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Das Pferd als literarisches Motiv

Das Pferd kann in der Literatur als Motiv begegnen, aber auch als Symbol oder als mythologische Figur.

Das Pferd im Märchen

Ein Tier wie aus dem Märchen: der Schimmel - (c) by Babsnrw/PIXELIO

(Fast) jedes Märchenfinale bestreitet ein Prinz auf seinem prächtigen Pferd. Aber sind Pferde nur das zierende Beiwerk oder übernehmen sie auch Hauptrollen im Märchen, nachdem sie die Menschen schon seit Jahrtausenden durch alle Kulturen begleiten? Obwohl Tiermärchen sich großer Beliebtheit erfreuen, taucht in ihnen eher der Wolf, der Fuchs oder der Hund auf als das Pferd. Schon länger gibt es auch Einzelveröffentlichungen, die sich dem Hund oder der Katze im Märchen zuwenden, nicht aber dem Pferd.

Diese Tendenz steht andererseits im deutlichen Gegensatz zu einer wahren Flut von Ponyhofgeschichten. In den Jahren 2005/2006 wandelte sich dies. Auf einmal erschienen unmittelbar aufeinander, aber völlig unabhängig voneinander drei Pferde-Märchenbücher:

Das Pferd als Spiegelbild des Protagonisten

In den Märchen, die den Leser emotional am stärksten ansprechen, ist das Pferd Berater und Freund des zu Beginn des Märchens meist noch unreifen Helden. Oft entsprechen sich zu Beginn des Märchens Held und Pferd schon äußerlich. Dem jüngsten und dümmsten Sohn steht nur ein alter Klepper zur Verfügung. Oder der Held wählt gerade das kleinste Pferdchen. Er weiß zwar noch nichts über die Zauberkräfte von Pferden, aber es ist, als spiegele er sich im Unvollkommenen. Er trifft somit eine ihm angemessene Wahl. Sie lässt den Zauber der Entwicklung zu.

Sind die Widersacher erst einmal außer Sichtweite, so wird der alte Klepper zum strahlenden Zauberpferd mit glänzendem Fell und wallender Mähne. Seine Attribute sind das silberne Sattel- und Zaumzeug. Einen Namen hat das Zauberpferd nur in den seltensten Fällen. Das korrespondiert mit der Typenstruktur der Märchen überhaupt, in denen oft nur vom Königssohn, vom Jungen oder vom Mädchen die Rede ist.

Das Pferd als Helfer und Berater

Ohne das Pferd wäre es dem Helden nicht möglich, seine Prüfungen zu bestehen. Oftmals, wie in Varianten des berühmten Märchens vom „buckligen Pferdchen“ warnt das Pferd seinen Herrn davor, einer Versuchung nachzugeben. „Lass die Feder liegen. Sie bringt dir nur Unglück“. Aber der Held überhört die Warnung. Trotzdem steht das Pferd ihm bei und bügelt die Konsequenzen, die sich aus der unreifen Handlung seines Herrn ergeben, aus. Anders als der Held kennt das Pferd sich in der Welt aus. Sowohl örtlich, indem es den Helden ans Ziel zu bringen vermag, als auch pragmatisch. Es weiß, welche Ausstattung der Held von seinem Auftraggeber einfordern muss, um die Aufgaben zu bewältigen.

Mit seiner Unterstützung bei der Lösung der Aufgaben führt das Pferd seinen Herrn oft auch in die Arme seiner Braut. Damit hat der Held dann nicht nur seinen gesellschaftlichen Auftrag erfüllt, sondern auch sein privates Glück gefunden. Die beratende, meist mit einer Vorhersage verbundene Fähigkeit der Pferde in vielen Zaubermärchen erwächst sicherlich noch direkt aus dem Volksglauben, in dem insbesondere Schimmeln weissagerische? Fähigkeiten zugeschrieben wurden. In einem alten Märchen aus Kärnten („Das Schimmelchen“) ist es ein winziges Schimmelchen, das einem armen Burschen durch seine Vorhersagen zur Jagd und zur Tochter des Königs verhilft.

Das Pferd als verzauberter Mensch

Viele Zaubermärchen dieses Typs fordern am Schluss vom Helden noch eine ganz eigene, sehr grausam erscheinende Aufgabe: Er soll seinem treuen Pferd den Kopf abschlagen. Verständlicherweise wehrt sich der Held dagegen, doch besteht das Pferd auf dieser Gegenleistung, bis der Prinz nachgibt. Mit dem „Vernichten“ des Pferdes erlöst er dieses jedoch. Ein verzauberter Königssohn, oft der Bruder seiner Braut, steht anstelle des Pferdes vor ihm.

Das unverständliche „Erschlagen“ des Pferdes ist also wie meist im Märchen metaphorisch aufzufassen. Es eröffnet den Weg zum eigentlichen Leben. Der Held und sein Pferd kommen sich dadurch sogar näher als je zuvor. Und spielt nicht sogar etwas von jener Erfahrung darin mit, dass die Tiere in den Rang eines Familienangehörigen gehoben werden?

Pferde in Reckenmärchen

Ein ganz anderes Bild des Pferdes zeigt sich in Märchentypen, die dem Reckenmärchen oder alten Mythen nahe stehen. Hier tritt das Zauberpferd auch gleich als prächtiges und kräftiges Ross in Erscheinung. So zum Beispiel das Riesenpferd Gullfaxi aus Island oder das wilde Pferd aus Lothringen („Das wilde Pferd und der Königssohn“), das bis zur Geburt eines Wunderprinzen eingemauert war, weil niemand es bändigen konnte. Nun ist es als einziges in der Lage, den Prinzen zu tragen. Auf diesen Pferden treten ihre Herren zum siegreichen Kampf. Ein dramatisches Ende wie in den vorgenannten Zaubermärchen ist in diesem Märchentypus nicht vorgesehen.

Das schön illustrierte Buch „Magische Pferde“ lässt jene Pferdemärchen außen vor, hinter dessen Pferden sich verwandelte Menschen verbergen. Es sucht vielmehr in der Beschreibung des Pferdes oder in den Reiterweisen des Helden nach Anhaltspunkten dafür, welche Pferderasse der Welt diese Märchen zum Vorbild gehabt haben könnten. Schon in der Titelillustration weist es übrigens darauf hin, dass der Held des Pferdemärchens längst nicht immer ein Mann sein muss. Gerade unter den Pferdemärchen sind häufig Prinzessinnen – oder wie wir später sehen werden: Hexen – also Frauen, die Helden.

Dämonische Pferde

Jeder Reiter kann vermutlich ein Lied davon singen: Der Umgang mit einem so großen und kräftigen Tier wie dem Pferd ist nicht immer unproblematisch. Diese Erfahrung ist vielleicht Ausgangspunkt für jene Märchen, die das Pferd als vom Teufel oder von Hexen besessen schildern. Der Pferdefuß des Teufels ist eine Ausdrucksform dafür, wie infolge der Christianisierung auch eine Dämonisierung der Natur und somit des Pferdes eintrat.

Oft scheint es auch der geschundene Acker- oder Kutschgaul zu sein, der Pate dafür stand, dass grausame Herren in Pferde verwandelt werden und so am eigenen Leib erleben müssen, was sie ihren Untertanen abverlangten. Sie müssen ihre Schuld bei ihnen, wenn nicht gar im Dienst des Teufels abarbeiten. Die Mythen- und Sagenwelt scheinen die dämonischen Pferde allerdings stärker zu bevölkern als die Märchenwelt.

Quer durch die Geschichte weiß Wolfgang Schulze in „Die Sagenwelt des Pferdes“ davon zu berichten. Einige solcher Sagen haben sich neben den Zaubermärchen auch in Sigrid Frühs und Wolfgang Schultzes „Pferdemärchen“ gerettet.

Das Pferd im Alltags- und Schelmenmärchen

Neben den Verwandlungs- und Zaubermärchen ist in Bettina Klamanns? „Auf dem Pferd ins Märchenreich“ noch eine weitere Märchengruppe mit ihren Pferden vertreten: die Alltags- und Schelmenmärchen?. Die Alltags- oder Schelmenmärchen schildern überspitzt, was einem beim Pferdehandel passieren kann, wie dem Leichtgläubigen ein schäbiger oder störrischer Klepper als Wunderpferd aufgeschwatzt wird. Auch raffinierter Pferdediebstahl und die Unfähigkeit von Besitzern, ihr eigenes Pferd wiederzuerkennen, sind beliebte Themen dieser Märchengruppe.

In entstehungsgeschichtlich? jüngeren Alltagsmärchen ist in diesem Zusammenhang auch die Kritik an Kirchenvertretern gar nicht so selten. So überredet in einem rumänischen Märchen ein Pope einen armen Burschen zum gemeinsamen Pferdediebstahl, in einem ukrainischen Märchen lässt ein Pfarrer sich einreden, ein Pferd zur Welt bringen zu müssen, und in einem belorussischen Märchen vertrinken der heilige Petrus und Nikolaus sogar das Geld, das ihnen Gott selbst anvertraut hat, um Pferde zu kaufen.

Die Pferde haben also sehr wohl ihre Spuren in den Märchen aller Völker hinterlassen. Lange Zeit wurden die Märchenpferde allerdings kaum wahrgenommen, denn mehr als alle anderen Tiere scheinen sie im Guten wie im Schlechten mit den Helden der Märchen, in denen sie auftreten, verschmolzen.

Literatur

  • Klamann, Bettina: Auf dem Pferd ins Märchenreich, Verlag deutex, Berlin 2006
  • Sherman, Josepha: Magische Pferde, Verlag Urachhaus, Stuttgart 2005
  • Früh, Sigrid/Schultze, Wolfgang: Pferdemärchen, Königsfurt Verlag, Krummwisch 2006
  • Uther, Hans-Jörg (Hg.): Die schönsten Pferdemärchen, Droemer Knaur, München 2002
  • Schulze, Wolfgang: Die Sagenwelt des Pferdes, Verlag Pomp & Sobkowiak, Essen 1984

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