind ein demonstrativer Akt, diesem Gefühl entgegen zu arbeiten.

Mit Songs on „Whitesnake“, „AC/DC“ und „Bachman Turner Overdrive“ lassen sie ihre Jugend aufleben und schaffen sich eine neue, eine zweite Jugend und geben ihrer Freundschaft einen neue Basis. Goosen schafft es mit „So viel Zeit“ wieder einmal, einfach eine gute, Empathie mit den Figuren evozierende Geschichte voller marmorwürdiger Sätze zu erzählen. Und wenn man schon schließen muss, warum nicht auch mit ihm: „… so viele Erinnerungen zu produzieren, so viel Leben in sich zu haben, also stoßen wir an und hoffen, dass alles gut wird.“

Literaturangaben

Goosen, Frank: So viel Zeit. Roman. Eichborn Verlag, 2007. 352 S., ISBN: 978-3821809205

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