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Der kleine Bruder

von<br> Sven Regener

Kreuzberg 1980, Frank Lehmann, ein junger Mann aus Bremen, bereist zum ersten Mal die große „Mauerstadt“, um ein neues Leben zu beginnen. Sein fiktiver Lebenslauf passt auf so viele junge Menschen, die in Berlin ihr Glück suchen. Es ist die Ausgangssituation des neuen und letzten Romans von Sven Regener um die Figur Frank Lehmann. „Der kleine Bruder“ spielt zeitlich zwischen seinen beiden Vorgängern: Erzählte Regener in „Herr Lehmann“(2001) von dem Leben seines Protagonisten in Berlin kurz vor der Wende, so handelte „Neue Vahr Süd“ (2004) von Lehmanns Leben in Bremen, vor dessen Aufbruch nach Berlin.

In „Der kleine Bruder“ ist Frank nun endlich im wilden Kreuzberg angekommen, mit seinem Punker Freund Wolli zusammen fährt er die dunkle Transitstrecke nach Westberlin hinein. Gleich einer Wiedergeburt gelangen sie in die neue Stadt, als „in der Ferne die hell strahlende Grenzkontrolle auftaucht“. Doch der Aufenthalt verkompliziert sich zugleich, als Frank bei der WG seines Bruders Manfred ankommt und feststellen muss, dass dieser verschwunden ist. Niemand scheint über seine plötzliche Abwesenheit informiert zu sein, auch wenn keiner deswegen besorgt ist. So befindet Frank sich auf einmal inmitten einer chaotischen WG in Kreuzberg 36. Mit den skurrilen neuen Mitbewohnern zieht er sogleich in die wilden und langen Kreuzberger Nächte, stets in der Hoffnung, etwas über den Verbleib seines Bruders zu erfahren. Auch der Leser wird unweigerlich mit hinein in diese bizarre Welt gezogen. Mitunter ist es schwer, den vielen Geschehnissen, die scheinbar auf einmal passieren, zu folgen. Die vielen neuen Figuren, die Teil des Freundeskreises sind, sind nur schwer auseinander zu halten. So ist es aber für den Leser nachvollziehbar, wie überfordert sich auch die Figur Frank Lehmann fühlen muss, inmitten all der aufwühlenden Ereignisse.

Da sein Bruder verschwunden bleibt, begibt sich Frank auf die Suche nach ihm und erfährt durch dessen mitteilsame Bekannte Details aus Manfreds Leben in Kreuzberg. Es scheint, als ob der neue „Freddie“, wie er neuerdings in Berlin genannt wird, wenig mit dem alten „Manni“ aus Bremen gemein habe. Noch immer in der WG seines Bruders lebend, wird Frank immer mehr Teil des verschrobenen Freundeskreises. Wurde er anfangs lediglich „Freddies kleiner Bruder genannt“, rutscht Frank nach und nach an dessen Stelle. Immer wieder muss er in brenzligen Situationen eingreifen und den Durchblick behalten. So lernt der Leser Frank Lehmann erstmals als aktive und starke Figur kennen, eine Weiterentwicklung im Gegensatz zum Vorgänger „Neue Vahr Süd“, in dem Frank sich zwischen zwei unterschiedlichen Welten passiv hin und her treiben ließ.

Sven Regener schafft es, die Lücke zwischen „Herr Lehmann“ und „Neue Vahr Süd“ gekonnt zu schließen. Die persönliche Entwicklung der Lehmannschen Figur ist für den Leser nachvollziehbar. Auch wenn die vielen Dialoge? und die scheinbar nichtigen Streitereien teilweise anstrengend wirken, so vermitteln sie doch einen guten Eindruck von dem Leben in den achtziger Jahren in Berlin. Das sich hinter einem scheinbaren Hausbesetzer manchmal auch nur ein spießiger Großkapitalist verbirgt, ist nur eine der vielen Weisheiten, die der Roman dezent preisgibt. Leider erstreckt sich die gesamte Handlung nur über den Zeitraum von zwei Tagen und erscheint als Abschluss der Trilogie? mit 281 Seiten? etwas zu kurz geraten. Handelt es sich doch insgesamt auch um das Panorama einer Stadt, die viele Gegensätze bis heute vereint und dabei stetig an Charme gewinnt.

Literaturangaben

  • Regener, Sven: Der kleine Bruder. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2008. 281 S., 19,95 €, ISBN: 978-3821807447

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