diesen Kommentar bitte stehen lassen Hauptseite | Bibliothekswesen | Bibliotheksgeschichte | Bibliotheksgeschichte des Mittelalters


Bitte Krümelpfad oben nicht verändern, erst ab hier nach unten Texte ändern

Bibliotheksgeschichte des Mittelalters

Siehe auch Bibliotheksgeschichte der Antike
sowie Bibliotheksgeschichte der Neuzeit bis 1800
und Bibliotheksgeschichte der Neuzeit ab 1800

Der römische Senator Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus? (485-580) kann als Mann des Überganges vom Römischen Reich zum Heiligen Römischen Reich gesehen werden. Cassiodorus war unter dem Ostgoten Theoderich und dessen Tochter Amalaswintha von 533 bis 538 der Leiter der Zivilverwaltung im Herrschaftsbereich der Ostgoten. Er schrieb nicht nur eine Geschichte der Goten, sondern auch ein „Lehrbuch? der göttlichen und weltlichen Wissenschaften“, die „Institutiones divinarum et saecularium literarum“. Darin stellt er Regeln zum Abschreiben? religiöser und profaner Handschriften auf und erklärt diese Tätigkeit zur ausdrücklichen Aufgabe der Mönche.
In Bruttien, dem heutigen Kalabrien, gründete Cassiodorus das Kloster Vivarium. Damit begann eine lange Reihe mittelalterlicher Klosterschulen, -bibliotheken und -schreibstuben. Cassiodorus gilt als Wegbereiter der mittelalterlichen Geisteswelt.

Die Klöster als Bildungshüter und -bewahrer

Nach dem Untergang des Römischen Reiches wurden die Bibliotheken hauptsächlich von Klöstern geführt. Das lag auch daran, dass die Mönche die Schreibkunst beherrschten. Der Schwerpunkt der Klosterbibliotheken lag natürlich auf dem Alten und Neuen Testament. Das Christentum ist durch seine jüdischen Wurzeln eine Buchreligion?.

In den Klosterbibliotheken wurde zwischen heiligen und profanen Schriften unterschieden. Allerdings wurden die profanen Schriften, also die antiken Werke, weiterhin als Basis für die Lehre der Schrift und des Lesens verwendet.

Benedikt von Nursia gründete 529 in Monte Cassino in einem ehemaligen Apollo-Tempel ein Kloster. Es wurde das Mutterkloster des nach ihm benannten Benediktiner-Ordens. Benedikt schrieb den Mönchen täglich dreieinhalb Stunden Schriftstudium vor. Sein Verbot privaten Bücherbesitzes für den Einzelnen förderte die Entwicklung der Bibliotheken.

Der Bischof von Sevilla, Isidor? (560-636), fasste in seinen „Etymologiae“ das spätantike Wissen und die christlichen Ansichten der damaligen Zeit zusammen. Sein Wissen und seine Gedanken zum Thema Bibliotheken veröffentlichte er in seiner Schrift „De bibliothecis“. Sie war für das aufkommende Mittelalter ein maßgebendes Werk.

Erzbischof Gebhard? (1010–1088), der Gründer des Stiftes Admont in Österreich, schrieb: „claustrum sine armario quasi estrum sine armamentario.“ Das heißt: „Eine Kloster ohne Bibliothek ist wie eine Burg ohne Waffen.“

Irische Klöster

Eine besondere Stellung hatten die irischen Klöster inne. In der Übergangszeit zwischen Antike und Mittelalter wurden sie zu herausragenden Bildungsstätten. Eine direkte Verbindung zur Antike existierte in Irland nicht, bis hierher waren die Römer nicht gekommen. Schon im 5. Jahrhundert gelangten, von Ägypten aus, koptische Mönche zur Missionierung auf die Insel. Die Iren waren nicht nur vom Inhalt der Bücher, von Bildung und Wissenschaft begeistert, sondern speziell auch vom Buch als Gegenstand fasziniert. Davon zeugen die irischen Buchmalereien? und die literarischen Texte, in denen das Buch als Attribut der Irländer hervortritt. Die irischen Mönche richteten bei ihren Wanderungen über das europäische Festland auch Klosterbibliotheken in St. Gallen (613) und in Fulda (744) ein.

Bestandsvermehrung

Der schreibende Paulus, St. Gallen, frühes 9. Jh. - (c) gemeinfrei Der Bestand? der Bücher wurde in den Klosterbibliotheken durch das Abschreiben? von Büchern vermehrt. Die Kopiervorlagen wurden bei anderen Bibliotheken ausgeliehen. Manche Bücher wurden nicht ausgeliehen weil sie zu wertvoll waren. Dann musste der Schreiber? in die jeweilige Bibliothek kommen und dort kopieren. Das Werkzeug, die Tinte, die Feder?, die man zum Abschreiben von Büchern benötigte, stellten die Mönche selbst her – inklusive des Pergaments?, das von geschlachteten Tieren stammte.
Ihren Buchbestand vermehrten die Bibliotheken auf vielen Wegen: durch den Tausch von Mehrfach-Exemplaren oder von entbehrlichen Stücken gegen andere Bücher sowie durch Kauf. Rom galt während des gesamten Mittelalters als Büchermarkt, ebenso wie ausländische Universitätsstädte. Lohnschreiber? etablierten sich, was die Buchproduktion weiter förderte. Schon im 14. Jahrhundert wurden mehr Bücher von Lohnschreibern verkauft als von Mönchen geschrieben. Auch Schenkungen und Vermächtnisse füllten die Bibliotheken. Das konnten Einzelstücke oder ganze Sammlungen sein. Novizen brachten ihrerseits Bücher mit, ebenso die Mönche nach Abschluss ihrer Universitätsstudien.

Statt Bibliotheca wurde im Mittelalter auch gerne der Begriff libraria benutzt (verdeutscht: Liberey). Der Begriff Bibliothek wurde erst in der Zeit nach dem Mittelalter populär. In der englischen Sprache wurde das lateinische Wort libraria zu library. Im Italienischen bedeutet „libreria“ und im Französischen „librairie“ hingegen die Buchhandlung.

Von der Kiste zum Bücherraum

Zuerst wurden die Bücher nur in Kisten (cista, arca, archa, scrinium) oder Schränken (armarium) untergebracht, die abgesperrt werden konnten. Den Schlüssel zur Bücherkiste hatte die- oder derjenige, der für die Bibliothek zuständig war. Selten befanden sich die Bücher auf an den Wänden befestigten Brettern. Die Bestände waren nicht groß und die Bücher ständig in Gebrauch. Die Buch-Behälter wurden in der Kirche, in einer Kapelle, in der Sakristei, im Skriptorium? oder im Refektorium verstaut, wo die Tischlesung? stattfand.

Erst als die Buchbestände wuchsen, wurde für die Bücher ein eigener Raum notwendig. So konnte man die Bestände besser schützen und gewann leichter die Übersicht. Solch ein Bücherraum war zunächst kein spezieller Raum, der extra für Bücher geplant und genutzt wurde. Es handelte sich meistens um einen Raum, der schon vorhanden war und für die Bücher frei gemacht wurde. Die ersten Bibliotheken waren also keine Zweckbauten, sondern quasi Verlegenheitslösungen.
Das gilt auch für größere Buchbestände, die in einem Saal untergebracht werden, der als Bibliothek oder Bibliothekssaal bezeichnet werden kann. Im 20. Jahrhundert kamen in der Forschung die Begriffe Schatzkammerbibliothek? und Studienbibliothek? zur Unterteilung der mittelalterlichen Bibliotheken je nach Funktion auf. Schatzkammerbibliotheken nannte man Räume, in denen die Bücher außerhalb der Bibliothek gelesen wurden. Studienbibliotheken hießen Räume, in denen die Bücher sowohl gelesen als auch aufbewahrt wurden. Nach Meinung mancher Wissenschaftler ist diese Unterteilung aber unsinnig, weil nicht genau bekannt ist, wie und wo die Bücher aus der Bibliothek gelesen wurden.

Vom Bücherraum zur Bibliothek

Mit zunehmender Bedeutung der Bibliotheken wurden sie dann auch eigens in Bauplänen aufgeführt. Im Klosterplan des Abtes Gozbert von St. Gallen (um 820) beispielsweise war über dem Skriptorium? ein Raum für eine Bibliothek vorgesehen. Doch ist dieser Plan sehr wahrscheinlich nicht realisiert worden.
Bischof Wolfgang von Regensburg ließ um 879 in das Benediktinerkloster St. Emmeram einen Saal für die Bibliothek einbauen, der mit Versinschriften ausgeschmückt wurde. Diese Bibliothek ging 1812 in die „Fürst Thurn und Taxis Hofbibliothek?“ über. Andere Bibliotheken wurden mit allegorischen Darstellungen der Wissenschaften oder mit Wappen ausgestaltet.

Um 1420 entstand die Liberei, ein gesonderter Bibliotheksbau bei der Pfarrkirche St. Andreas in Braunschweig - ein Backsteinbau in Kapellenform, sieben Schritte im Quadrat groß. Die Liberei ist bis heute erhalten. Von vornherein als Bibliothek geplant war auch um 1444 das obere Stockwerk der Neithartschen Familienkapelle am Ulmer Münster. In Wien entstand im Jahr 1492 gleich ein selbstständiges Bibliotheksgebäude nach mehreren Erweiterungen durch den Ankauf eines Wohnhauses.

Im Benediktiner-Kloster Zwiefalten wurde 1505 eine prächtig ausgestattete und mit Studienräumen umgebene Bibliothek vollendet. Einen Anbau an das Domgebäude stellte wiederum der 1520 eingerichtete, von drei Seiten freistehende, 18 x 10 Meter große Büchersaal? der Dombibliothek? in Breslau dar. Kann man bis dahin den Begriff Büchersaal synonym für Bibliothek verwenden, so ist ab der Zeit des Humanismus? ein Büchersaal ein eigener großer Raum innerhalb eines Bibliotheksgebäudes.

Bücherpulte und Kettenbücher

Kettenbuch, Bibliothek des Hamburger Christianeums - (c) Michail Jungierek Im 13. Jahrhundert kam man auf die Idee, die Bücher zwecks schnelleren Zugriffs auf Pulten? auszulegen. Das verlangte eine Sicherung, denn der Bücherklau? ging um. So kam die Ankettung der Bücher auf. Damals nannte man dieses Verfahren in der lateinischen Sprache „libri catenati“. Die Ketten wurden dabei am oberen Rand jedes Rückendeckels der Bücher angebracht und an den Pulten selbst. Sie konnten aber zur Ausleihe durch besondere Vorrichtungen von der Kette gelöst werden.

Im Benediktinerkloster Schaffhausen sind heute noch rund 40 Kettenbücher in der Ministerial-Bibliothek aufbewahrt. Die Länge der ein- oder doppelseitigen Pulte mit je einem oberen schrägen und einem unteren waagrechten Brett war verschieden. Am häufigsten sind 10 bis 15 Bände auf einem Pult. Ein Doppelpult in der Bibliothek des Dominikanerklosters Wien fasste zwischen 23 und 67 Bände.

Das Lesen in der Bibliothek erfolgte im Stehen, am Pult. Daher stammt auch der Begriff Pultbibliothek?. Beim Aufschlagen eines Buches mussten zuerst die Nachbarbände beiseite geräumt werden. Bücher der unteren Pultbretter konnten nur auf dem oberen Brett gelesen werden. Einseitige Pulte hatten die Form von Kirchenbänken.
Die meisten Bibliotheksräume waren im Mittelalter nicht beheizt. Es ist nicht bekannt, ob auch freie Pulte zum Lesen und Schreiben vorhanden waren. Ebenso nicht, ob es Tische, Bänke oder Stühle gab. Oft wurden ja die Bücher zum Studium mitgenommen.

Klösterliche Bibliothekare

Allgemein gültige Regeln für Bibliotheken existierten im Mittelalter nicht. Das Amt des Bibliothekars war in den Klöstern meistens mit einem oder mehreren anderen Ämtern verbunden und bedurfte eines hohen Ausbildungsgrades. Es war ein sehr wichtiges Amt. Daher hatten die Bibliothekare meistens einen Helfer. Der Bibliothekar wurde auch armarius, librarius oder custos librorum (Buchwächter) oder bibliothecarius genannt. Weibliche Bibliothekare bezeichnete der Dominikaner Johannes Meyer auch als Buchmeisterinnen?.

Die mittelalterlichen Bibliotheken waren meistens wissenschaftlich ausgerichtet und nicht für Unterhaltungszwecke gedacht. Ihr Umfang schwankte zwischen einigen Dutzend und zweitausend Bänden. Normalerweise galt eine Bibliothek mit zwei- bis dreihundert Bänden als gut und eine mit fünf- bis sechshundert Bänden als sehr gut ausgestattet.

Klösterliche Buchbindereien

Die klösterlichen Buchbindereien? arbeiteten oft nicht nur für den eigenen Bestand, sondern auch für die Domskriptorien? und für private Bücherfreunde?. Aber es wurden auch Bindearbeiten? an Laienbuchbinder vergeben. Aus den Klosterbuchbindereien gingen die mit Elfenbein, Goldschmiedearbeiten, Edelsteinen und Email geschmückten Prachteinbände? der meisten liturgischen Handschriften hervor. Die Buchbinderei des Klosters von St Gallen, wo sich im 9. Jahrhundert das Zentrum der karolingischen Handschriften-Produktion befand, war berühmt für ihre Gebrauchseinbände? mit Blindstempel-Verzierung?.

Im 15. und 16. Jahrhundert ließen zahlreiche Bibliotheken ihre alten Bestände umbinden, sei es, dass die alten schadhaft geworden waren oder dass man mit der Mode gehen wollte. Zu jener Zeit existierten in Süddeutschland 186 Buchbindereien, davon 38 klösterliche. Gern wurden zum Neubinden von Büchern alte hergenommen, die zerstört waren, oder solche, die als veraltet galten oder durch einen Druck überflüssig geworden waren.

Ordnungssysteme

Die Klosterbibliotheken katalogisierten? ihre Werke. So konnte der Bestand? der Bücher stets gesichtet werden. Vor allem wenn dieser vor drohenden Überfällen aus der Bibliothek entfernt und bei der Rückkehr auf Vollständigkeit überprüft wurde. In den Katalogen? verrät die Reihenfolge der aufgeführten Werke deren Wertigkeit: Zuerst kamen die Bibel und dazugehörige Schriften, dann die Texte der Kirchenväter?, dann die der zeitgenössischen Theologen, dann die antiken Autoren und zum Schluss die Schriften der „Artes liberales“, der freien Künste. Die Anregung zu diesem Ordnungssystem stammt aus „De viris illustribus“ und „De libris recipiendis“ des Isidor von Sevilla?.

Zur Information über den Bestand der Bücher gab es Tafelkataloge?. Wobei der Begriff Katalog aber erst durch Carpentarius? um 1500 entstand: „Index sive catalogus librorum.“ Vorher wurden die lateinischen Begriffe „Registrum“ oder „Index“ für das Verzeichnis von Büchern verwendet. Diese Kataloge bestanden aus beschriebenen Pergamentblättern?, die auf Holz aufgezogen wurden und an der Stirnseite der Pulte befestigt waren. In einem Kästchen wurden die Ausleihzettel? aufbewahrt.

Der Buchdruck? kam um 1450 auf. Durch diese Technik der Buchherstellung und die Benutzung von Papier statt Pergament konnte eine größere Zahl von Büchern produziert werden. Dadurch wurden auch die Buchbestände in den Bibliotheken immer größer – und die Notwendigkeit einer sinnvollen Katalogisierung immer dringender.

Das Katalogwesen war im Mittelalter nicht einheitlich. Jede Bibliothek inventarisierte? den Bestand ihrer Bücher mit einer anderen Methode. Das Prinzip des dreiteiligen Katalogs, das heute noch gilt, mit Standort?, Verfasser und Sachkatalog?, wurde in St. Gallen schon im 9. Jahrhundert angewandt. Der dort lebende Mönch Liuthard? erstellte einen Bücher-Katalog mit 428 Nummern.

Der größte Bibliotheks-Katalog im Mittelalter war wohl der in der Kartause zu Erfurt, der ab 1475 geführt wurde. Es war ein systematischer Standortkatalog mit einer kurzen Einführung in das jeweilige Fachgebiet, das mit einem Buchstaben bezeichnet wurde, und mit erklärenden Zusätzen zu den Verfassern. Dazu kam die Angabe der Signaturen? anderswo stehender identischer Texte und Schlagworte?. Außerdem waren die Bücher chronologisch geordnet, mit der Bibel beginnend und mit dem 1481 verstorbenen Augustiner-Eremiten Johannes Dorsten endend. Damit entstand auch eine literaturkundliche und biographische Übersicht der Verfasser.

Gründliche Arbeit leistete der Bibliothekar Dionysius Menger? im Kloster St. Emmeram zu Regensburg um 1500. Er hinterließ nicht nur eine sorgfältiges Verfasser- und Titelverzeichnis?, sondern registrierte auch ausführlich den Inhalt der Sammelbände? und unterschied zwischen Drucken? und Handschriften?. Ebenso hielt Dionysius Menger Pergament- und Papierhandschriften auseinander. Er ergänzte die Beschreibung des jeweiligen Buches durch Angaben über Schrift, Format? und Einband?.

Eine andere Form der Katalogisierung war die Pult?- oder Individualsignatur?. Sie bestand aus Buchstaben für die Bezeichnung der Pulte und aus Zahlen für die Pultbretter sowie für die einzelnen Bücher. Daneben war auch die Katalogisierung von Büchern mittels Farben üblich.

Durch den Eintrag eines Besitzervermerkes? am Anfang oder am Ende des Buches wurde der Bücherbestand in einer Bibliothek gekennzeichnet. Bei Klöstern trug man den Namen des Schutzheiligen ein. Privatpersonen gaben nicht nur ihren Namen, sondern auch ihren Beruf, Geburts- und Wirkungsort an. Später kam noch das Wappen hinzu. Ende des 15. Jahrhunderts kamen die Exlibris auf, die auf den Besitzer des Buches hinwiesen.

Es folgt eine Liste (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) der Stifte und Abteien in Deutschland, Österreich und der Schweiz, deren mittelalterliche Klosterbibliotheken noch heute existieren:

Benediktinerabtei Ottobeuren
Benediktinerstift Admont
Benediktinerstift Altenburg
Zisterzienserabtei Heiligenkreuz
Augustiner-Chorherrenstift Klosterneuburg
Benediktinerstift Melk an der Donau
Benediktinerkloster Mondsee
Benediktinerabtei Einsiedeln
Kloster St. Gallen
Nikolaikirche in Isny

Dombibliotheken

Neben den Klöstern stellten die Bischofssitze kulturelle Mittelpunkte dar. Die Ausbildung der Geistlichen erforderte Schulen, Skriptorien? – und Bücher. So entstanden die Dombibliotheken?. Die Dombibliothek zu Freising wurde bereits 739 gegründet. Karl der Große erließ 802 auf der Synode von Aachen eine Bestimmung, welche auch Kirchen und Pfarreien verpflichtete, sich eine kleine Zahl von Büchern zuzulegen.

Weltliche Bibliotheken im Mittelalter

Die Verwaltung der Städte im Mittelalter bedingte ein gewisses Wissen und die Beherrschung des Schreibens und Lesens. Auch hier wurden also Bücher benötigt. Weil sich diese meistens im Rathaus befanden und von den Bediensteten des Rates benutzt wurden, prägte man den Begriff der Rats- oder Stadtbibliothek. Viele Bücher wurden der Ratsbibliothek auch von Bürgern gestiftet. Erwähnenswert ist unter den Rats-Bibliotheken besonders die der Stadt Nürnberg, die um 1370 erstmals genannt wird. Im 15. Jahrhundert verfügt sie über 151 Bände, davon 93 zur Theologie, 29 zum kanonischen und neun zum römischen Recht sowie 20 zur Medizin und Naturwissenschaft.

Als Kollegien-Bibliotheken? werden jene bezeichnet, die sich in Schulen befanden, in denen die Professoren und ihre Studenten zusammenwohnten. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts wurden die Schulen von Paris zusammengelegt. So entstand mit dem Collège de Sorbonne die erste europäische Universität, ähnlich dem Museion in Alexandria. Weitere Universitäten wurden dann in Prag, Wien, Heidelberg, Köln, Erfurt und Leipzig gegründet. Aus den Bibliotheken für die einzelnen Fakultäten bildeten sich die Universitätsbibliotheken? heraus. Durch die Inanspruchnahme von Lohnschreibern? wuchsen sie vergleichsweise schnell. Um 1430 konnte die Universität Heidelberg, gegründet 1386 und damit Deutschlands älteste Universität, bereits rund 870 Bücher vorweisen.

Die Menschen des Mittelalters lebten meistens nicht sehr lang. Insofern waren private Bibliotheken, mit denen nach Bildung und Berufswissen gestrebt wurde, oft nicht von langer Dauer. Sie entstanden, weil der Zugang zu den Büchern in Klöstern, Kirchen oder Universitäten für normale Menschen sehr schwierig war. Richard de Bury?, 1287-1345, der Bischof von Durham, verfasste 1344 voller Leidenschaft für Bücher das Werk „Philobiblon“. Er war bekannt als Bibliophiler? und Sammler von Büchern. Im „Philobiblon“ schildert er auf ansteckende Weise seine Ideen zur Kultur des Lesens und der Bibliothek. Dem "Philobiblon" wird ein gewisser Einfluss auf die Erstellung von Privatbibliotheken zugeschrieben. Private Bibliotheken entstanden meist erst im späten Mittelalter, als das Bürgertum rechtlich und finanziell erstarkte.

Gelehrtenbibliotheken gab es zu dieser Zeit häufiger als etwa reine Privatbibliotheken. Diese Büchersammlungen gehörten nicht einem Pfarrer, Kaplan, Prediger oder Schulmeister, sondern einem Gelehrten. Ein Amplonius Ratick de Berka? (gest. 1435), Leibarzt des Erzbischofs von Köln, besaß rund 635 Bände aus allen Wissensgebieten. Er studierte und lehrte an vier Universitäten und galt als Bibliophiler. Der bibliophile Nürnberger Hartmann Schedel? (1440-1514) sammelte nicht nur Bücher, sondern auch Graphiken?. Diese klebte er in seine Bücher ein. So entstand seine „Schedelsche Weltchronik?“ (Liber Chronicarum), die als eines der ersten humanistisch? beeinflussten Werke gilt. \\

In Italien waren durch Francesco Petrarca? (1304-1374) und Giovanni Boccaccio (1313-1375) bereits Privat-Bibliotheken entstanden, die später durch fürstliche Förderung in öffentliche Bibliotheken übergingen.

Bücherklau in Bibliotheken

Öffentliche Bibliotheken im heutigen Sinn kannte man im Mittelalter nicht. Die Benützung der mittelalterlichen Bibliotheken war hauptsächlich nur für die Menschen möglich, die zu der jeweiligen Gemeinschaft gehörten, welche die Bibliothek betrieb. Fremdbenützungen war durch bekannte oder empfohlene Personen im Rahmen eines Besuchs in der Bibliothek oder auch durch Ausleihe? möglich. Die Ausleihe erfolgte durch Boten, oft auf weite Entfernungen. Als Pfand konnte ein gleichwertiges Buch dienen.

Weltliche oder kirchliche Autoritäten hatten Zugriff auf Bücher in den Bibliotheken, die dann oft nicht zurückgegeben wurden, was eine Bestandsminderung verursachte. Otto II. (955-983) bediente sich in der Klosterbibliothek von St. Gallen, aus der er sich die schönsten Bücher mitnahm und nie wieder zurückgab. Das war sicherlich kein Einzelfall. Im 15. Jahrhundert waren sogar professionelle Handschriften-Jäger unterwegs, die mit Empfehlungsschreiben von Bischöfen oder Päpsten aus den Klosterbibliotheken die besten Stücke mitnahmen.

Zur Fortsetzung siehe Bibliotheksgeschichte der Neuzeit bis 1800

Bitte Krümelpfad unten nicht verändern


Hauptseite | Bibliothekswesen | Bibliotheksgeschichte | Bibliotheksgeschichte des Mittelalters
Daten hochladen
Buecher-Wiki Verlinken
FacebookTwitThis
Pin ItMister Wong
RSS-Feed RDF-Feed ATOM-Feed

schliessen