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Die Tochter. Das Leben der Martha Fontane

von
Regina Dieterle

Die Tochter, Buchcover - (c) by Hanser Verlag

Eine Schweizerin widmet sich einer Berliner Göre hugenottischer Herkunft: Als vor einigen Jahren Theodor Fontanes hundertsten Todestages gedacht wurde, gab es über Martha, dieses interessante Mädchen, nur wenig Informationen. Doch nun liegt sie vor, die Biographie der einzigen Tochter von Emilie Fontane geb. Rouanet-Kummer, 36, und des 41-jährigen Apothekers, Journalisten und Schriftstellers Theodor Fontane.

Gechrieben hat sie Regina Dieterle?, Jahrgang 1958, Lehrbeauftragte an der Kantonsschule Enge, Zürich. Dieterle ist Vorstandsmitglied der Theodor-Fontane-Gesellschaft?. Zwischen 1998 und 2004 hielt sie sich zu Forschungszwecken in Berlin auf und befasste sich dabei mit Martha, die - wir werden es sehen - als typisches Berliner Kind nicht auf den Mund gefallen war.

Zeitdokument einer Epoche

Geboren wurde Martha - der Vater nannte sie Mete - am 21. März 1860 in Berlin, in der Tempelhofer Straße 51 nahe dem Halleschen Tor. Die Vierzimmerwohnung der Familie war zu diesem Zeitpunkt schon trockengewohnt. Der dreijährige Bruder Theo hatte gekränkelt, als sie dort eingezogen waren, der Vater bemerkt: „… der Dunst und Schimmel hat sich nun aber ziemlich verloren und mit der besseren Luft ist auch der Kleine wieder besser geworden.“

Solche Alltagsdetails finden sich auf fast jeder Seite des 431 Seiten starken Buches. Was lässt sich denn so viel über die relativ unbekannte Tochter eines Dichters schreiben, werden sich manche Leser fragen. Viel, sehr viel. Das vorliegende Buch ist ein Zeitdokument?, eine Fleißarbeit über eine Familie und ihren Freundeskreis in den Gründerjahren Berlins bis zum Ersten Weltkrieg. Mete war von Anfang an dem Vater ans Herz gewachsen. Er hatte Freude an dem Kind, das gerne kletterte und eigentlich nicht so war, wie Mädchen in der Wilhelminischen Zeit sein sollten.

Wenn sie mit der Mutter auf dem Lande war, begann sie ihm zu fehlen. „Küsse meinen Liebling, die wilde Range (schreibe mir auch immer von ihr).“ Der Mutter war das oft zu viel, sie drohte mit Schlägen. Überhaupt waren, wie Fontane über den dreijährigen Theo geschrieben hatte, „Vorlesungen aus Kloppstock“ in der Erziehung der Zeit üblich. 1864 kommt das siebte Kind, nur vier von ihnen werden überleben, und das letzte, Friedrich, auf die Welt. Mittlerweile waren sie in eine größere Wohnung, in die Beletage der Hirschelstraße 14 gezogen. Zum ersten Mal müssen sie keine Wohnung trockenwohnen. Theodor Fontane hat den ersten seiner Wanderungsbände, „Die Grafschaft Ruppin“, veröffentlicht.

Frühes Angstkind

Emilie erholt sich nur langsam von den Strapazen der Geburt. Fontane erwähnt eine „tiefe Nervenverstimmung“ bei seiner Frau. Er schreibt seiner Mutter: „Die Kinder sind alle vier Gott sei Dank wohl und munter und schlagen bis jetzt leidlich gut ein, wiewohl es natürlich andrerseits an allerhand Dummheiten und Unarten nicht fehlt. Im Allgemeinen aber sind die Unarten nicht so groß und erscheinen nur mehr so, weil die arme, angegriffene Mama natürlich jeden Lärm oder jedes Geschrei doppelt lästig empfindet.“ Emilie wird sich immer wieder über den Lärm und Kinderstreit beklagen und sich aus gesundheitlichen Gründen mitunter auch alleine aufs Land zu Freunden zurückziehen, während die Kinder anderweitig versorgt sind. Später wird Martha das Gefühl nicht los, dass die Mutter sie nicht genügend liebte.

Mit zehn Jahren verbringt Martha ein Jahr in England bei der befreundeten Familie Merington. 1870 war es bereits möglich, von Berlin aus in 36 Stunden in London zu sein. Wie alle Fontanes schreibt auch sie eifrig Briefe?, die aus London sind aber leider verloren, bis auf die Nachschrift? am Rand des Briefes der Mutter, die bereits einen erwachsenen Schriftzug? erkennen lässt: „Lieber Vater, ich grüße Dich herzlich und werde Dir bald einmal schreiben, grüße und küsse alle herzlich.“ Ohne Unterschrift.

Theodor Fontane in Metes Geburtsjahr 1860 - (c) gemeinfrei

Fontane schreibt zurück: „Daß Mete so einschlägt, ist mir eine besondere Freude, sie ist ein apartes Kind, in gewissem Sinne ein Angstkind und alles wird davon abhängen, in welche Hände sie gerät …“ Dass der Vater auf einmal „Angstkind“ zu seiner wilden Range sagt, ist vom Wortlaut her neu, aber eine gewisse Angst, sie zu verlieren, sie könne entschwinden „wie ein Stern“, wie ihm träumte, hatte er häufig. Mete übernimmt diesen Begriff des Vaters. Sie wird sich selbst Angstkind nennen, als auch bei ihr die von ihrer Mutter geerbte „Nervosität“ in ihrer Pubertät auftritt.

Metes Schulzeit

Als Mete in England ist, gibt Fontane seine Stelle bei der „Kreuzzeitung“ zum Entsetzen seiner Ehefrau auf, um endlich als freier Schriftsteller zu leben. Jedoch statt seinen Roman abzuschließen, schreibt er 1871 erneut ein Kriegsbuch?, diesmal über den Deutsch-Französischen Krieg, während dessen er in französische Kriegsgefangenschaft geriet. Außerdem veröffentlicht er den dritten Band? der „Wanderungen durch Mark Brandenburg“. Er schreibt jetzt auch Theaterkritiken? für die „Vossische Zeitung“.

Sein Schreibtisch steht zu Hause. Der älteste Sohn ist beim Militär, auch Theo, der zweitälteste Sohn, ist außer Haus, als Martha aus England zurückkommt, lebt er im Internat des Theologischen Seminars. Schließlich geht Theo aufs Französische Gymnasium, wie auch der jüngste Fontanesohn Friedrich. Knaben aller Konfessionen werden hier weltoffen ausgebildet, wenngleich es wegen des Kriegs Ressentiments gegen das Französische gibt. 1875 schließt Theo als Klassenbester, als primus omnium, ab.

Die Möglichkeiten für Mädchen sind weit geringer. Meist langweilen sich die intelligentesten unter ihnen in der Schule. Fontane hätte seine Tochter gerne mehr gefördert gesehen. Sie philosophiert gerne. Sie sagt nicht mehr, „Theo, du bist zu dumm“, sondern: „Suche das Mißverhältnis zwischen Deinem Willen und Deinem Intellekt auszugleichen.“ Mit vierzehn nimmt sie Tanzstunden, tanzt mit ihrem Bruder Theo. Mit 16 wird sie konfirmiert und verlässt die Schule.

Arbeit ist ihre Stütze

In den 1870er Jahren wird Berlin als Hauptstadt des Deutschen Reiches Millionenstadt. Von allen Großstädten wächst diese am schnellsten. Fontanes sind erneut umgezogen, diesmal in die Potsdamer Straße 134 c, 3 Treppen links, in die Nähe des Tiergartens. Von dieser Wohnung existiert eine zeitgenössische Fotografie, und es existieren Erinnerungen Fontanes an diese Wohnung.

Seit seiner Apothekenzeit war Theodor Fontane mit Friedrich Witte befreundet, der selbst Apotheker ist, Pharmazie und Chemie studiert hat und in Rostock eine erfolgreiche pharmazeutische Fabrik betreibt, die Coffein und Pepsin, wichtige Heilmittel seiner Zeit, herstellt. Witte hatte die 1848er Revolution miterlebt und begrüßt und danach wie Fontane seine politische Richtung gewechselt. Er wurde Bismarckianer. 1878 wurde er von den Nationalliberalen in den Reichstag gewählt. Martha Fontane verbringt immer wieder Wochen und Monate bei den Wittes in Rostock. Später wird sie auch mit einer Erbschaft von ihnen bedacht.

Wenn Witte im Reichstag sitzt, hat er für Mete eine Besucherkarte besorgt. Sie verdankt Wittes viel und sie ist gerne bei ihnen. Da ist es kaum verständlich, warum sie gerade in Rostock einen Zusammenbruch erleidet. Fontane schreibt: „... daß Du, die Du sonst einen so gesunden Eindruck machst, an Nervosität noch Deine Mama zu übertreffen scheinst. Man lebt nun mal unter Menschenmassen, und diesen Massen gegenüber immer ein Gefühl der Beängstigung zu haben, heißt eine Menge Freuden des Daseins streichen.“

Von 1876 bis 1878 besucht Martha das renommierte Königliche Lehrerinnen-Seminar, das der Königlichen Augusta-Schule in Berlin Friedrichstadt angegliedert ist. Bereits Mrs. Merington hatte gesagt: „Mete muß immer beschäftigt sein; Arbeit ist ihre Stütze.“

Bei Wittes an der Ostsee

Mit bestandener Prüfung wird ihr als „Kandidatin für das Lehrfach an höheren Töchterschulen“ ein Zeugnis ausgehändigt, das Bewertungen enthält in den obligatorischen Fächern Religion, Schulkunde, Deutsche Sprache, Rechnen, Geschichte, Erdkunde, Naturgeschichte, Naturlehre, Französische und Englische Sprache sowie Lehrfähigkeit. Das Mindestalter musste 18 Jahre sein. Insofern wird es Mete gestattet, nach drei Semestern das Examen abzulegen. Fontane notiert 1878 in sein Tagebuch: „Anfang April bestand Martha ihr Examen; gut wie sich annehmen ließ.“

Den Sommer verbringt Mete bei Wittes an der Ostsee. Sie schreibt Briefe?. Der Vater notiert: Ihre Briefe sind „natürlich altklug und literarisch, aber darf man sich darüber wundern? Sie ist eben in einem kritisch-schriftstellerischen Hause geboren und erzogen, und was nicht schon im Blute steckte, das hat die Atmosphäre, in der sie heranwuchs, hinzugetan.“ Und weiter: „Übrigens, meine süße Mete, vergiß beim Baden nicht, daß Du eine Erdgeborene bist und trotz unsrer Herkunft aus dem südlichen Frankreich, nicht von den Lusignans stammst, aus denen die ‚schöne Melusine’ entsproß. Wolle also nicht zu sehr ‚mermaid’ sein und halte Dich im Seh- und Stimmbereich mecklenburgischer Badefrauen. Vor denen erbangen selbst die Geister der Tiefe.“ In der typisch ironischen Art Fontanes ist die Angst um seine wilde Range unüberhörbar.

Im selben Jahr erkrankt Martha lebensbedrohlich an Typhus, der epidemisch im Deutsch-Französischen Krieg aufgetreten war. Robert Koch gelingt es in Zusammenarbeit mit Wittes Chemielabor, das Heilmittel Pepton zu entwickeln; mit Hilfe dieses Pepton entdeckt er 1882 den Tuberkelbazillus, 1883 den Erreger der Cholera.

Nervenfieber

Am 11. Dezember 1878 notiert Fontane: „Martha, die recht krank war (Nervenfieber) ist in der Rekonvaleszenz und lacht schon wieder.“ Immer wieder wird bei Marthas späteren Anfällen von einem Nervenleiden gesprochen, das auf die Typhus-Erkrankung zurückgehen soll, da das hohe Fieber schwere Störungen der psychischen Funktionen auslöst. Während ihrer Krankheit ist Fontanes Romanerstling „Vor dem Sturm“ erschienen. Martha freut sich über das Lob, das ihrem Vater gespendet wird. Fontane ist achtundfünfzig Jahre alt.

Wenn Wittes in Berlin sind, ist Martha viel mit ihnen unterwegs. Sie gehen zusammen essen, fahren im Tiergarten spazieren, gehen abends ins Theater. Emilie Fontane schreibt, dass sie befürchte, Wittes würden ihren Mann „breitschlagen, ihnen Mete gleich mit nach Rostock zu geben … neulich sagte er einmal in ihrer Gegenwart: ‚so lange ich arbeiten kann, soll sie zu meiner Freude im Hause sein, und wenn ich auch nachts noch eine Stunde länger arbeiten soll.’“

Das spricht natürlich an, was Freundinnen Marthas bereits praktizieren: einen Bräutigam zu finden und zu heiraten. Dem Vater fällt es immer schwerer, die Tochter fortgehen zu lassen. Sie hätte mit Wittes nach Paris fahren können, er war dagegen. Auch gegen ihrePläne, erneut nach England zu gehen, stellt er sich. Die Differenzen zu seiner Frau Emilie mehren sich. Sie schreibt, Martha habe sich in ihrem Benehmen ihr gegenüber, „soweit es ihr Charakter zuläßt, enorm zum Guten geändert, und zeigte ihr mein guter Mann nicht in so übertriebener Weise sein Eingenommensein von ihr, würde es noch besser gehen“.

Unterdrückter Ärger?

Der Vater berichtet, dass Martha Stellen sucht, fast schadenfroh fügt er hinzu: sie „finde aber keine“. 1880 bis 1881 ist sie dann doch Hauslehrerin bei einer Landadelsfamilie auf Schloss Dammer. Die Tochter Ella von Mandel schreibt in ihren Aufzeichnungen: „Wie üblich wurde ich im Hause unterrichtet … und lernte herzlich wenig, bis die Tochter von Theodor Fontane ins Haus kam. Von diesem Augenblick an erweiterte sich mein Gesichtskreis erheblich.“

Trotz der positiven Aufnahme durch die Tochter des Hauses fühlt sich Mete zunehmend unwohl auf Schloss Dammer. Sie wird krank. Zu ihren Angstzuständen kommen eine Kolik der Gebärmutter, Blasenentzündung und vor allem Migräne. Sie schreibt in einem ihrer vielen Briefe nach Hause: „Heute früh hatte ich mal wieder das Vergnügen mit Migräne aufzuwachen …; was die jetzt häufiger wiederkehrenden Migränezustände betrifft, so habe ich die Bemerkung gemacht, daß sie entschieden Folgen von unterdrücktem Ärger sind; ich ärgere mich unbeschreiblich, besonders auch im Traum und, woran ich das Krankhafte des Zustandes erkenne, nur über Dinge, die mich eigentlich nichts angehen.“ Der Vater antwortet ihr: „Ich glaube mich auf psychische Zustände und auch auf Körperzustände, die mit dem Psychischen zusammenhängen, wundervoll zu verstehen, denn ich habe sie seit über 30 Jahren an mir und Mama studiert.“

Nicht nur, dass zu dieser Zeit Sigmund Freud gerade mal dreißig Jahre alt ist, selbst Meyers Konservationslexikon von 1904 erwähnt ihn noch nicht, es wird in der Fontane Familie offen über das Erscheinungsbild des Psychischen gesprochen, ohne es wirklich deuten zu können. Auch die Autorin Regina Dieterle, die minuziös Fakten zusammengetragen hat, tut sich als Germanistin nicht den Tort an, die offensichtlich nicht nur genetisch, sondern auch gesellschaftlich bedingten psychischen Störungen der drei Fontanes, wie Emilie, Mete und Theodor Fontane genannt werden, zu deuten.

Die Novelle des Frl. Fontane

Natürlich ist bei Martha der gesellschaftliche Druck maßgeblich an ihren Beschwerden beteiligt. Die Gesellschaft erwartet ein konkretes Rollenverhalten von einer Frau, dem sie nicht entsprechen will. Über den Hausherrn von Schloss Dammer schreibt sie: „Der war Militär bis zum Hauptmann; ist echter Soldat, kurz, pünktlich, sachgemäß, aber mir nicht höflich genug; er scheint zu den Männern zu gehören, die von vorneherein so von ihrer Superiorität über jedes weibliche Wesen überzeugt sind, daß man dieser ihrer Ansicht nur eine ruhige Heiterkeit entgegensetzen kann … Er unterhält sich mit mir und scheint sich zu wundern …, daß ich es wage, dem Herrn Hauptmann zu widersprechen; ich gebe mich aber mit Willen vom ersten Tage an, wie ich bin; erstens ist und bleibt es das Richtige und zweitens ist eine ewige Rolle für meinen Charakter doch nicht ausführbar.“

Nachdem sie Dammer verlassen hat, ein Bräutigam am Horizont nur eine Erscheinung bleibt, schreibt sie 1882 eine Novelle, die der Vater am 21. Januar 1883 an den Herausgeber der „Illustrierten Frauen-Zeitung“ schickt. In den 1880er Jahren waren die Bedingungen, besonders in der Zeitungs- und Verlagsstadt Berlin, für Frauen und für Schriftstellerinnen besser denn je, Frauenthemen waren gefragt. Auch Fontane hat überwiegend Frauen zu den tragenden Gestalten seiner Romane gemacht.

„Die Novelle des Frl. Fontane ist, von andern Mängeln abgesehen, ohne jegliche Handlung.“ Zwei Wochen nach Eingang kommt die Absage. Nicht nur der Vater ist zutiefst getroffen. Martha hat nie wieder einen Versuch unternommen, sich mit ihren Schriften an die Öffentlichkeit zu wenden. Die Novelle ist verschollen. Die starke Persönlichkeit, die sie ist, und der Rückhalt, den sie von ihrem Vater hat, haben nicht verhindert, dass die Absage sie entmutigt hat.

Ständiges Umziehen

Obwohl Martha Fontane die gesellschaftlichen Mechanismen durchblickt, wird sie an der Gesellschaft und auch an sich selbst scheitern. Sie zählt zu den ersten bürgerlichen Frauen, die sich außerhalb der Familie beruflich entwickeln können, dennoch wird sie sich in eine Ehe mit einem zweifachen Witwer flüchten, der eine Generation älter ist als sie – vier Monate, nachdem ihr Vater am 20. September 1898 gestorben ist; da ist sie achtunddreißig Jahre alt.

Sie wird auch bei dem Ehemann, dem Architektur-Professor K.E.O. Fritsch, den sie Keo nennt, Mitbesitzer und Hauptredakteur? der „Deutschen Bauzeitung“, einem Freund ihres Vaters und des Reichstagsarchitekten Paul Wallot, keine Ruhe finden, obwohl er ihr einen großbürgerlichen Lebensstil und ein herrschaftliches Leben in der Villa in Waren am Müritzsee ermöglicht, die er extra für sie bauen lässt.

Später, als die herrschaftlichen Grunewaldvillen zur ersten Adresse im Großraum Berlin gehören, flüchtet sie hier von einer Wohnung in die nächste. Dieses ständige Umziehen hat sie in ihrer Kindheit von ihren Eltern gelernt. Dennoch haben ihre Ruhelosigkeit und ihre Angstzustände eine andere Ursache. Sie versucht, dieses Wüten in sich abzutöten. Schon bei Fontanes floss reichlich Wein. Der Alkohol wird ihr ständiger Begleiter. Aus dem Angstkind ist ein Flaschenkind geworden.

Letzte Jahre in Waren

Als Fritsch sie zur Witwe macht, dauert der Erste Weltkrieg bereits ein Jahr. Man hatte sich nicht auf einen langjährigen Krieg eingestellt. Ihre Witwenzeit ist nur lückenhaft dokumentiert. Aber auch jetzt wechselt sie mindestens noch zweimal ihre Wohnungen. Kuren und Klinikaufenthalte scheinen ihr nicht geholfen zu haben. Sie zieht sich nach Waren zurück. Ihr letzter überlieferter Brief ist an ihre Stieftochter Annie Scheller (aus der ersten Ehe von Fritsch) gerichtet.

Obwohl sie eine reiche Witwe ist, hat sie Existenzängste. „Daß ich, die ich keinen Pf. sicher einnehme, in einer Lage bin, die auch den Nerven und dem Schlaf nicht dienlich sind“, wer also so von ihr denkt, sei „natürlich ahnungslos über meine Lage … daß der Krieg so dauern wird, ist nun nicht zu ändern; Theo sagt, er wirft jede Mutmaßung, alles über den Haufen … nun bin ich schändlicherweise auch noch krank und habe zeitlebens, so lange ich denken kann, für mich selber sehr viel ausgeben müssen und bin statt meiner gesicherten Lage durch Papas Werke und statt der Frau eines an Einnahmen sehr wohlhabenden Mannes eine im höchsten Maße bedrängte Frau, die auch nur noch kritisiert und mißbilligt wird. Genau wie alle wissen, wie es mir geht.“

In der „Vossischen Zeitung“, redaktioneller Teil, Morgenausgabe vom 12. Januar 1917 heißt es unter der Rubrik „Persönliches“: „Im Alter von 57 Jahren ist gestern die verwitwete Frau Prof. Martha Fritsch, die einzige Tochter Theodor Fontanes, gestorben. Jeder Leser der Familienbriefe des Dichters weiß, wie nahe die jetzt Verstorbene seinem Herzen gestanden hat und wie er nicht bloß Familienangelegenheiten, sondern häufig auch künstlerische und literarische Fragen eingehend mit ihr zu erörtern pflegte.“

Mete hat ihrer Angst davonfliegen wollen. Sie springt vom Balkon ihrer Villa. Als Corinna in dem Roman „Frau Jenny Treibel“ hat ihr Vater sie unsterblich gemacht.

Werke

Literaturangaben:

  • DIETERLE, REGINA: Die Tochter. Das Leben der Martha Fontane. Carl Hanser Verlag, München 2006, ISBN: 978-3446207745, 432 S., 24,90 Euro.
  • Taschenbuchausgabe: Diogenes Verlag, Zürich 2008, ISBN: 978-3257237412, 435 S., 14,90 Euro.

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